Wien – Für "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf war es das schwierigste Interview, das er führen musste, und APA-Chef Clemens Pig zeigte sich von der "Angriffigkeit" und "Emotionalität" überrascht: Beiden Österreichern ist gemein, dass sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin vor dem Mikrofon hatten.

Angespannt: Armin Wolf interviewte im Juni 2018 Wladimir Putin.
Armin Wolf interviewte im Juni 2018 Wladimir Putin.
Mikhail Klimentyev / Tass / pict

Wolf interviewte Putin in Moskau im Juni 2018, Pig im Juni 2021 am Rande des Sankt Petersburger Wirtschaftsforums. Die zwei Interviews waren jeweils Heimspiele für Putin, was die Sache für den Interviewer nicht unbedingt einfacher machte. Ganz im Gegenteil.

Heute würde er Putin nicht mehr interviewen, sagt Clemens Pig dem STANDARD. Damals habe er das in seiner Funktion als Chef der Nachrichtenagentur APA und Vorsitzender der europäischen Nachrichtenagenturen gemacht und nicht als Journalist. Mittlerweile hätten sich die Ausgangspositionen geändert.

Carlson kein Journalist

Es sei nicht zielführend, einem Kriegstreiber und Diktator einen journalistischen Rahmen zu geben, wo dieser seine Botschaften platzieren könne. Dass der rechte US-Moderator und Kommentator Tucker Carlson der richtige Mann für so ein Interview sei, dürfe bezweifelt werden. Das sieht auch ORF-Journalist Armin Wolf so. Carlson sei kein Journalist, sondern ein politischer Aktivist.

Armin Wolf bei Wladimir Putin
bigpicture-interviews

Das Interview mit Putin sei auch deshalb so schwierig gewesen, weil dieser die Spielregeln diktiert hatte. Putin bat Wolf in den Präsidentenpalast in Moskau, wo er Herr im Hause ist. Erschwerend sei das Simultandolmetschen hinzugekommen, was spontanes Reagieren und Nachfragen verkompliziere, wie Wolf dem Portal "Politico" erzählte. Wolf unterbrach Putin in den 52 Minuten des Gesprächs elfmal, insistierend auf eine Antwort. Das kam einer Majestätsbeleidigung gleich.

Ausweichen und auf Angriff gehen

Und drittens ist Putin mit allen Wassern gewaschen. Er beherrsche die Klaviatur sämtlicher Antworttechniken, die es einem Moderator schwermachten, nach Inhalten zu schürfen. Von langen, detailreichen Schilderungen über eigene Themensetzungen bis zum sogenannten Whataboutism – einem rhetorischen Kniff, um von Inhalten mit Gegenfragen abzulenken – reiche das Repertoire.

Das bestätigt auch APA-Manager Clemens Pig. Er hat in seinem Buch "Democracy Dies in Darkness" kürzlich das Interview mit Putin seziert. Auf seine Einstiegsfrage nach der im belarussischen Minsk erzwungenen Landung des Flugzeugs des Bloggers Roman Protassewitsch sei Putin unwirsch geworden und habe gesagt, dass er eigentlich ein freundlicher Gastgeber sein wolle. Putin habe den Spieß umgedreht und etwa gefragt, warum 2013 der Flieger von Boliviens Präsidenten Evo Morales in Wien gestoppt wurde, nachdem NSA-Whistleblower Edward Snowden an Bord vermutet wurde.

In der rauen Tonart sei das Gespräch weitergegangen. Putin habe nicht mit Kritik am Westen gespart und von "Doppelmoral" gesprochen. "In seinen Antworten waren abstruse Dinge, er hat sich gegen die Fragen gewehrt und ist laut geworden." Von einem Mann wie Putin hätte er sich mehr emotionale Gelassenheit und Coolness erwartet, so Pig. (Oliver Mark, 8.2.2024)

Link

Armin Wolf auf seinem Blog: Rendezvous mit Wladimir Putin

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