"Kabelfernsehen zum Abgewöhnen": Zu diesem zugegeben harten, aber leider auch zutreffenden Fazit kam vor rund einem Jahr der STANDARD-Test der umstrittenen Android-TV-Box von Magenta. Es folgte ein Versprechen, oder eigentlich mehrere: Magenta kündigte an, dass sowohl bei der Software als auch der vielkritisierten Fernbedienung nachgebessert werden soll.

Was wurde eigentlich aus ...

Doch was ist daraus eigentlich geworden? Um dieser Frage nachzugehen, hat DER STANDARD nicht nur bei Magenta nachgebohrt, sondern sich auch gleich selbstlos in den Nahkampf gewagt, um herauszufinden, wie denn der Alltag mit dem TV-Streamingdienst heutzutage so ist. Und ohne spoilern zu wollen: Es wird "interessant".

Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! auf Magenta TV
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Aber der Reihe nach: Tatsächlich gab es seit dem Vorjahr das eine oder andere Update: Die Magenta TV Box wurde auf Android 12 gehoben, was neben einer verbesserten Energiesparfunktion vor allem eine gesteigerte Performance bringen soll. Tatsächlich fühlt sich die Box mittlerweile flotter an als noch im Vorjahr. Als "gut" lässt sich das aktuelle Performanceniveau aber noch immer nicht bezeichnen. Hänger gibt es nämlich noch immer am laufenden Band.

Was die Fernbedienung anbelangt, so heißt es weiter: Bitte warten! Diese befinde sich derzeit in der Entwicklungsphase, formuliert es Magenta auf Nachfrage. Ein Launchdatum könne man derzeit noch nicht nennen, zumindest ist aber fix, dass sie eine Taste zum Stummschalten des Tons haben wird. Für Nicht-Magenta-TV-Box-User, die sich nun wundern mögen: Nein, das ist kein Scherz, bei der aktuellen Fernbedienung wurde eine solche Taste nämlich schlicht vergessen. In den kommenden Monaten sollen dann noch weitere Updates folgen, versichert Magenta – sowohl bei den Boxen als auch bei den Apps und beim Content. "Vage" ist wohl das richtige Attribut für dieses Versprechen.

Ein Selbstversuch

Damit wäre also der Zeitpunkt gekommen, den Status quo einmal etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Dazu hat sich der Autor dieser Zeilen heldenhaft (Selbstbeschreibung, Anm.) in die Untiefen des deutschsprachigen Trash-TVs begeben. Das Ziel: eine Staffel Dschungelcamp mit Magenta TV aufzunehmen und regelmäßig nachzuschauen. Das ergibt sich gut, sind dessen Ausstrahlungszeiten doch ohnehin nichts für jene, die früh aufstehen müssen (oder bei denen die Katzen die Entscheidungen zu solchen Fragen treffen).

Magenta TV Box
Die Magenta TV Box ist noch immer dieselbe. Der aktuelle Test erfolgte aber auf einem Chromecast, die Screenshots sind aus der Webversion, was aber wenig ändert: Die Funktionalität ist die gleiche.
Proschofsky / STANDARD

Getestet wurde das Ganze übrigens mit der Magenta TV App auf einem Chromecast mit Google TV. Dort ist die Performance zwar auch schlecht, aber zumindest eine Spur weniger schlecht als auf der offiziellen Magenta TV Box. Und es gibt sogar einen Mute-Button! Die Oberfläche ist ohnehin die gleiche, was übrigens auch heißt: Seit dem Vorjahr hat sich nichts Relevantes verändert.

Was geht?

