In seinem Gastkommentar schreibt der ÖAW-Forscher Martin Slama über die Wahlen in Indonesien und den scheidenden Präsidenten als Präsidentenmacher.

Prabowo Subianto
Will Präsident werden: Prabowo Subianto.
Foto: APA / AFP / Yasuyoshi Chiba

Indonesien, die drittgrößte Demokratie der Welt, wählt am 14. Februar einen neuen Präsidenten, ein neues Parlament, eine Art Bundesrat sowie Provinz- und Bezirksparlamente. Die mit Abstand größte Aufmerksamkeit erlangen dabei die entscheidenden Präsidentschaftswahlen. Präsident Joko Widodo, in Indonesien kurz Jokowi genannt, ist bereits am Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit. Er ist der mit Abstand beliebteste Präsident in Indonesiens postautoritärer Ära, die mit der Abdankung des Langzeitherrschers Suharto 1998 begann. Von seinen Beliebtheitswerten, die seit Jahren zwischen 70 und 80 Prozent pendeln und auf der erfolgreichen Umsetzung von großen Infrastrukturprojekten und Sozialprogrammen sowie einem Image der Unbestechlichkeit beruhen, können westliche Staatsoberhäupter nur träumen.

Welchen der drei Präsidentschaftskandidaten er unterstützt, ist daher entscheidend: Ex-General Prabowo Subianto, den ehemaligen Gouverneur von Zentraljava Ganjar Pranowo oder Ex-Bildungsminister und Ex-Gouverneur von Jakarta Anies Baswedan. Jokowi hielt sich lange bedeckt – bis Oktober 2023, als er seinen ältesten Sohn Gibran Rakabuming Raka zum Vizepräsidentschaftskandidaten machte, gepaart ausgerechnet mit seinem früheren Rivalen Prabowo Subianto, der nun – nach zwei erfolglosen Versuchen 2014 und 2019 – im dritten Anlauf endlich die Präsidentschaft erlangen möchte. Was bedeutet das für das Land?

Nie vor Gericht

Der mittlerweile 72-jährige Prabowo ist eine besonders umstrittene Figur in Indonesiens Politikszene. Der Militär heiratete eine Tochter von Suharto und stieg gegen Ende von dessen Herrschaft in den Generalrang auf. Damals befehligte er ein Sonderkommando, das Demokratieaktivisten entführte, von denen 13 nie wieder auftauchen sollten. Nach Suhartos Rücktritt 1998 wurde Prabowo deswegen unehrenhaft aus der Armee entlassen, jedoch nie vor ein Gericht gestellt. Zehn Jahre später betrat er mit einer erfolgreichen Parteigründung nachhaltig Indonesiens politische Bühne, die ihm Einfluss im politischen System sicherte, aber bisher nicht die Präsidentschaft einbrachte. Nach Prabowos letzter Niederlage 2019 machte Jokowi einen überraschenden Schachzug, indem er Prabowo in das Amt des Verteidigungsministers hievte. Der einst aus dem Militär Entlassene stand diesem jetzt vor, sah sich als rehabilitiert an und verhielt sich Jokowi gegenüber während seiner gesamten zweiten Amtszeit loyal.

Präsident Joko Widodo (rechts) und Kandidat Prabowo Subianto (links) bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Foto: AP / Dita Alangkara

Diese Allianz der ehemaligen Rivalen basiert auf unterschiedlichen Machtkalkülen. Prabowo liefe ohne die Unterstützung Jokowis Gefahr, ein drittes Mal zu verlieren. Jokowi wiederum hat seinen Sohn, sollte er denn Vizepräsident werden, für die Wahlen 2029 exzellent positioniert, für die der alternde Prabowo möglicherweise nicht mehr antreten wird. Des weiteren gibt es ein Übereinkommen zwischen Jokowi und Prabowo über die Weiterführung der großen Infrastrukturprojekte, was insbesondere die noch zu bauende neue Hauptstadt Nusantara betrifft, mit der große wirtschaftliche Interessen im Umfeld beider Politiker verknüpft sind. Schließlich sind Jokowi und Prabowo dem aus dem antikolonialen Widerstand gegen die Holländer hervorgegangenen nationalistischen Lager zuzurechnen, dem es gemeinsam mit demokratisch-islamischen Kräften in der zweiten Amtszeit von Jokowi gelang, islamistische Bewegungen weitgehend zu marginalisieren.

Proteste möglich

Kalküle, Interessen und Ideologien scheinen also zu korrespondieren, und die Umfragen sehen Prabowo zwischen 45 und 50 Prozent – weit vor seinen Mitbewerbern. Was würde nun ein Wahlsieg Prabowos, der spätestens nach einer Stichwahl im Juni erwartet wird, für Indonesiens Zukunft bedeuten? Zunächst gilt es zu beobachten, wie lange diese Allianz halten wird. Denn einmal Präsident, braucht Prabowo Jokowi nicht mehr so wie in der Zeit des Wahlkampfs. Werden die bereits bestehenden autoritären Tendenzen, die in Jokowis zweiter Amtszeit etwa durch eine Schwächung der Antikorruptionsbehörde und der politischen Instrumentalisierung der Justiz sichtbar wurden, unter Prabowo überhandnehmen? Dass ein solches Szenario in Indonesien einfach hingenommen werden würde, gilt als unwahrscheinlich, und es wäre mit Protestbewegungen, insbesondere von Studierenden, zu rechnen. Starker Widerstand gegen einen Präsidenten Prabowo würde wohl auch Jokowis Sohn beschädigen. Jokowis Kalkül könnte also auch nicht aufgehen und seine Macht als Präsidentenmacher auf die Wahlen 2024 beschränkt bleiben.

Indonesien geht jedenfalls in eine ungewissere Zukunft, als dies die Stabilität der Jokowi-Ära auf den ersten Blick nahelegen würde. Die drittgrößte Demokratie der Welt steht vor einer herausfordernden Zeit, in der das Abgleiten in eine Autokratie latent droht und die Demokratiebewegung des Landes massiv gefordert sein wird. (Martin Slama, 14.2.2024)