Ein im All schwebendes Objekt, auf einer Seite rund, auf der anderen sechseckig, mit einer Linse an der Seite, die Erde im Hintergrund.
Eine künstlerische Darstellung eines der Lisa-Satelliten. Im Inneren findet sich ein kräftefrei schwebender Würfel aus Gold und Platin.
Max Planck Institute for Gravitational Physics (Albert Einstein Institute) / Milde Marketing Science Communication / Exozet Effects

Es ist eines der ambitioniertesten Weltraumexperimente aller Zeiten und war 2011 aufgrund von Finanzierungsproblemen akut gefährdet. Als Kooperation zwischen den USA und Europa seit den 1970er-Jahren entwickelt, musste die europäische Weltraumagentur Esa das Projekt 2011 allein weiterführen, nachdem aus den USA kein Geld mehr floss. Doch mit erfolgreichen Pilotprojekten und dem sensationellen erste Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2015 nahm das Vorhaben wieder Fahrt auf. Die US-Weltraumagentur Nasa ist wieder im Boot, und nun wurde der Startschuss für die nächste Missionsphase gegeben, inklusive eines geplanten Starttermins.

Lisas Fokus liegt auf Gravitationswellen, winzigen Verzerrungen der Raumzeit, deren Existenz lange Zeit umstritten war. Inzwischen sind von den irdischen Observatorien Ligo und Virgo weit über hundert Gravitationswellensignale bestätigt und haben die Erwartungen der Astronomie-Community eindrucksvoll erfüllt. Sie registrieren Erschütterungen der Raumzeit, die von der Verschmelzung von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen ausgelöst werden.

Ruhe des Weltraums

Doch die Erfolgsgeschichte hat einen Haken: In irdischen Observatorien lassen sich nur ganz bestimmte Signale messen, die aus den Umgebungsgeräuschen herausgefiltert werden müssen. Im All gäbe es solche Einschränkungen nicht, und hier kommt Lisa ins Spiel, ein Kürzel, das übersetzt für Laser-Interferometer-Weltraumantenne steht. Ursprünglich noch unter einem anderen Namen laufend, sah das Konzept sechs Raumsonden vor, die untereinander Laserlicht austauschen sollten, um so winzige Entfernungsveränderungen zu messen, die auf eine Verzerrung der Raumzeit hindeuten.

Doch technologisch ist die Umsetzung äußerst schwierig. Selbst im All gibt es Störeinflüsse. Konkret bedeutet das, dass ein frei schwebender Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung von einer Hülle umgeben wird, die den Sonnenwind abschirmt. Sie muss über Steuerungsdüsen so positioniert werden, dass sie den Würfel nie berührt, während beide gemeinsam um die Sonne kreisen.

Die Lisa-Pathfinder-Mission hatte den Zweck, die technische Machbarkeit von Lisa zu demonstrieren. Sie endete am 18. July 2017.
European Space Agency, ESA

Um zu testen, ob so etwas überhaupt möglich ist, wurde 2015 die Mission "Lisa Pathfinder" gestartet. Eine Vega-Rakete brachte einen Prototyp ins All, der zwei der erwähnten Würfel enthielt. Die Mission übertraf alle Erwartungen und zeigte, dass die benötigte Genauigkeit möglich war. Am 25. Jänner gab das Esa-Komitee für Wissenschaftsprojekte der Mission nun das Okay, ein Schritt, der im englischen Fachjargon "Adoption" heißt. Es ist der Startschuss für den Bau der Instrumente. Als Starttermin wurde 2035 fixiert.

Im Schlepptau der Erde

Die Ausgereiftheit der Technologie bescheinigt ein Bericht der Esa, der als Grundlage für die nun beschlossenen Schritte diente. Aus den ursprünglich geplanten sechs Satelliten wurden drei, die ein Dreieck von 2,5 Millionen Kilometern Seitenlänge bilden werden, ein Vielfaches der Distanz zwischen Erde und Mond. Dieses Dreieck soll insgesamt in einiger Entfernung hinter der Erde um die Sonne kreisen. Die Bahnen der einzelnen Satelliten (unten in einem Video dargestellt) sollen dann etwa zehn Jahre lang so stabil sein, dass keine weitere Korrektur nötig ist.

