Alex Capus
"Ich hatte immer eine Baustelle": Alex Capus bei der Arbeit an seinem kleinen Haus am Sonnenhang in den 1990er-Jahren.
Alex Capus

Es gibt kein Internet und kaum Mobiltelefone. An Tankstellen wird man vom Tankwart bedient, in Lokalen wabern die Rauchschwaden. Zu dieser Zeit, es sind die 1990er-Jahre, kauft sich ein junger Mann, "nicht mehr Student und noch nicht Schriftsteller", für wenig Geld ein Haus im italienischen Piemont. An dem idyllischen Ort, den Alex Capus zu Beginn seines neuen Buchs Das kleine Haus am Sonnenhang beschreibt, hat der Schweizer Erfolgsautor nicht nur Sommer mit Freunden und seiner zukünftigen Ehefrau verbracht, sondern in kühleren Jahreszeiten auch seinen ersten, 1997 erschienenen Roman Munzinger Pascha fertiggestellt. Jetzt, Jahrzehnte später, bietet das Haus als Schreibwerkstatt und Ort des Glücks Anknüpfungspunkte für leichtfüßige Reflexionen über Leben und Literatur.

Wechselnde Baustellen

"Es war eine schöne Zeit", schreibt Capus über die Tage in Italien. Selbst dann, wenn dem Autor nichts zum Niederschreiben einfiel: "Dann legte ich den Deckel auf die Schreibmaschine und ging zu meiner Baustelle. Ich hatte immer eine Baustelle." Die Schreibarbeit und Renovierungsarbeiten lösten einander ab. Die Angst vor der weißen Seite kennt Capus nicht. Wenn er nicht vorankomme, stecke keine Metaphysik dahinter: "Ich habe dann einfach noch nicht genug nachgedacht und gebrütet." Dass die Schreibmaschine, eine lindgrüne Hermes Baby, schließlich von einem Laptop abgelöst wurde, hat das Feilen am Text, "das Spiel, das ich am liebsten spiele auf der Welt", erleichtert: "Zufrieden bin ich erst, wenn alles richtig fließt und klingt und für mein Empfinden die klarste, einfachstmögliche Form gefunden hat."

Als einfaches Glück beschreibt Capus die stillen Abende in der Bar Da Pierluigi im Nachbarstädtchen, in der sich eigentlich nie etwas ereignete: "Wir tranken, rauchten und redeten." Er könne nicht sagen, dass es sich um eine Lieblingsbar handelte, es war einfach die Bar, in die er ging: "Ich bin der Meinung, dass man als Mensch nicht mehrere Bars braucht. Ich brauche nur eine, und da gehe ich dann hin."

Alex Capus, "Das kleine Haus am Sonnenhang". € 23,50 / 160 Seiten. Carl-Hanser-Verlag, 2024 Hinweis: Der Autor liest im April bei literaturundwein.at
Hanser

Capus kommt auf diese Selbstbescheidung, hinter der er eine "Mentalitätsfrage" vermutet und "nichts, worauf ich besonders stolz wäre", immer wieder zurück. Warum eine andere Pizza probieren, wenn man am liebsten eine Fiorentina isst? Warum zu einem weiteren Strand fahren, wenn man mit dem ersten zufrieden ist? Als Gegenstimme lässt der Schweizer Capus seine Ehefrau, die italienische Strafrechtprofessorin Nadja Capus, auftreten.

Alex Capus ist ein betörender Erzähler, der das Glück an einem eng umgrenzten Ort ebenso zu beschwören vermag wie die Wissbegier von in die Welt hinaus drängenden Abenteurern. Immer wieder hat er in seinen Büchern akribische Recherchen und Fiktion gekonnt miteinander verwoben, ihre Grenzen zum Verschwimmen gebracht.

Verallgemeinerbare Fallbeispiele

In Das kleine Haus am Sonnenhang weist Capus keines seiner früheren Werke mit dem Titel aus. Wer Bücher des Autors gelesen hat, wird die Anmerkungen dazu dennoch leicht zuordnen können. Notwendig ist das ohnehin nicht, weil die Werke vor allem als verallgemeinerbare Fallbeispiele zitiert werden.

So lässt uns Capus etwa wissen, warum er für seinen Roman Das Leben ist gut, einer nur zart verschleierten Autofiktion, manches verändert hat. Die Diskrepanzen erklärt er mit der Plausibilität, die beim Geschichtenerzählen das Wichtigste und nicht mit Wahrscheinlichkeit gleichzusetzen sei: "Das Reich der Literatur zieht seine Grenzen viel enger als das richtige Leben."

Alex Capus
Der Schweizer Erfolgsautor Alex Capus heute.
Foto: Mergime Nocaj

Kunst des Fährtenlesens

Die Affäre um einen aufgebrochenen Opferstock hinterlässt bei Capus sprichwörtliche Spuren im Schnee, denen er folgt, um die Kunst des literarischen Fährtenlesens zu demonstrieren – so wie er sich einst auf die Spuren seines Großvaters einen Reim gemacht, sich aber auch vieles vorgestellt hat, um im Roman Léon und Louise von einer lebenslangen, aber geheim gehaltenen Liebe zu erzählen.

So leicht sich Capus liest, serviert er doch auch recht nüchterne Einsichten, nicht nur was unsere Vergänglichkeit betrifft. Alles Fährtenlesen und Geschichtenerzählen sei letztlich eine "metaphysische Behauptung". Der große Trost der Literatur liegt für Capus in deren Kausalketten. Man muss nicht alle Einschätzungen teilen, etwa wenn es um andere Autoren geht, um dem Rundgang durch Schreibwerkstatt und Leben mit Gewinn zu folgen. Was die Gedanken zu einem Glück jenseits des Immer-mehr betrifft, dürfte sich ihr Resonanzraum gerade in jüngster Zeit sogar noch erweitert haben. (Karl Gedlicka, 10.2.2024)