Alle 27 Mitgliedsstaaten stimmten zu. Ungarns Premier Viktor Orbán gab seine Blockade auf.
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Brüssel – Alle 27 EU-Staaten haben sich am Donnerstag beim Sondergipfel in Brüssel auf ein zusätzliches Hilfspaket in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine geeinigt. Das teilte Charles Michel, Ständiger Präsident des Rats der Staats- und Regierungschefs der EU, bereits kurz nach Beginn der Sitzung auf der Plattform X mit. "Wir haben einen Deal", schrieb Michel. "Damit ist eine stabile, langfristige und vorhersehbare Finanzierung für die Ukraine gesichert."

Video: Ungarn lenkt ein, alle EU-Länder stimmen für Ukraine-Hilfen
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Diese Blitzeinigung kam doch einigermaßen überraschend. Denn Ungarns Premier Viktor Orbán hatte bis zuletzt erklärt, er werde den im Vorfeld ausverhandelten Konzepten nicht zustimmen, die 26 EU-Partner würden sich gegenüber Ungarn wie "Geiselnehmer" verhalten.

Ob ein Deal zustande kommen würde, hing ganz von Ungarns Premierminister ab. Die übrigen Staats- und Regierungschefs waren sich bereits beim EU-Gipfel im Dezember einig, dass alles getan werden müsse, um eine Niederlage der Ukraine zu verhindern. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte dies bei seiner Ankunft Donnerstagvormittag. Es müsse eine Lösung geben, die alle 27 EU-Länder mittragen, sagte er.

Vor Beginn des Gipfels gab es mehrere Vorgespräche in kleineren Runden, zu denen Michel gebeten hatte – bei einem haben Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron offenbar den Durchbruch erzwungen. Die nunmehrige Einigung beinhaltet eine jährliche Evaluierung des Ukraine-Hilfe und die Option, das Paket in zwei Jahren zu überprüfen, "falls erforderlich", sagten zwei EU-Diplomaten der Nachrichtenagentur Reuters. Orbán hatte bereits im Vorfeld angedeutet, dass er dem aufgestockten Budget zustimmen könnte, sofern die Ukraine-Hilfe jährlich neu evaluiert werde.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich umgehend dankbar. Auf X betonte er, es sei wichtig, dass die Entscheidung von allen 27 Mitgliedsstaaten getroffen worden sei, was die starke Einigkeit der EU beweise. "Die fortgesetzte finanzielle Unterstützung der EU für die Ukraine wird die langfristige wirtschaftliche und finanzielle Stabilität stärken, was nicht weniger wichtig ist als militärische Hilfe und Sanktionsdruck auf Russland", so Selenskyj.

Von der Leyen: "Wir wissen, dass die Ukraine für uns kämpft"

Europa habe heute seine Führungsrolle und seine Einigkeit bewiesen, betonten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Michel in ihrer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Sondergipfel. "Wir wissen, dass die Ukraine für uns kämpft. Der Europäische Rat hat heute seine Unterstützung für die Ukraine bekräftigt", so von der Leyen. Die Kommissionschefin betonte, dass auch die von der EU vorgeschlagene Revision des mehrjährigen EU-Budgets mit Mitteln zur Bekämpfung der illegalen Migration, zur Unterstützung der Westbalkan-Partner sowie zur Bewältigung von Naturkatastrophen und humanitären Krisensituationen abgesegnet wurde.

Nehammer begrüßt Einigung

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich erfreut über die Einigung. "Viktor Orbán ist jetzt mit an Bord", betonte er kurz nach Bekanntwerden der Einigung. Die Ukraine-Hilfe ist Teil einer größeren Erhöhung des mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFF) bis 2027, mit der auch für andere Prioritäten mehr Geld bereitgestellt werden soll. Nehammer begrüßte, dass die Erhöhung nun geringer ausfalle als ursprünglich von der EU-Kommission geplant. Darauf hatten sich die EU-Staaten bereits im Dezember geeinigt. Zudem zeigte sich der Bundeskanzler erfreut, dass mehr Geld für den Bereich Migration vorgesehen wird.

Nach der Einigung über die Ukraine-Hilfe werden die EU-Regierungsspitzen nun auch über weitere militärische Unterstützung für das Land beraten. Besonders Deutschland macht hier Druck, dass die EU mehr unternehmen solle. "Wir zahlen auch mit, aber nicht für Waffen und Munition, sondern eben für Schutzausrüstung", meint Nehammer hierzu mit Blick auf Österreichs Neutralität.

Selenskyj kritisierte, dass die EU mit ihrem Versprechen, bis März eine Million Stück Munition zu liefern, in Rückstand geraten sei. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurden bis Anfang 2024 330.000 Stück aus der EU in die Ukraine gesandt. Auch dies sei ein Zeichen des globalen Wettbewerbs, den zu verlieren Europa sich nicht leisten könne. Russland habe "einen weiteren russischen Komplizen" bekommen, nämlich Artilleriegranaten und ballistische Raketen aus Nordkorea: "Sie terrorisieren bereits unsere Städte, zusätzlich zu den iranischen Shaheds, die unsere zivile Infrastruktur zerstören. Geheimdienstinformationen bestätigen, dass Russland eine Million Artilleriegranaten aus Pjöngjang erhalten wird", sagte der per Video zugeschaltete ukrainische Präsident in seiner Rede beim Gipfel. (Thomas Mayer aus Brüssel, Reuters, APA, red, 1.2.2024)