Gustav Klimts
Gustav Klimts "Wasserschlangen II" (1907) waren ursprünglich im Besitz der Fabrikantin, Mäzenin und Kunstsammlerin Jenny Steiner und gelangte in der NS-Zeit in den Besitz des NS-Propagandaregisseurs Gustav Ucicky. Dessen Witwe einigte sich 2013 mit den Erben nach Steiner – das Bild wurde anschließend über einen von Sotheby’s vermittelten Private Sale für rund 120 Millionen Dollar verkauft.
Sotheby’s

Man müsse nur warten, "dann laufen einem die Klimts ganz bequem zu", witzelte Ernst Ploil, einer der beiden "im Kinsky"-Geschäftsführer, der als Rechtsanwalt den wohl größten Fisch in der Geschichte des 30 Jahre jungen Auktionshauses an Land zog: das verschollen geglaubte Bildnis Fräulein Lieser (1917) von Gustav Klimt, das, wie berichtet, im Rahmen eines privaten Restitutionsvergleichs im April in Wien versteigert wird und zumindest 30 bis 50 Millionen Euro einspielen soll. Oder auch mehr.

Ein wesentlicher Faktor für das mögliche Auktionsergebnis ist die (bereits vorliegende) Ausfuhrgenehmigung des Bundesdenkmalamtes (BDA), da sich internationale Interessenten sonst gar nicht an der Versteigerung beteiligen würden. Ein Umstand, der manche Medien dazu verleitete, über die Motivation für den Restitutionsvergleich zu spekulieren, eben zum Zwecke des behördlichen Segens. Andernfalls hätte das BDA "ein Hauptwerk Klimts (...) nicht außer Landes gehen lassen", womit "man es nur auf dem österreichischen Markt verkaufen" könnte, "was eine viel geringere Summe ergeben würde", schlussfolgerte etwa Die Presse. Ein Denkfehler insofern, als ein solches Bild mit ungeklärter Provenienz und ohne Einigung mit Erben womöglich Anspruchsberechtigter selbst in Österreich nicht verkäuflich wäre. Stichwort Rechtssicherheit für potenzielle Käufer oder auch künftige Leihnehmer wie Museen.

Das unvollendet gebliebene "Bildnis Fräulein Lieser" (1917) soll, dem Schätzwert des Auktionshauses "im Kinsky" zufolge, zumindest 30 bis 50 Millionen Euro einspielen. Experten wie Tobias Natter halten (laut „Kronen Zeitung“) auch einen Erlös von 100 Millionen Euro für möglich.
Kinsky/ÖNB Bildarchiv

Ergebnisoffene Recherche

Hinzu kommt, dass "im Kinsky" ergebnisoffen forschte, auch, aber nicht nur unter Einbindung der Nachfahren, die als einstige Auftraggeber des Bildnisses infrage kamen: die Familien Adolf Liesers und seiner 1943 in Auschwitz ermordeten Schwägerin Henriette "Lilly" Lieser. Hätten die Recherchen ergeben, dass ein Mitglied der Familie das Bild irgendwann aus freien Stücken verschenkte oder verkaufte, wäre der Verdacht eines etwaigen nichtigen Rechtsgeschäftes während der NS-Zeit ausgeräumt und damit ein Vergleich vom Tisch gewesen.

Stattdessen sollen sich "im Kinsky" zufolge bisher keine Hinweise gefunden haben. Was blieb, ist die zeitliche Lücke von 1925 – als sich das Bild im Besitz von Henriette Lieser befand – bis zu den 1960er-Jahren, als es über den Kunsthandel in österreichischem Privatbesitz landete, aus dem es jüngst vererbt wurde.

Obwohl der gegenwärtige Eigentümer rechtlich dazu nicht verpflichtet ist, entschied er sich zu einem Vergleich: Dieser sieht eine aliquote Aufteilung des Verkaufserlöses vor, abzüglich einer Provision des Auktionshauses, das die Versicherungs- und Transportkosten für die nun vorgesehene Präsentationstournee in Niederlassungen der Liechtenstein’schen Privatbank im Ausland übernimmt.

Kunstrückgabegesetz

Zurück zur Ausfuhrgenehmigung, die sich am Kunstrückgabegesetz orientiert, in dem festgelegt wurde, dass diesbezügliche Denkmalschutzbestimmungen auf restituierte Kunstwerke und Objekte nicht anwendbar sind. Im Antragsfall wurden bereits in der Vergangenheit private Restitutionen solchen aus öffentlichem Besitz gleichgestellt. 2013 etwa im Falle des Vergleichs zwischen Ursula Ucicky und den Erben nach Jenny Steiner, der einen über Sotheby’s vermittelten Private Sale von Gustav Klimts Wasserschlangen II zur Folge hatte. Größenordnung rund 120 Millionen Dollar (inkl. Provision des Auktionshauses).

Aus ihrem Hälfteanteil gründete die Witwe des NS-Propagandaregisseurs Gustav Ucicky die Klimt-Foundation, die sich 2015 mit den Erben nach Loew-Felsovanyi verglich: Klimts Porträt Gertrude Loews (1902), Tochter des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew, gelangte via Sotheby’s London für knapp 35 Millionen Euro in die Sammlung des britischen Milliardärs Joe Lewis.

Bildnis Gertrude Loew
Ebenfalls in der Sammlung Ucicky befand sich bis 2015 das Bildnis Gertrude Loew (1902). Im Zuge eines Restitutionsvergleichs mit der von Ursula Ucicky 2013 gegründeten Klimt-Foundation und den Erben nach Loew-Felsovany wurde das Porträt bei Sotheby’s in London versteigert.
Sothebys

Haselnussbraune Augen

Bis zu ihrem Verkauf waren beide Werke jahrzehntelang nicht öffentlich zu sehen gewesen, wurden jedoch seither von ihren jeweiligen neuen Eigentümern als Leihgaben für Ausstellungen zur Verfügung gestellt. Eine Perspektive, die auch das Bildnis Fräulein Lieser bekommt. Bis dahin könnte sich vielleicht sogar die Identität der Dargestellten klären: vielleicht nicht Margarethe (Jg. 1899), Tochter Adolf Liesers, sondern Helene (Jg. 1898), Tochter der als Mäzenin und Sammlerin bekannten Lilly Lieser.

Deren jüngere Tochter Annie (Jg. 1901), eine von Grete Wiesenthal ausgebildete Tänzerin, scheidet STANDARD-Informationen zufolge aus: Wie aus ihrem US-Einwanderungsantrag von März 1940 hervorgeht, hatte Annie graue Augen – jene des Fräulein Lieser sind jedoch haselnussbraun. (Olga Kronsteiner, 4.2.2024)