Das unscheinbare Zinshaus im zwölften Wiener Gemeindebezirk gilt seit Jahren als Anlaufpunkt für die Salafistenszene.
APA / GEORG HOCHMUTH

Wien – Muhammed P. ist alles, nur kein unbeschriebenes Blatt. Seit Jahren ranken sich Gerüchte um den bosnischen Prediger und die Tewhid-Moschee in Meidling. Ihm werden Verbindungen in die radikalislamische Szene in Bosnien-Herzegowina nachgesagt. Vor einigen Jahren tauchten zudem antisemitische Predigten von ihm auf. Das Gebetshaus gilt seit jeher als Anlaufpunkt der extremen Salafistenszene. Auch der Jihadist K. F., der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen ermordet hat, betete dort. Das führte vorübergehend zur Schließung der Tewhid-Moschee.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) gewährte dem berüchtigten Gebetshaus nach rechtlichen Auseinandersetzungen aber noch eine weitere Chance – jedoch ohne Muhammed P., wurde gefordert. Mit seiner Vergangenheit, so hieß es damals, sei kein Neustart möglich. Mit einem neuen Imam, ebenfalls aus Bosnien, sollte in Meidling endlich Ruhe einkehren.

Doch wie Recherchen von STANDARD und Puls 24 nun aufzeigen, dürfte Muhammed P. entweder nie wirklich weg gewesen oder seine Absenz lediglich von kurzer Dauer gewesen sein. Seit Monaten ist aus Sicherheitskreisen zu hören, dass der Bosnier weiter in der Tewhid-Moschee aktiv sein soll. Das erzählen im Laufe der Recherche auch Personen aus der Salafistenszene. Einen entscheidenden Hinweis lieferten schließlich die Ermittlungen rund um den Jihadisten Ali K.

"Tewhid-Moschee ist kein Teil der IGGÖ mehr"

Der 17-jährige Wiener mit türkischen Wurzeln wollte im vergangenen September einen Anschlag auf dem Wiener Hauptbahnhof ausführen – zog aber in letzter Sekunde zurück. Danach begab sich Ali K. mit einer weiteren Person in Richtung der besagten Tewhid-Moschee in Meidling, die er zuvor öfter besucht hatte. Dort habe K. übernachten wollen – was Muhammed P. jedoch abgelehnt haben soll. Das geht zumindest aus dem Ermittlungsakt hervor. Grundsätzlich halten Österreichs Sicherheitsbehörden fest: In der Tewhid-Moschee sei zwar nicht jede Predigt als radikalislamisch einzustufen, derartige Umtriebe seien dort in der Vergangenheit aber immer wieder Thema gewesen.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft bestätigt die Recherchen von STANDARD und Puls 24. Für den Fortbestand der Moschee und ihrer Rechtspersönlichkeit habe sie einen Wechsel des Imams eingefordert, aber auch weitere Maßnahmen, um "eine transparente Gestaltung der Gemeindearbeit sowie den Umgang mit extremistischen Tendenzen innerhalb der Gemeinde" sicherzustellen. Eine "zufriedenstellende Umsetzung" der Vereinbarung sei nicht erfolgt. Muhammed P. soll laut Informationen der IGGÖ zuletzt als Arabischlehrer in der Moschee aktiv gewesen sein.

Der oberste Rat der IGGÖ habe daher in seiner ersten Sitzungen nach den internen Wahlen im Dezember 2023 beschlossen, die Tewhid-Moschee als Moscheegemeinde aufzulösen. Über diesen Schritt seien das Kultusamt und das Gebetshaus bereits informiert worden. "Die Tewhid-Moschee ist sohin kein Teil der IGGÖ mehr", sagt eine Sprecherin.

Rechtlich bestehe die Gemeinde somit nur noch als Verein nach dem Vereinsgesetz. "Die Frage, inwieweit damit das individuelle Recht auf Religionsausübung der Gemeindemitglieder betroffen ist, beziehungsweise ob und in welcher Form die Gemeinde in Zukunft betrieben werden kann, obliegt nun der Entscheidung der Vereinsbehörde", führt die Islamische Glaubensgemeinschaft aus. "Als 'Moschee' darf sie sich jedenfalls nicht mehr bezeichnen, denn dies ist ein Titel, den die IGGÖ vergibt."

Das dürften die Besucher der Tewhid-Moschee allerdings noch nicht wissen. Freitags um die Mittagszeit durchschritt ein durchmischtes Publikum die Tür zu dem Gebetshaus unweit des Meidlinger Bahnhofs für das Freitagsgebet.

Ein offizielles Verfahren nach dem Islamgesetz hat die Glaubensgemeinschaft übrigens noch nicht eingeleitet. "Wir warten zunächst ab, wie die Behörden bezüglich des Vereins entscheiden." Im Umkehrschluss heißt das, dass die Statuten der Tewhid-Moschee nun vom Kultusamt geprüft werden müssen. Diese dürfen nun nicht mehr den Anschein erwecken, dass in Räumlichkeiten in Meidling die Lehre der IGGÖ vertreten wird. Ist das doch der Fall, kann die Vereinsbehörde laut Experten auf Geheiß der IGGÖ tätig werden und den Verein nach Ablauf einer Frist "schließen".

Und was sagen die Vertreter der Tewhid-Moschee zu alldem? Gar nichts. Sie ließen eine Anfrage von STANDARD und Puls 24 vorerst unbeantwortet. (Jan Michael Marchart, 2.2.2024)