Jobsuchender beim Arbeitsmarktservice (AMS)
Der Algorithmus soll Jobsuchende in drei Kategorien einteilen und damit die Vermittlung am Arbeitsmarkt beschleunigen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Darf ein Algorithmus des Arbeitsmarktservices (AMS) darüber entscheiden, ob Jobsuchende am Arbeitsmarkt gut vermittelbar sind? Diese Frage beschäftigt die österreichischen Gerichte bereits seit Jahren. Jetzt muss das umstrittene Programm erneut geprüft werden, wie aus einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) hervorgeht.

Das Arbeitsmarktchancen-Assistenzsystem (AMAS) errechnet auf Grundlage verschiedener personenbezogener Daten die Vermittlungschancen bestimmter Personen am Arbeitsmarkt. Dabei fließen etwa das Alter, das Geschlecht, die Ausbildung und die Arbeitserfahrung in die Berechnung mit ein. Das AMS will mit dem Algorithmus Personen je nach Vermittelbarkeit priorisieren, damit die Arbeitslosigkeit insgesamt schneller zurückgeht.

Fehlende Grundlage

Die Datenschutzbehörde hatte allerdings Zweifel an dem Programm. Sie leitete ein Verfahren ein und stoppte das Projekt im August 2020 per Bescheid. Es gebe für den Algorithmus keine ausreichende gesetzliche Grundlage, weil es sich dabei um eine verbotene automatisierte Einzelfallentscheidung handle, ein sogenanntes Profiling.

Nach einer Beschwerde des AMS hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Verbotsbescheid der Datenschutzbehörde auf. Diese Entscheidung des BVwG wurde nun wiederum vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) behoben. Zwar gebe es an dem Programm grundsätzlich ein "erhebliches öffentliches Interesse", allerdings habe das BVwG entscheidende Fragen nicht beantwortet.

In einem neuen Verfahren muss nun vor allem erörtert werden, ob die Entscheidung über die Einstufung der Jobsuchenden "maßgeblich von den automatisiert errechneten Arbeitsmarktchancen bestimmt wird". Wäre das der Fall, müsste es eine explizite gesetzliche Grundlage für das Programm geben, andernfalls wäre es unzulässig. Das Höchstgericht lässt dabei durchblicken, dass es den Algorithmus auf Basis der aktuellen Rechtslage eher kritisch sieht.

Drei Stufen für Jobsuchende

Jobsuchende sollen mit dem Algorithmus in drei verschiedene Stufen mit hohen, mittleren und niedrigen Arbeitsmarktchancen eingeteilt werden, um Fördermaßnahmen zielführender vergeben zu können. Am meisten Förderungen sollen Jobsuchende in der mittleren Kategorie bekommen. Die Letztentscheidung, etwa über teure Ausbildungen, soll aber weiterhin bei AMS-Mitarbeitenden bleiben.

Vergangenen Sommer hatte AMS-Chef Johannes Kopf im Gespräch mit der APA betont, dass man die Gerichtsurteile abwarten wolle, bevor man die Ausgestaltung des Algorithmus neu diskutiere. So gebe es etwa Überlegungen, das Programm weniger strikt und eher als Empfehlungstool auszulegen.

Zuletzt hatte eine andere technische Innovation des AMS für Aufsehen gesorgt. Mit dem AMS-Berufsinformat, der auf der Technologie von ChatGPT basiert, sollen sich Jobsuchende über mögliche Karrierewege informieren können. Auch hier gab es Kritik. So habe das Tool etwa klischeehafte Antworten geliefert und Frauen Berufe empfohlen, die tendenziell Frauen zugeschrieben werden.

Profiling ohne Gesetz verboten

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erst kürzlich klargestellt, dass ein sogenanntes Profiling als "automatisierte Einzelfallentscheidung" nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gilt, wenn damit "das Handeln eines Dritten maßgeblich beeinflusst wird". Eine derartige "automatisierte Einzelfallentscheidung" darf aber nur unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen erfolgen.

Anlass der EuGH-Entscheidung war die deutsche Kreditauskunftei Schufa, die die Kreditwürdigkeit bestimmter Personen ermittelt und einen sogenannten Bonitätsscore errechnet. (Jakob Pflügl, 10.2.2024)