In einem Statement-Video auf dem "maiLab"-Kanal spricht Nguyen-Kim über ihre politischen Vorhaben.
Youtube

Im Jahr 2015 begründete die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim den Youtube-Kanal "The Secret Life Of Scientists" und damit auch ihre bald ein Jahrzehnt lange Karriere im Raum der Wissenschaftsvermittlung. Der Kanal sollte einen humoristischen Blick auf naturwissenschaftliche Themen werfen und das stereotype Bild von "Nerds" für ein junges Publikum infrage stellen. Gut ein Jahr später, im Oktober 2016, gründete sie in einer Kollaboration mit dem deutschen öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerk "Funk" den Kanal "Schönschlau", der zwei Jahre später unter dem Namen "maiLab" neu aufgesetzt wurde. "maiLab" informierte in rund 200 Videos Zuschauer über alltagswissenschaftliche Fragen in einem konversationellen Stil, nicht unähnlich den dominanten Vlogs dieser Ära auf Youtube.

In einem Video vor zehn Monaten kündigte Nguyen-Kim ihren Rückzug vom aktiven Youtube-Geschehen an. Eine neue Schwangerschaft mit geplanter Babypause, den Wechsel der zuständigen Redakteurin Melanie Gath weg vom SWR und die steigenden Ansprüche, qualitativ hochwertige Arbeit bei immer kürzer werdender Produktionszeit zu liefern, führte sie als Gründe für die Beendigung ihrer Onlinetätigkeiten an. Als Fernsehmoderatorin wolle sie weiter arbeiten, vor allem für die ZDF-Sendungen "Terra X" und "MAITHINK X". In einem unangekündigten Videostatement am Dienstag erzählte sie von ihrem Vorhaben, sich aktiv im politischen Geschehen zu engagieren.

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit

Das achtminütige Video beginnt mit einem sorgenvollen Appell. Nguyen-Kim mache sich Sorgen um die Zukunft Deutschlands, weil "es zunehmend schwieriger wird, eine kleinste gemeinsame Wirklichkeit" zu finden. Sie sieht einen Verfall in der deutschen Diskussionskultur und beschreibt das derzeitige Klima so: "katastrophal: Schwarz-Weiß, unterkomplex, unsachlich, aufgeregt, voller Scheinargumente und Beleidigungen". Diese Faktoren verstärkten die derzeitigen Krisen, die von populistischen Politikern, aber auch von den Medien und Algorithmen hervorgerufen würden. Aber auch "wir alle" seien schuld an der derzeitigen Krise, "weil wir uns so schön empören und weil wir klicken und verbreiten" und somit polarisierende Inhalte statt innovativer und wichtiger fördern.

STATEMENT.
maiLab

Zwischen den düsteren Zukunftsaussichten findet Nguyen-Kim zwei Lösungsansätze, die der deutschen Politik aus der derzeit kritischen Situation helfen sollen. Einerseits frischen Mut in der Kommunikation von Problemen und Herausforderungen und andererseits ein Maß an Sachlichkeit und Wissenschaftlichkeit in dieser Kommunikation sollen helfen, die "vernünftige Mehrheit" von Politikverdrossenheit zu befreien.

"Gentechnikhass" und "Technologieliebe"

Den derzeitig niedrigen Grad an Wissenschaftlichkeit kritisiert die promovierte Chemikerin mit Aussagen über den unverständlichen "Gentechnikhass" und die damit einhergehende "Homöopathie-Liebe" der grünen Partei oder auch die FDP mit ihrer "thermodynamisch fragwürdigen Technologieoffenheit". Diese mutwilligen Verzerrungen von im wissenschaftlichen Konsens angekommenen Sachverhalten sieht Nguyen-Kim als größtes Hindernis für die Diskussion wirklich wichtiger Themen. An den Bundeskanzler Olaf Scholz richtet sie die direkte Aufforderung: "Kommunikation ist ein sehr wichtiger Teil politischer Arbeit", und das beinhalte auch die Überbringung von schlechten Nachrichten, wie etwa bei der gerade so aktuellen Klimakrise.

Die Informationen zu ihrem zukünftigen politischen Engagement hält Nguyen-Kim aufgrund der zurückliegenden öffentlich-rechtlichen Kollaboration bewusst vage. Nur so viel: Ihr sei bewusst, dass man allein mit wissenschaftlichen Know-how noch nicht Politik machen könne. "Aber erstens: Manchmal ist es gar nicht so verkehrt, einen festgefahrenen Betrieb mit einem Außenseiterblick aufzuwirbeln. Und zweitens: Ich bin natürlich nicht allein." Sie habe über die letzten Monate viel Zeit in der deutschen Hauptstadt verbracht und konnte sich weiterbilden und ein starkes Team um sich aufbauen. (red, 15.2.2024)