Das Versprechen klingt schon einmal nicht schlecht: Mit Magenta TV lässt sich eine beliebige Anzahl an Fernsehsendungen aufnehmen, verspricht der Anbieter. Eine schöne Marketingformulierung, wer das ausreizen will, wird aber schnell merken, dass es auch ein 100-Stunden-Limit gibt. Die "beliebige Anzahl" relativiert sich also schnell. Aber gut, dauerhaft will sich diese Aufnahmen wohl ohnehin niemand behalten, und mit ein bisschen Management sollte das kein Problem darstellen. Wirklich erfreulich ist hingegen, dass diese Aufnahmen dann nicht nur auf der Magenta TV Box, sondern auch im Web-Browser oder auf Smartphones und Tablets betrachtet werden können.

Also schnell die gesamte Staffel programmiert, was mit dem Programmguide auch halbwegs einfach geht, und schon kann es losgehen mit der Freude am (mehr oder weniger) gepflegten Trash. Sollte man zumindest meinen, die Freude weicht nämlich schnell jenem Horror, den Magenta User-Interface-Design nennt.

Die Irrfahrten des Magenta-Users

Im Hauptmenü findet sich ein Eintrag namens "Meine Inhalte". Diesen brav angeklickt, gibt es einen weitgehend leeren Bildschirm mit einem kleinen Vorschaubild. Na bitte, da ist es schon, denkt sich der vielleicht etwas naive Autor, klickt darauf und landet bei einem Textmenü mit den begrenzt hilfreichen Einträgen "Aufgenommen", "Geplant", "Abbrechen".

Aber neben besagtem Vorschaubild prangt ja noch ein Ul-Element mit drei Knöpfen, also einmal das ausprobieren. Tatsächlich kommt man so auf die nächste Seite, eine, wo es dann immerhin schon zwei – dafür gleiche – Vorschaubilder gibt. Eines mit dem Titel "Aufnahmen", eines mit "Geplante Aufnahmen". Wer jetzt vorher gelernt hat, auf die drei Punkte zu klicken, der geht in die UI-Falle. Damit kommt man nur zurück auf eine allgemeine Übersicht aller Sendungen.

Magenta TV
UI-Design an der Spitze der Entwicklung.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

In diesem Fall ist es also tatsächlich richtig, auf das Vorschaubild zu drücken, womit man zu sämtlichen Episoden der gewünschten Serie gelangt. Damit es nicht zu einfach wird, ist jede Folge wieder mit dem exakt gleichen Bild und dem meist wenig hilfreichen Hinweis "Folge x" versehen. Aber gut, zu diesem Zeitpunkt waren wir ja noch am Anfang der Staffel, also war die Wahl gar nicht so schwer. Ein Klick auf die richtige Episode offenbart dann noch einen weiteren Bildschirm, auf dem dann aber zumindest groß ein Knopf prangt, der vielversprechend "Anschauen" heißt.

Endlich kann es also losgehen! Oder auch nicht. Stattdessen kommt die Frage, welche Variante man schauen will, das jeweils versehen mit den Ausstrahlungszeiten. Etwas verwirrend, aber wer genau schaut, wird bei der richtigen Option einen kleine Grafik namens "Rec" sehen, also fällt die Auswahl gar nicht so schwer, und so kann es endlich losgehen. Also: wirklich dieses Mal.

Das ändert alles!

Einmal gestartet fällt zweierlei auf: Eine exakte Aufnahme gibt es weiterhin nicht, sie beginnt immer ein paar Minuten früher. Die wahre Revolution offenbart sich aber direkt danach: Es kann nun vorgespult werden. Wer jetzt meint, was daran besonders sein soll: Tatsächlich war das lange nicht möglich, da diverse Sender – darunter auch RTL – aus lizenzrechtlichen Gründen das Vorspulen untersagt haben, damit die Zuseherinnen und Zuseher nicht die Werbung überspringen.

Damit kann also freudig festgehalten werden: Die Aufnahmefunktion von Magenta TV ist im Jahr 2024 auf dem Niveau eines VHS-Videorekorders aus den Achtzigerjahren angekommen. Also zumindest in dieser Hinsicht, denn wie sich bald zeigen wird, erreicht man dieses Niveau dann doch nicht in allen Punkten.

