US-Kongressgebäude.
Sonnenaufgang in Washington.
EPA/SHAWN THEW

In den USA ist ein parteiübergreifend ausgehandeltes Gesetzespaket zur Migrationspolitik und zu Hilfen für Israel und die Ukraine nach Druck von Ex-Präsident Donald Trump, zumindest in Teilen, gescheitert. Das Maßnahmenbündel mit einem Volumen von 118 Milliarden Dollar (knapp 110 Milliarden Euro) erreichte am Mittwochabend (Ortszeit) nicht die erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen im Senat. Die Demokraten von Präsident Joe Biden haben in der 100 Senatoren zählenden Kammer eine hauchdünne Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen. Das Voting ging 49 zu 50 aus: 45 Demokraten und vier Republikaner – die sich nicht von dem um ein Comeback bemühten Ex-Präsidenten unter Druck setzen ließen – stimmten doch dafür.

Kleine Hoffnung lebt

In der Nacht zum Donnerstag machte sich allerdings Hoffnung breit, dass das Paket nicht in seiner Gesamtheit neu ausverhandelt werden muss: Für die internationalen Hilfen – Ukraine und Israel – gebe es noch eine Chance auf eine Mehrheit, berichtete etwa die Nachrichtenagentur Reuters. Vielleicht ließe sich das Paket also "entkoppeln".

Monatelang hatten die oppositionellen Republikaner darauf bestanden, dass zusätzliche Hilfen für die beiden Verbündeten der USA an Maßnahmen zur Eindämmung der großen Zahl an über die mexikanische Grenze in die USA kommenden Migranten gekoppelt werden. Die illegale Einwanderung ist ein zentrales Thema im US-Wahlkampf. Trump hat seine Parteifreunde jedoch aufgefordert, keinen Kompromiss in dieser Frage einzugehen. Viele Republikaner lehnten das Gesetzespaket dann auch ab, als es vergangenen Sonntag veröffentlicht wurde, obwohl es viele ihrer Forderungen enthielt.

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DER STANDARD

Nach der Abstimmung berichteten US-Medien von einigen Abgeordneten, die berichtet hätten, dass Trump die Order ausgegeben habe, das Paket scheitern zu lassen: Er habe "kein Interesse" daran, dass das Migrationspaket vor den Wahlen im kommenden November verabschiedet werde – denn so könnten es Amtsinhaber Joe Biden und die Demokraten als eigenen Erfolg verkaufen.

Weitere Abstimmung möglich

Allerdings wollen offenbar etliche Republikaner Trump nicht die Kontrolle über das gesamte Paket überlassen: Sie setzen ihre Hoffnung darauf, in einer weiteren Abstimmung die Hilfen für Israel und die Ukraine zu genehmigen. Es geht um ein 96-Milliarden-Dollar-Paket, aus dem die Reformen der Migrationspolitik gestrichen werden, die Auslandshilfen aber bestehen bleiben.

Laut "New York Times" sagte der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, nach der Abstimmung, er werde einen "anderen Weg" einschlagen und eine Abstimmung über ausländische Militärhilfe ohne die umstritteneren Maßnahmen zur Einwanderung vorantreiben. Dafür brauche er aber Zeit: Die Debatte wurde bis Donnerstagmittag (Ortszeit) vertagt.

Doch selbst mit grünem Licht des Senats bleibt ein großes Fragezeichen in Bezug auf die tatsächliche Freigabe der Mittel für Israel und die Ukraine: Das Paket muss nämlich auch durch die zweite Kammer des US-Kongresses, das Repräsentantenhaus. Dort verfügen die Republikaner im Gegensatz zum Senat über eine satte Mehrheit.

Mit dem Rücken zur Wand

Verständlicherweise werden die Washingtoner Entwicklungen besonders in Kiew mit Sorge und Nervosität beobachtet. Die USA gelten bei weitem als größter und wichtigster Alliierter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Die Unterstützung der USA mit Rüstungsgütern und Finanzmitteln war bisher entscheidend dafür, dass die ukrainische Armee dermaßen großen Widerstand leisten konnte. Allein die USA haben bisher laut "New York Times" etwa die Hälfte aller ausländischen Militärhilfe bereitgestellt: rund 47 Milliarden Dollar.

Sollte die Geldquelle aus den USA versiegen, wäre die ukrainische Armee allerdings nicht sofort handlungsunfähig. "Die Ukraine könnte sich ohne weitere amerikanische Militärhilfe noch einen Teil dieses Jahres halten", sagte Michael Kofman, Russland-Experte bei der Carnegie Endowment for International Peace in Washington, in einem Telefoninterview mit der "New York Times". Aber mit der Zeit gebe es keine Aussicht auf einen Wiederaufbau des Militärs, und sie würden langsam verlieren. Das Ausbleiben weiterer amerikanischer Hilfe würde "auf eine düstere, negative Entwicklung in der zweiten Hälfte dieses Jahres hindeuten", sagte er.

Sollte die Finanzierung von US-Militärhilfen für die Ukraine noch länger auf sich warten lassen oder ganz eingestellt werden, bliebe die Ukraine also allein auf die Unterstützung europäischer Staaten angewiesen. Diese verfügen aber bekanntlich nicht über Waffen- und Munitionsarsenale in der Größenordnung der USA. Längerfristig würde sich der militärische Vorteil also Richtung Russland verschieben – und das ist auch Donald Trump bekannt. Der aber hat nur eine Priorität: seine Wiederwahl, egal was es kostet.

Darf Trump in Colorado auf den Stimmzettel?

Für Trump persönlich wird es am Donnerstag spannend. Das US-Höchstgericht verhandelt über die Teilnahme Donald Trumps an den Vorwahlen für die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Bei der Anhörung ab 16 Uhr MEZ greifen die Richter einen Antrag des Ex-Präsidenten und aktuellen Präsidentschaftsbewerbers auf. Er wandte sich an das Gericht, um einen Beschluss aus dem Staat Colorado zu kippen, wonach er sich aufgrund seiner Rolle bei der Attacke auf das US-Kapitol 2021 für die Vorwahl disqualifiziert habe. An diesem Donnerstag hören die neun Richterinnen und Richter in Washington die Argumente beider Seiten – eine Entscheidung wird es aber erst später geben. (red, Reuters, 8.2.2024)