Seismograf
Seismografen haben in den vergangenen Wochen eine Erdbebenserie in Tirol aufgezeichnet.
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In etlichen österreichischen Haushalten hat es in der Nacht auf Donnerstag gedonnert und geklirrt. Gegen drei Uhr morgens wurde im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich ein Erdbeben registriert, vor allem in Gloggnitz und der Gemeinde Semmering war es zu spüren und weckte Bewohnerinnen und Bewohner. Mittlerweile wurde die Magnitude von 4,4 auf 4,5 erhöht.

Damit zählt das Beben zu den stärkeren in dieser Region. Rund 3.000 Meldungen sind bei der Geosphere Austria, die auch den österreichischen Erdbebendienst stellt, eingegangen (hier können sie weiterhin gemeldet werden) – darunter waren etwa 130 Fälle, bei denen es zu kleineren Schäden kam.

Damit reiht es sich ein in überdurchschnittlich viele Erdbeben, die in Österreich in den ersten Wochen des Jahres verzeichnet wurden. Im heurigen Jahr waren bereits 58 Erschütterungen zu spüren (von 470 gemessenen seismischen Ereignissen), wie die Seismologin Christiane Freudenthaler von der Geosphere Austria auf STANDARD-Anfrage berichtet. So viele Meldungen gab es früher für das gesamte Jahr. Üblicherweise kommt es im Monat Jänner im Schnitt nur zu fünf spürbaren Beben.

Bevölkerung sensibilisiert

Dies liegt derzeit vor allem an zahlreichen Erdbeben in Tirol: In der Nähe des Pillersees kam es zu einer Serie an Erdstößen, die womöglich noch anhält – sie machten 45 der 58 Beben aus. Die Erschütterung am 23. Jänner um fünf Uhr morgens weckte etliche Menschen mit einer Magnitude von 3,8. Weiter westlich, in Ehrwald, kam es vier Tage später zu einem Beben der Stärke 3,6.

Die hohe Zahl für Jänner lässt vermuten, dass die Statistik für 2024 im Vergleich zu den Vorjahren stark nach oben geht. Während ab dem Jahr 2000 etwa 50 Beben jährlich gemeldet wurden, waren es in den vergangenen Jahren 70 bis 80. Das habe jedoch nicht mit vermehrter Aktivität im österreichischen Untergrund zu tun, betont Freudenthaler. Durch die Bebenserie in Tirol sei die Bevölkerung dort derzeit sensibilisiert und habe auch sehr schwache Erdbeben gespürt, die sonst gar nicht auffallen. Dadurch erklären sich die vielen Meldungen. "Es ist keine Gefahr im Verzug", sagt die Expertin.

Online-Tools zur Meldung

Auch die heutigen technischen Möglichkeiten, Beben online zu melden, treiben die Statistik in die Höhe: "Wir erhalten im Vergleich zu früher, als noch Briefe geschrieben wurden oder Leute anrufen mussten, schon sehr viele Meldungen", beobachtet Freudenthaler. Über das Formular auf der Website oder auch die App "Quakewatch Austria" machten in diesem Jahr bereits tausende Menschen auf die Erschütterungen aufmerksam. In Sachen Häufigkeit und Stärke der Beben sei aber kein steigender Trend zu erkennen.

Haarriss im Verputz einer Außenwand
Bei Erdbeben können dünne Risse im Putz entstehen. Die Schäden hielten sich in diesem Jahr bisher aber in Grenzen.
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Insbesondere in Niederösterreich sei der Boden in den vergangenen Jahren aktiv gewesen, und es sei vermehrt zu stärkeren Erdbeben gekommen. Der Raum Gloggnitz war betroffen, im März 2023 leitete ein Erdbeben der Magnitude 4,2 eine mehrmonatige Folge ein, wobei die späteren Erschütterungen nicht mehr so stark waren. Auf den Tag genau zwei Jahre zuvor hatte es in der Region ebenfalls ein Beben gegeben, das sich letztlich auf die Magnitude 4,6 beziffern ließ und auch in Wien spürbar war. Bisher kam es allerdings nur zu leichten Gebäudeschäden, typischerweise sind das etwa Haarrisse im Verputz.

Erdbebenregionen Österreichs

Das liegt auch daran, dass das südliche Wiener Becken zu den Gebieten mit der höchsten Bebenbelastung Österreichs gehört. Seit Millionen von Jahren weitet sich diese Zone aus, was zum langsamen Absacken der Erdkruste führt und für Spannungen an den Rändern des Beckens sorgt. Dann kommt es in zehn bis 14 Kilometern Tiefe zum Absinken von Teilen der Erde, was an der Oberfläche für Erdstöße sorgt.

Aber auch andere Regionen Österreichs sind bekannt für stärkere seismische Aktivität, neben dem Gebiet um Semmering sind das das Vorarlberger Rheintal, das Inntal sowie das Mur- und Mürztal. In Tirol kommt es durch die weiterhin andauernden Prozesse der Alpenbildung zu Beben, wobei das Pillerseetal sonst selten betroffen ist. "Eine vergleichbare Serie gab es zuletzt 1921, als hier über fünf Monate hinweg immer wieder die Erde bebte", sagt Freudenthaler. Damals sei es mit Magnituden von bis zu 3,8 zu ähnlich starken Beben wie in den vergangenen Wochen gekommen.

Nach den aktuellen Erschütterungen kann es in den kommenden Tagen zu Nachbeben kommen, die meistens aber immer schwächer werden. "Dann herrschen wieder ruhigere Zeiten", sagt Seismologin Freudenthaler. (Julia Sica, 1.2.2024)