Eden Golan soll Israel beim ESC vertreten, doch es gibt Boykottaufrufe.
Eden Golan soll Israel beim ESC vertreten, doch es gibt Boykottaufrufe.
Eurovision/Shai Franco

Im Normalfall verströmen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Eurovision Song Contest (ESC) pflichtschuldig Zweckoptimismus. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, den jährlich stattfindenden Singsang-Wettbewerb zu gewinnen, gilt es wenigstens, am olympischen Gedanken festzuhalten: Dabei sein ist alles.

Doch Eden Golan kann sich nicht einmal dessen sicher sein. Sie soll Israel heuer beim ESC vertreten. Die 20-Jährige gewann im Finale der israelischen Fernsehshow Der nächste Star mit dem Lied I Don't Want to Miss a Thing von Aerosmith, das sie den Geiseln der Hamas gewidmet hatte. "Wir werden erst wieder okay sein, wenn alle wieder zu Hause sind", sagte sie.

Mit welchem Lied die Sängerin im Mai beim ESC antreten wird, soll in den nächsten Wochen bekanntgegeben werden. Israels Teilnahme am Song Contest ist schon jetzt umstritten und angesichts des ausufernden Krieges gegen die Terrororganisation Hamas von heftigem Gegenwind begleitet.

10.000 Protestunterschriften

Bereits im Dezember forderten 10.000 Menschen in Island per Unterschrift Israels Ausschluss vom Bewerb, der heuer im schwedischen Malmö veranstaltet wird. In Norwegen, Dänemark und Finnland gab es offene Briefe, die zum Boykott Israels aufriefen, im Gastgeberland ebenso. Argumentiert wird damit, dass Belarus 2021 wegen der Unterdrückung der Medienfreiheit ausgeladen worden war, Russland wiederum, nachdem es die Ukraine überfallen hatte.

Die Verantwortlichen des ESC verweisen derweil noch auf die vermeintlich unpolitische Ausrichtung des Bewerbs. Die Last auf Eden Golans Schultern wird dadurch nicht geringer.

Golan wurde 2003 in Kfar Saba geboren. Als sie sechs Jahre alt war, zog sie mit ihrer Familie nach Moskau, weil ihr Vater dort gearbeitet hat. Für Russland trat sie 2015 beim Junior Eurovision Song Contest an. Nach der Heimkehr nach Israel nahm sie an mehreren Talenteshows teil, den Bewerb Der nächste Star hat sie ungeschlagen gewonnen.

Politische Geschehnisse beeinflussen das Abstimmungsverhalten beim Song Contest seit eh und je – zuletzt 2022, als im Jahr der Invasion Russlands die Ukraine zum Sieger gewählt wurde. Ob das Publikum einen möglicherweise im Mai immer noch tobenden Gazakrieg bei der Bewertung Eden Golans einfach ausblenden wird, muss deshalb bezweifelt werden. (Karl Fluch, 8.2.2024)