Beide gehen nebeneinander die Treppe hinauf.
Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas ist auf Staatsbesuch in Wien.
APA/BKA/ANDY WENZEL

Wien – Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) haben der Ukraine weitere Unterstützung gegenüber Russland zugesagt. Kallas rief die Europäer überdies bei einem Besuch am Donnerstagabend in Wien zu mehr Investitionen in ihre Verteidigung auf. "Um abzuschrecken und einen Krieg in Europa zu verhindern, müssen wir glaubhaft und stark sein", sagte sie. Die Bedrohung sei real. Kallas war am Abend Nehammers Gast beim Opernball.

Nehammer betonte bei einem Pressegespräch mit der estnischen Regierungschefin, Österreich verurteile klar den russischen Angriffskrieg und sei voll solidarisch mit der Ukraine. Österreich setze die Neutralität konstruktiv ein, sodass Krieg und Landnahme nie mehr politische Mittel sein sollen. Als neutrales Land sei Österreich klar in der Minderheit in EU, setze sich aber dennoch voll solidarisch bei Sanktionen gegen Russland und bei der Unterstützung der Ukraine ein. Österreich sei auf humanitäre Hilfe fokussiert, nehme etwa Kriegsversehrte auf ermögliche auch militärische Hilfe im Rahmen der EU. "Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen", so Nehammer.

Estland glaube an einen Sieg der Ukraine, sagte Kallas. Um diesen zu ermöglichen, müsse die Ukraine "so lange es dauert und mit so viel wie benötigt unterstützt werden". Die sogenannte Ramstein-Koalition der Ukraine-Unterstützerländer sei um ein Vielfaches stärker als Russland. Wenn die Ukraine-Unterstützer Kiew mit 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung unterstützten, "könnte dies der kritische Punkt sein". Russland müsse außerdem weiter von internationalen Organisationen isoliert werden, forderte Kallas. Außerdem sei es an der Zeit, eingefrorene russische Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden.

Russland und Ukraine melden Austausch von Kriegsgefangenen

Das russische Verteidigungsministerium hat indes den Austausch von 100 weiteren Kriegsgefangenen mit der Ukraine gemeldet. Die russischen Soldaten seien nach Verhandlungen aus dem "vom Kiewer Regime kontrollierten Gebiet" zurückgekehrt, erklärte das Ministerium am Donnerstag. Im Gegenzug seien 100 ukrainische Gefangene freigelassen worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte den Austausch auf der Plattform Telegram.

Die meisten der nun freigelassenen 100 Ukrainer seien Verteidiger von Mariupol gewesen, schrieb Selenskyj weiter. Die Hafenstadt am Asowschen Meer war im Mai 2022 nach monatelanger Belagerung von russischen Truppen eingenommen worden. Russland erklärte, die russische Soldaten würden zunächst in Militärkrankenhäuser gebracht. In der vergangenen Woche hatten beide Seiten bereits rund 200 Kriegsgefangene ausgetauscht. Moskau und Kiew haben beide gelobt, weiter Gefangene auszutauschen.

Human Rights Watch: mehr als 8.000 Tote während Mariupol-Belagerung

Bei der monatelangen Belagerung von Mariupol durch russische Truppen sind nach Angaben von Human Rights Watch mindestens 8.000 Menschen durch Kämpfe oder kriegsbedingte Ursachen getötet worden. Die US-Menschenrechtsorganisation teilt mit, dass die Gesamtzahl der Toten deutlich höher sein könnte als die genannte Zahl, da einige Gräber mehrere Leichen enthielten und einige Stellen möglicherweise nicht identifiziert worden seien.

Die Schätzung von Human Rights Watch stützt sich die sich auf Satelliten- und andere Bilder von Grabstätten. Die Einnahme der Stadt war eine der größten Schlachten des fast zweijährigen Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Die Ukraine gibt an, dass Zehntausende getötet wurden, kann aber keine genaue Zahl nennen, da sie keinen Zugang zu der Stadt hat, die jetzt unter russischer Kontrolle steht. (APA, red, 8.2.2024)