Isabella Rossellini
Isabella Rossellini bei der Premiere ihres aktuellen Films "La Chimera" beim Filmfest in Rom im Oktober 2023.
IMAGO/Riccardo Antimiani

Ihr Masterabschluss in Biologie trägt nun Theaterfrüchte. In ihrer One-Woman-Show Darwin’s Smile heftet sich Isabella Rossellini an die Fersen des Evolutionsforschers. Mit viel Selbstironie schlüpft die Italo-Amerikanerin auch in ein Pfauenkostüm. Heute und morgen gastiert Rossellini damit im Landestheater St. Pölten. Das schönste Kompliment, das sie bisher auf ihrer Tournee erhielt: "Sie hätte ich gerne als Lehrerin gehabt!"

STANDARD: Sie haben Verhaltensforschung studiert und betreiben mit großer Hingabe eine Tierfarm auf Long Island. Was kann man als Schauspielerin von Tieren lernen, wenn man in eine Rolle schlüpft?

Rossellini: Ich erwarte von Tieren nicht, dass sie mir beibringen, wie ich mich verhalten soll. Mein Interesse an Tieren gleicht dem eines Biologen an Zellstrukturen. Ich bin als Tierfreundin aufgewachsen. Verhaltensforschung war lange Zeit kein Studienfach, im Gegensatz etwa zur Biologie. Sie wurde in Österreich von Konrad Lorenz erfunden, aber lange nicht anerkannt.

STANDARD: Wie fanden Sie zu ihr?

Rossellini: Ich hatte stets zwei Interessen, das eine war die Schauspielkunst, also menschliches Verhalten. Das andere war tierische Verhaltensforschung. Als ich die Universität besuchte, las ich Darwins Buch Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei den Menschen und den Tieren. Darwins Überlegung ist so simpel wie einleuchtend. Es gibt Formen menschlichen Ausdrucks, die auf der ganzen Welt verstanden werden: wenn Sie lächeln, weinen, zittern vor Angst. Anderes versteht sich nicht im Geringsten von selbst.

STANDARD: Woran denken Sie?

Rossellini: In Italien unterstreichen Sie alles, was Sie sagen, mit Gebärden. Es ist die jeweilige Kultur, die deren Bedeutung ausmacht. Darwin ermöglicht es mir, auf der Bühne über Schauspiel zu sprechen. Ich bin eine Schauspielerin, ich kann also Auskunft darüber geben, welche Technik man anwenden muss, um bestimmte Emotionen auszudrücken. Ein weiterer Gesichtspunkt: Charles Darwin experimentierte mit Fotografie. Die alten Kameras erforderten eine ungeheure Belichtungsdauer. Darwin erkannte, dass Fotografie ein unentbehrliches Hilfsmittel der Wissenschaft ist.

STANDARD: Sie wurden unendlich oft fotografiert.

Rossellini: Ich habe mein ganzes Leben lang als Model gearbeitet, mein Großvater war Fotograf, meine Eltern waren beide Filmkünstler. Die Anordnung des Darwin-Stoffes verschafft mir die Möglichkeit, alle Themenfelder abzuschreiten, das Modeln, das Darstellen – immer mit Blick auf unsere tierischen Gefährten. Ich hoffe, das Ganze ist himmelschreiend komisch.

STANDARD: Im Filmgeschäft und in der Modewelt haben Sie es häufig mit einer Menge egozentrischer Persönlichkeiten zu tun bekommen. Sind Sie Gockeln begegnet – oder eitlen Pfauen?

Rossellini: Meine Tierliebe ist natürlich und bedarf keiner "menschlichen" Unterfütterung. Ich wusste von Anfang an, dass meine Haustiere Gefühle haben, dass sie in der Lage sind, zu denken. "Tiere folgen lediglich ihren Instinkten", das stimmt nicht. Verhaltensforschung unterstreicht die Intuitionen, die ich bereits als kleines Mädchen hatte. Tiere denken und sind imstande zu planen. Sie besitzen Erinnerungen.

STANDARD: Nicht nur in der Filmkunst scheint der Geniekult zu verblassen. Entsteht mehr Platz für kooperative Formen der Zusammenarbeit?

Rossellini: Ich habe mit einer Menge talentierter Künstler gearbeitet, manche galten als Genies in ihrem jeweiligen Betätigungsfeld. Mir wäre keine Entwicklung aufgefallen, die dazu führt, dass man ihnen den schuldigen Respekt versagt. Was mir hingegen auffällt, ist die wachsende Zahl von Regisseurinnen. Immer mehr Geschichten im Kino werden aus weiblicher Perspektive erzählt, das wundervollste Beispiel war für mich Barbie. Der Film ist durch und durch feministisch und besitzt Humor: brillant. Regisseurin Greta Gerwig hat das Buch gemeinsam mit ihrem Ehemann geschrieben, doch es verleugnet nie den weiblichen Blickwinkel.

STANDARD: Hat die MeToo-Bewegung ein Umdenken bewirkt?

Rossellini: Die Entwicklung greift überall um sich. Auch eine Kosmetikfirma wie Lancôme besitzt heute eine Frau als CEO. Die ganze Verkaufsstrategie hat sich verändert und läuft nicht mehr über die Kunst der Verführung von Frauen. Das Einzige, was Frauen zur Schau stellen sollten, ist ihre Kreativität. Weibliche Personality kann ungemein attraktiv sein, auch ohne klassischen Schönheitsidealen zu entsprechen. Es geht um die Erweiterung eines solchen Schönheitsbegriffs. Frauen sollen ihre Arbeitskraft entfalten, um sich selbst auszudrücken.

STANDARD: Ein Film wie "Blue Velvet" von David Lynch mit Ihnen in der weiblichen Hauptrolle hat für viele Boomer kathartisch gewirkt. Die Welt ist unheimlich, hinter der Fassade lauert der Schrecken. Wie waren Ihre Eindrücke? War Ihnen die Neuartigkeit dieser Art von Ästhetik bewusst?

Rossellini: Ich hatte das Skript nicht im Blick – ganz im Gegensatz zu Darwin's Smile jetzt, das zur Gänze meinem Kopf entsprungen ist. Der Film zeigte zum ersten Mal explizit, wie eine Frau geschlagen und misshandelt wird. Die Ambivalenz liegt in der Schönheit der Figur: Sie ist eine begehrenswerte Nachtklubsängerin, und doch wird sie in die Opferrolle gedrängt. Das sorgt beim Betrachter für völlige Konfusion. Ich mochte die Rolle der Dorothy Vallens für diese Undurchsichtigkeit. (Ronald Pohl, 2.2.2024)

Isabella Rossellini (geb. 1952) ist die Tochter von Roberto Rossellini und Ingrid Bergman. Sie spielte in Filmen von David Lnych, Robert Zemeckis, Peter Weir u. v. m. Als vielgefragtes Model besitzt sie eine eigene Kosmetikserie. Termine in St. Pölten am 2. u. 3. 2. Link landestheater.net