Flüssiges Wasser ist eine unverzichtbare Zutat für die Entstehung von Leben, wie wir es kennen. Unser Planet ist seit Jahrmilliarden von Ozeanen geprägt, aber längst nicht der einzige Ort im Sonnensystem, der über gewaltige Wassermassen verfügt. Bei der Suche nach potenziell lebensfreundlichen Nischen sind in den vergangenen Jahren insbesondere einige Eismonde im äußeren Sonnensystem ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: Die Jupitermonde Ganymed, Europa und Kallisto sowie die Saturnmonde Titan und Enceladus beherbergen unter ihren dicken Eispanzern teils gigantische Ozeane aus flüssigem Salzwasser.

Saturnmond Mimas
Auf den ersten Blick sieht der kraterversehrte Saturnmond Mimas wenig interessant aus. Neue Untersuchungen rücken den Trabanten in ein anderes Licht.
AFP/Animea Studio | Observatoire

Nun drängt ein überraschender weiterer Kandidat auf die Liste der außerirdischen Wasserträger: Auch der Saturnmond Mimas dürfte einen Ozean unter seiner eisigen Kruste verstecken, wie neue Untersuchungen zeigen, die ein internationales Forschungsteam kürzlich in "Nature" veröffentlicht hat. Lange galt Mimas als starres, gefrorenes und inaktives Objekt, Wasser wurde dort nicht vermutet. "Mimas ist ein kleiner Mond mit einem Durchmesser von nur etwa 400 Kilometern, seine Oberfläche gibt keinen Hinweis auf einen darunter verborgenen Ozean", sagte Nick Cooper von der Queen Mary University of London, einer der Studienautoren.

Verräterische Umlaufbahn

Mimas ist der siebtgrößte der derzeit 145 bekannten Saturnmonde und außergewöhnlich stark verkratert. Neben unzähligen kleineren Narben besitzt er auch einen Riesenkrater: Der Herschel-Krater, benannt nach dem Entdecker des Mondes William Herschel, misst 139 Kilometer. Wie dutzende andere Saturnmonde ist auch Mimas von Eis geprägt, zu den Kandidaten für flüssiges Wasser wurde er bis vor geraumer Zeit jedoch nicht gezählt. Er ist kleiner als diese, und seine eisige Kruste zeigt keinerlei Anzeichen von dynamischen Veränderungen, wie man sie von anderen Monden mit Wassermassen kennt. Auch stößt er keine Eisfontänen aus wie der Saturnmond Enceladus. "Mimas war daher so ziemlich der unwahrscheinlichste Ort, um nach einem Ozean und flüssigem Wasser im Allgemeinen zu suchen", sagte Valery Lainey vom Pariser Observatorium. Zudem passt die Form des auffälligen Herschel-Kraters nicht ins Bild eines Meermondes.

Saturnmond Mimas, Herschel-Krater
Nichts auf Mimas' Oberfläche deutet an, was sich im Untergrund verbergen dürfte: ein Wasserozean. Im Bild rechts ist prominent der Herschel-Krater zu sehen.
AP

Vor knapp zehn Jahren machte die Nasa-Raumsonde Cassini bei einem Vorbeiflug allerdings eine erstaunliche Entdeckung: Mimas weist Unregelmäßigkeiten in seiner Umlaufbahn um Saturn auf, den er in gebundener Rotation umkreist. Aus den Messungen schlossen Fachleute, dass der Mond entweder einen ungewöhnlich geformten Kern haben muss – oder entgegen allen Erwartungen flüssiges Wasser im Inneren besitzt. Das Wasserszenario blieb umstritten.

Bemerkenswert junger Ozean

Das Forschungsteam um Laney und Cooper analysierte nun zahlreiche Cassini-Daten neu und verglich die beobachtete Entwicklung der Mondumlaufbahn während der gesamten Cassini-Mission mit Modellen der beiden Szenarien. Dabei entpuppte sich das Kernszenario als realitätsfern: Wäre ein fester Kern für die beobachteten Bahneigenschaften verantwortlich, müsste dieser so flach und langgezogen sein, dass er aus der Oberfläche hervorragen würde. Darauf gibt es aber keinerlei Hinweise.

Ein flüssiger unterirdischer Ozean würde hingegen genau zu den Daten passen. Die Modelle sprechen für Wasservorkommen in einer Tiefe von 25 bis 30 Kilometern, wie die Forschenden schreiben. "Mit dieser Entdeckung reiht sich Mimas in den exklusiven Klub von Monden mit inneren Ozeanen ein, aber mit einem einzigartigen Unterschied: Sein Ozean ist bemerkenswert jung, er ist schätzungsweise nur fünf bis 15 Millionen Jahre alt", sagte Cooper.

Astrobiologische Fundgrube

Auf das vergleichsweise junge Alter des Ozeans schließen die Forschenden ebenfalls aus den Cassini-Beobachtungen. Wäre flüssiges Wasser schon deutlich länger präsent, wäre mit sichtbaren Veränderungen der Oberfläche zu rechnen. Eines Tages, vermuten die Forschenden, könnte der kraterübersäte Mimas eher dem glatten Enceladus ähneln. Dieser große Saturnmond ist mit Eis überzogen, das durch Risse an die Oberfläche gelangt. Außerdem würde sich ein älterer Ozean auch schon stärker auf die Umlaufbahn des Mondes niederschlagen.

Eismonde Mimas, Enceladus, Europa
Mimas unterscheidet sich deutlich von den bisher bekannten Eismonden, die flüssiges Wasser beherbergen. Der Fund weckt Hoffnungen, dass es noch viel mehr potenzielle Nischen für Leben geben könnte.
AFP/Animea Studio | Observatoire

Für die Suche nach Leben fern der Erde sei die Entdeckung von großem Interesse, schreiben die Forschenden. Theoretisch könnten unter Mimas Panzer lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Auch unter günstigen Bedingungen wären ein paar Millionen Jahre äußerst kurz für die Entstehung von Leben, die Bedeutung des Fundes aber hat eine größere Dimension: Wenn selbst kleine, scheinbar inaktive Monde verborgene Ozeane beherbergen können, stehen die Chancen auf lebensfreundliche Nischen im All vielleicht besser als gedacht. "Die Existenz eines kürzlich entstandenen Ozeans macht Mimas jedenfalls zu einem erstklassigen Kandidaten, um den Ursprung des Lebens untersuchen", sagte Cooper. (David Rennert, 13.2.2024)