Europa ist der kleinste der vier Galileischen Monde. Bei der Spekulation über außerirdisches Leben innerhalb der Grenzen unseres Sonnensystems ruhen die größten Hoffnungen auf ihm und einigen anderen Eismonden unserer Gasriesen.
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Bei der Spekulation über mögliche Ort im All, wo außerirdisches Leben gedeihen könnte, gilt der Jupitermond Europa als einer der heißesten Kandidaten. In Wahrheit herrschen an der Oberfläche bei minus 130 Grad Celsius zwar alles andere als Wohlfühltemperaturen, aber tief unter dem Panzer aus Wassereis sieht die Sache womöglich anders aus: Seine Umlaufbahn, sein Gravitationsfeld und zahlreiche Beobachtungen der scheinbar zersplitterten Eiskruste weisen darauf hin, dass der kleinste der vier Galileischen Monde auch flüssiges salzhaltiges Wasser beherbergt.

Und zwar sehr viel davon: Europa ist eine Spur kleiner als der Erdmond, unter der äußeren, zwischen 80 und 170 Kilometer dicken Eisschicht verbirgt sich aber womöglich mehr als doppelt so viel Wasser wie in allen irdischen Ozeanen zusammen. Bis zu 100 Kilometer dick schätzen Planetologen die Zone mit flüssigem Wasser und gatschigem Eis.

Ozean mit vielen Fragezeichen

Verantwortlich dafür ist der nahe Jupiter. Die starken Gezeitenkräfte des Gasriesen kneten Europa durch, dabei entsteht genug Wärme, um einen ganzen Ozean unter der Eisschale flüssig zu halten. An manchen Stellen dringt das Wasser sogar aus dem Untergrund hervor und schießt in Form von Eis-Geysiren oder gefrorenen Wolken ins All hinaus. Während über die grundsätzliche Existenz eines solchen Ozeans weitgehend Einigkeit herrscht, sind die genauen Verhältnisse noch umstritten. So schlossen Forschende aus Oberflächenstrukturen, dass die Mächtigkeit der Eishülle vielleicht auch nur bei zwei bis achtzehn Kilometern liegen könnte.

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Hypothetischer Schnitt durch die Eiskruste von Europa.
Illustr.: Nasa

Zu diesen Strukturen zählen auch Eis-Geysire, Orte also, an denen das Wasser aus dem Untergrund an die Oberfläche dringt und dort zu Flöckchen und Kristallen gefriert. Über das ausgeworfene Material lässt sich auf die Bedingungen dort unten schließen, denn die über die Chemie in dem außerirdischen Ozean weiß man bisher erst sehr wenig. Eine der Fragen, die die Forschenden umtreiben: Kommt dort in der Tiefe auch Kohlenstoff in nennenswerten Mengen vor? Das Element bildet quasi das Rückgrat der Biochemie.

CO2 von oben oder von unten

Tatsächlich ist man auf Europa in dieser Hinsicht bereits fündig geworden. Frühere Beobachtungen konnten zumindest auf der Oberfläche des Mondes festes CO2-Eis nachweisen. Wie es dorthin gekommen ist, blieb jedoch ein Rätsel mit mehreren möglichen Lösungen. Eine Hypothese lautet, dass das Kohlendioxideis durch Meteoriteneinschläge auf die Mondoberfläche gelangt ist. Eine andere macht Wechselwirkungen mit der Jupitermagnetosphäre für die Existenz des CO2 verantwortlich. Oder – und das wäre die spannendste Erklärung – das CO2 stammt aus dem unterirdischen Ozean.

Zwei unabhängige Studien, die nun im Fachjournal "Science" erschienen sind und sich auf Beobachtungen mit dem James Webb Space Telescope (JWST) stützen, weisen auf Letzteres hin. In beiden Arbeiten wurden die mit JWST aufgenommenen Nahinfrarotspektroskopien von Kohlendioxid auf Europas Oberfläche genauer analysiert. Samantha Trumbo (Cornell University, New York) und Michael Brown (California Institute of Technology) kartierten die Verteilung von CO2 auf Europa und fanden dabei heraus, dass die größte CO2-Menge in der Tara-Region zu finden ist.

