Putin
Nicht ausgeschlossen hat Putin in dem Interview die Freilassung des in Russland wegen Spionage angeklagten Reporters des "Wall Street Journal", Evan Gershkovich, im Austausch gegen einen in Deutschland inhaftierten Russen.
AFP/POOL/GAVRIIL GRIGOROV

Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin hat einen russischen Angriff auf Polen oder Lettland als "absolut ausgeschlossen" bezeichnet – und eine Niederlage im Krieg gegen die Ukraine als "unmöglich". "Wir haben kein Interesse an Polen, Lettland oder irgendwo sonst", sagte Putin in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem rechten US-Moderator Tucker Carlson.

Der frühere Fox-News-Moderator Carlson hatte den russischen Präsidenten zuvor gefragt, ob es ein Szenario geben könnte, in dem "Sie russische Soldaten nach Polen schicken". Putin antwortet: "Nur in einem Fall: Wenn Polen Russland angreift. Und warum? Weil wir kein Interesse an Polen, Lettland oder anderen haben. Warum sollten wir das tun? Wir haben einfach kein Interesse."

Video: Putin: Niederlage Russlands ist "per Definition" unmöglich.
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Ukraine als "künstlicher Staat"

Gerade gegenüber Polen, aber auch gegenüber der Ukraine griff Putin aber gleichwohl tief in die historische Mottenkiste. Polen, erklärte er, habe vor dem Zweiten Weltkrieg "mit Hitler kooperiert", Lenin habe der Ukraine Gebiete zugeschlagen, "die niemals ukrainisch waren", etwa die Schwarzmeerküste. Die Ukraine, so Putin, sei jedenfalls ein künstlicher Staat, der von Lenins Nachfolger Stalin geschaffen wurde. Während eines "Road Trips" als junger Mann sei er in den Achtzigerjahren durch Dörfer in der damaligen Sowjetrepublik Ukraine gefahren, die neben russischen Ortsschildern auch ungarische aufwiesen – keine ukrainischen. Carlson, der Putin meist ohne Punkt und Beistrich sprechen ließ, erwiderte bloß, warum Putin die Ukraine erst 2022 angreifen ließ und nicht schon in den 22 Jahren seiner Herrschaft zuvor.

Mit Blick auf den aktuellen Ukrainekrieg sagte der russische Präsident, es werde darüber gesprochen, seinem Land "auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage zuzufügen". "Meiner Meinung nach ist das per Definition unmöglich", sagte der Präsident. "Es wird niemals passieren."

Putin hält Freilassung von "WSJ"-Journalist für möglich

Nicht ausgeschlossen hat Putin in dem Interview die Freilassung des in Russland wegen Spionage angeklagten Reporters des "Wall Street Journal", Evan Gershkovich, im Austausch gegen einen in Deutschland inhaftierten Russen. "Wir sind bereit, das Problem zu lösen, aber es gibt bestimmte Bedingungen, die zwischen den Geheimdiensten diskutiert werden. Ich glaube, dass eine Einigung erzielt werden kann", sagte er.

Flankiert von weiteren langatmigen historischen Darstellungen über Russland und Region, schlug der russische Präsident einen Deal vor: Indirekt – ohne den Namen zu nennen – sagte er, dass Moskau im Gegenzug von Deutschland die Freilassung von Wadim Krasikow verlange, der 2021 wegen Mordes an einem Georgier im Kleinen Tiergarten zu lebenslanger Haft in Berlin verurteilt worden war. Das Gericht sah es damals als erwiesen, dass die russische Regierung hinter der Tat steckte. Putin umschrieb Krasikow jetzt als Person, die "aus patriotischen Gefühlen heraus einen Banditen in einer der europäischen Hauptstädte beseitigt hat".

Ehemaliges Gesicht von Fox News

Carlson hatte Putin am Dienstag in Moskau als erster westlicher Journalist seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren interviewt. Das zweistündige Gespräch wurde am Donnerstag (Ortszeit) auf der Website des Moderators veröffentlicht. Der Kreml erklärte, Putin habe dem Carlson-Interview zugestimmt, weil sich der Ansatz des ehemaligen Fox-News-Moderators von der einseitigen Berichterstattung vieler westlicher Nachrichtensender über den Ukraine-Konflikt unterscheide.

Carlson ist bekannt für scharf rechte Positionen, die Verbreitung von Verschwörungstheorien, eine inhaltliche Nähe zum früheren US-Präsidenten Donald Trump – und mit Blick auf den Ukrainekrieg für eine sehr russlandfreundliche und Kiew-kritische Haltung. So hat er wiederholt die US-Hilfe für die Ukraine kritisiert.

Carlson Putin
Carlson hatte Putin am Dienstag in Moskau als erster westlicher Journalist seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren interviewt.
AP/Gavriil Grigorov

Der Moderator war jahrelang eines der bekanntesten Gesichter von Fox News und sicherte sich eine große Gefolgschaft bei rechten Fernsehzuschauern. Er wurde im vergangenen April entlassen, nachdem Fox News im Streit um falsche Wahlbetrugsvorwürfe nach der Präsidentschaftswahl 2020 einen teuren Vergleich mit einem Wahlmaschinen-Unternehmen schließen musste. Carlson veröffentlicht seitdem Interviews auf der Onlineplattform X, früher Twitter, die millionenfach angeschaut werden. Unter seinen Interviewgästen war auch Trump. (red, APA, 9.2.2024)