Eine Animation, die zeigt, wie die Bahnen der einzelnen Satelliten um die Sonne aussehen.
LISA Mission

Die Funktionsweise wird sich von jener der erdgebundenen Detektoren unterscheiden. Ligo und Virgo nutzen Vakuumröhren mit Längen von mehreren Kilometern, in denen Laserlicht viele Male hin- und hergespiegelt wird. Das ist bei Lisa nicht möglich. Stattdessen besitzt jeder Satellit seine eigene Laserquelle und vergleicht eintreffendes Licht mit dem Licht der eigenen Quelle, um so Frequenzverschiebungen und damit Distanzänderungen festzustellen.

Hören und Sehen

Lisa wird sich nicht nur durch seine gegenüber erdgebundenen Systemen erhöhte Messgenauigkeit auszeichnen, auch der Messbereich ist deutlich breiter. Lisa schließt eine Lücke bei bisherigen Gravitationswellenbeobachtungen. Neben den Messungen von Ligo und Virgo gelang es 2023, aus den Signalen von Pulsaren auf eine Art Hintergrundrauschen von Gravitationswellen zu schließen, die teilweise aus der Frühzeit des Universums stammen, aber für die irdischen Detektoren nicht nachweisbar sind. Zwischen diesen beiden Beobachtungsbereichen wird die Messempfindlichkeit von Lisa liegen. Die stärksten Signale werden von verschmelzenden supermassiven Schwarzen Löchern erwartet, wie sie sich in Galaxienzentren befinden. Das wird wichtige Erkenntnisse über den Ursprung dieser Objekte liefern, deren Entstehung nach wie vor viele Rätsel aufgibt.

Doch Lisa wird die auf der Erde gemessenen Gravitationswellensignale ebenfalls detektieren. Allerdings wird es sie früher wahrnehmen. Die Gravitationswellen von der Kollision Schwarzer Löcher entstehen ja vor der Verschmelzung, wenn diese sich extrem schnell umkreisen. Je früher dieses Verhalten identifiziert werden kann, desto mehr Zeit bleibt konventionellen Observatorien, ihren Blick auf die betreffende Himmelsregion zu richten. Besonders interessante Ereignisse können so von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Das führte bereits in der Vergangenheit zu völlig neuen Einsichten, etwa als 2017 erstmals bestätigt werden konnte, dass lange bekannte kurze Gammastrahlenausbrüche von der Verschmelzung von Neutronensternen stammen.

Ein sauberer Metallwürfel in einem Schaumstoffbett.
Einer der für die Lisa-Mission vorgesehenen Würfel. Er soll im Inneren des Satelliten frei schweben. Seine Position wird laufend äußerst präzise vermessen.
ESA, CC BY-SA 3.0 IGO https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/igo/

Doch Lisas Empfindlichkeit wird auch zu besonderen Herausforderungen führen. Lisa blickt nicht wie ein Teleskop in eine bevorzugte Richtung, sondern wird Signale aus allen Himmelsrichtungen empfangen. Es ähnelt in diesem Sinn eher einem Mikrofon als einer Kamera. Die Forschenden rechnen damit, eine Fülle sich überlagernder Signale zu registrieren. Um sie zu trennen, braucht es neue Analysemethoden, die erst entwickelt werden. Sie sollen erst die markantesten Signale identifizieren, um sie herauszufiltern und dann die schwächeren Spuren hörbar zu machen.

Eine Übersicht der Lisa-Mission.
ESA / ATG Medialab, CC BY-SA 3.0 IGO https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/igo/

Mit solchen Signalen wird ab der ersten Sekunde nach dem Einschalten gerechnet, heißt es in dem Bericht. "Seit Jahrhunderten erforschen wir unseren Kosmos durch das Einfangen von Licht. Wenn wir dies mit der Entdeckung von Gravitationswellen verbinden, eröffnet sich eine völlig neue Dimension für unsere Wahrnehmung des Universums", erklärt Oliver Jennrich vom Projektteam. Sofern alles gutgeht, hat das astronomische Highlight des kommenden Jahrzehnts also bereits jetzt einen fixen Platz im Kalender. (red, 18.2.2024)