Noch immer begeistert von der Vorspulfunktion, geht es guten Mutes von Dschungelprüfung zu fremden Dramen und dann plötzlich: ins Nichts. Wie sich herausstellt, hat der Programmguide von Magenta TV die Aufnahme zu kurz anberaumt, die letzten 20 Minuten wurden also abgeschnitten.

Jetzt kann man natürlich sagen, das ist eine Livesendung, der Programmguide weiß nicht immer, wie lange die geht. Aber wie sich in den folgenden Tagen herausstellen sollte, trat dieses Phänomen nicht einmal, sondern bei jeder einzelnen Episode auf. Das ist schlimm genug, schlimmer ist, dass es schlicht keine Möglichkeit gibt, den Aufnahmezeitraum anzupassen.

Ein echter Hacker

So leicht lässt sich der Autor aber natürlich nicht unterkriegen, also folgt ein Gedanke: Nimmt Magenta nicht ohnehin alles auf, stellt das gesamte Programm also sieben Tage lang zum Nachschauen zur Verfügung? Richtig! Genau das war dann auch der Grund für die Auswahlvielfalt beim zuvor erwähnten "Anschauen"-Knopf. Die anderen Optionen sind also das Ergebnis dieser automatischen Aufnahmen und verschwinden nach einer Woche wieder.

Magenta TV
Vier Aufnahmen, aber nur eine ist DIE Aufnahme.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Also neu durch die Wirren des Magenta-TV-Interfaces navigiert, "Anschauen" angeklickt und stattdessen eine Wiederholung aus der Nacht aufgerufen. Bingo! Zwar ist auch in dieser nur ein Teil der Sendung zu sehen, aber zumindest ein anderer. Man könnte auch sagen: Die zweite Aufnahme ist nicht weniger falsch, aber zumindest anders falsch erfolgt. Nach etwas Vorspulen (danke noch einmal!) ist dann auch die richtig Stelle schnell gefunden, und es kann weitergehen.

Das Spiel wiederholt sich in den kommenden Tagen immer wieder. Also zumindest so lange, bis es dann irgendwann einmal keine Aufnahme mehr gibt, auf der das Ende der Sendung enthalten ist. Also nächster Workaround: Auf in den Programmguide, um dort die darauffolgende Sendung aufzurufen (irgendwas mit Blaulicht oder so), und tatsächlich wurden die beharrlichen Versuche von Magenta TV, den Trash-TV-Konsum zu verhindern, erneut erfolgreich umschifft.

Aufatmen

Die Katzen sind von den ewigen Unterbrechungen und dem ewigen Warten auf die nächste Känguru-Anus-Verspeisung mittlerweile schon ziemlich genervt, der Autor kommt sich dafür aber total schlau vor. Und irgendwann ist der Albtraum dann auch vorbei, also sowohl im Sinne des Dschungelcamps als auch im Sinne der Magenta-TV-Nutzung.

Nun könnte noch über viele andere Absurditäten der Oberfläche von Magenta TV philosophiert werden, etwa über doppelte Einträge oder die immer wieder nicht funktionierende Synchronisation zwischen mehreren Geräten. Oder darüber, dass der Service die User noch immer regelmäßig ausloggt und das Wiedereinloggen zu einer echten Pein macht, weil man die darunterliegende Plattform natürlich miserabel unterstützt. Aber wer will schon so kleinlich sein, und irgendwann ist es auch einmal gut.

Eine Wiederholung

Was bleibt, sind zwei Wochen Magenta TV, die sich wie echte Arbeit statt des ersehnten Hirndurchblasens als Kontrast zum von einer hohen Informationsdichte geprägten Alltag angefühlt haben. Und so bleibt Magenta TV auch ein Jahr später leider noch immer: "Kabelfernsehen zum Abgewöhnen". Nächstes Jahr dann aber! (Andreas Proschofsky, 11.2.2024)