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Wie Risse in der Eisdecke eines winterlichen Sees. Unter der Oberfläche von Europa verbirgt sich wahrscheinlich ein gewaltiger Ozean aus flüssigem Salzwasser. Diese Aufnahme stammt von der Nasa-Sonde Galileo und wurde 1996 geschossen.
Foto: imago/Nasa

Aktive Regionen

Das etwa 1.800 Quadratkilometer große Gebiet ist geologisch aktiv, Brüche und aufgeworfenes Eis dominieren die Landschaft. Dass das CO2 auf diesen jungen Oberflächenstrukturen besonders häufig in Erscheinung tritt, deutet laut Tumbo und Brown darauf hin, dass es aus einer tiefer liegenden Kohlenstoffquelle stammt und geologisch gesehen erst vor kurzem bei unterirdischen Prozessen an die Oberfläche gebracht wurde.

Die zwei Forschenden halten es auch für möglich, dass das CO2 erst an der Oberfläche aus organischen Stoffen oder Karbonaten aus dem Ozean darunter entstanden ist. Beide Fälle würden jedoch bedeuten, dass das Wasser in der Tiefe Kohlenstoff enthält. Die zweite Studie fand ebenfalls erhöhte CO2-Konzentrationen in der Tara-Region. Das Team um Geronimo Villanueva vom Nasa Goddard Space Flight Center fand außerdem Hinweise darauf, dass das CO2 auf Europas Oberfläche mit anderen chemischen Verbindungen vermischt ist.

Untersuchungen des Verhältnisses von C-12- zu C-13-Isotopen im Kohlendioxideis lieferten keine Antwort auf die Frage, ob das CO2 aus einer abiotischen oder biogenen Quelle stammt. Auch blieben die Forscher erfolglos bei ihrer Suche nach aktiven Geysiren. Obwohl frühere Beobachtungen Wasserausstoß nachweisen konnten, zeigte sich auf den Bildern des JWST keine Spur davon. Das liege wohl daran, so die Forschenden, dass diese sogenannte Plume-Aktivität auf Europa nur selten und episodisch auftritt. Dennoch untermauern die beiden einander ergänzenden Studien, dass der Ozean unter Europas Eiskruste reichlich Kohlenstoff enthalten dürfte.

Rätsel um Sauerstoff auf Kallisto

Ähnlich spannende Ergebnisse lieferte eine aktuelle Studie im "Journal of Geophysical Research: Planets" zum Geschwistermond Kallisto. Der Jupitertrabant ist mit einem Durchmesser von 4.800 Kilometern deutlich größer als Europa und könnte ebenfalls einen Ozean unter dem Eis beherbergen. Was den Wissenschaftern bisher Kopfzerbrechen bereitet hat, ist der ungewöhnlich hohe Anteil an Sauerstoff in der dünnen Atmosphäre des Mondes. Bislang hatte man sich den mit Wechselwirkungen zwischen Kallisto und dem starken Magnetfeld von Jupiter erklärt.

Jupitermond Kallisto besitzt mehr Sauerstoff in seiner dünnen Atmosphäre, als er bei der bisher angenommenen Herkunft des Gases haben sollte.
Foto: Nasa

Konkret vermutet man, dass der Sauerstoff durch Radiolyse entsteht, bei der die Strahlung der Jupitermagnetosphäre Wasserstoff- und Sauerstoffteilchen aus der Eiskruste schlägt. Doch das allein dürfte für die große Sauerstoffmenge nicht verantwortlich sein, wie ein Team um Shane R. Carberry Mogan von der University of California, Berkeley, herausgefunden hat.

Juice und Europa Clipper

Die Gruppe simulierte energetisch relevante Vorgänge in der Magnetosphäre des Jupiters und berechneten jene Energiemenge, die Kallisto noch erreicht. Daraus schlossen sie auf die möglichen Sauerstoffmengen, die bei Radiolyse unter diesen Umständen freigesetzt werden sollten, und verglichen die Werte mit aktuellen Beobachtungen. Das Ergebnis: Der nachgewiesene Anteil von Sauerstoff in der Kallisto-Atmosphäre übersteigt das Resultat der Simulationen um das Zwei- bis Dreifache.

Es muss dort also noch mindestens eine andere Sauerstoffquelle geben. Welche das sein könnte, bleibt vorerst rätselhaft, doch das Team hofft auf entscheidende Beobachtungen bei der Jupiter-Mission Juice der Esa, die 2031 beim Gasriesen ankommen soll, und der Nasa-Sonde Europa Clipper, die bis Anfang der 2030er-Jahre starten soll. (Thomas Bergmayr, 23.9.2023)