Für die österreichische Finanzpolizei werden Großfälle von organisierter Wirtschaftskriminalität zunehmend zu einer Herausforderung. Besonders Fälle, bei denen Sozial- und Sozialleistungsbetrug gemeinsam auftreten, mehren sich zunehmend. "Das ist ein extrem lukratives Geschäftsmodell", sagt Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei. Daher rücken immer mehr Scheinfirmen in den Fokus der Tätigkeit, von denen man im Vorjahr mehr als 150 vom Markt genommen habe, denn: "Ohne Scheinfirmen funktioniert das Ganze nicht."

Ein Mann arbeitet auf einer Baustelle auf einem Gerüst.
Neben dem Bau und dem Baunebengewerbe kommt es in der Textilreinigung, bei Security-Firmen oder bei Arbeitskräfteüberlassern oft zu Verstößen.
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Zur Erklärung verwies er auf eine Reinigungsfirma, die mehr als 100 Beschäftigte bloß geringfügig angemeldet habe. Die Differenz zu den tatsächlich geleisteten 40 bis 60 Wochenstunden hätten die Beschäftigten schwarz erhalten, nämlich etwa sieben bis acht Euro je Stunde. Diese hätten aber zusätzlich vom AMS auch Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe empfangen. "In Summe kann ein Dienstnehmer so bis zu 3.000 Euro netto pro Monat bekommen", erläutert Lehner.

Video: Anzeigen zu Sozialleistungsbetrug laut Finanzpolizei verdoppelt.
APA

"Extreme Marktverzerrung"

"Sozial- und Sozialleistungsbetrug verschmelzen immer mehr", ergänzt er, denn: "Das ist für beide Seiten eine Win-win-Situation." Da aber Dienstgeber und Beschäftigte dabei im selben Boot sitzen würden, erschwere dies auch die Ermittlungen. "Letztendlich ist das aber eine extreme Marktverzerrung zulasten anderer Unternehmen", betont Lehner. Insgesamt würden jährlich etwa 800 Millionen bis zu einer Milliarde Euro über Scheinfirmen laufen. "Das ist schon erklecklich", sagt der Leiter der Finanzpolizei.

Besonders oft komme dies in preissensiblen und personalintensiven Branchen vor, etwa im Bau- und Baunebengewerbe, bei Textilreinigung, Security-Unternehmen, die bei Veranstaltungen tätig sind, sowie bei der Arbeitskräfteüberlassung. "Wir haben auch dort ein massives Problem", sagt Lehner über Leiharbeit. Schwarzarbeit sei in diesem Bereich besonders problematisch, da es auch auf alle anderen Branchen und Märkte abstrahle.

Strafen und zusätzliche Abgaben

Neben der organisierten Wirtschaftskriminalität gebe es auch weiterhin die sogenannte Ameisenkriminalität, etwa wenn Menschen im Zuerwerb schwarz arbeiten würden. "Es gibt beides, und wir bekämpfen auch beides", betont der Leiter der Finanzpolizei.

"Jede Form von Steuer- oder Abgabenhinterziehung und unfairem Wettbewerb untergräbt den gesellschaftlichen Zusammenhalt", sagt ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner. Insgesamt seien im Vorjahr bei 25.600 Einsätzen etwa 51.000 Arbeitnehmer kontrolliert worden. Davon seien bei 12.600 Personen Verstöße festgestellt worden. "Insgesamt sind Strafen über 20,1 Millionen Euro beantragt worden", sagt der Finanzminister. Dazu seien bei Kontrollen zusätzliche 22,7 Millionen Euro an Abgaben eingenommen worden. (Alexander Hahn, 13.2.2024)