Kanzler Karl Nehammer (ÖVP)
Geht es nach den Plänen der Partei von Kanzler Karl Nehammer, sollen Arbeitslose auch nicht mehr auf geringfügiger Basis dazuverdienen dürfen.
APA/ERWIN SCHERIAU

Vor kurzem wurde der Sprecher des Verbands der Schuldnerberatungen, Clemens Mitterlehner, im Ö1-Morgenjournal interviewt. Der Anlass war die Tatsache, dass die Privatinsolvenzen erneut gestiegen sind. Die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits sind nach dem Ende der Pandemie auch die entsprechenden Hilfen ausgelaufen, die Teuerungsraten sind eklatant gestiegen – und die schwächelnde Konjunktur lässt die Zahl der Arbeitslosen wachsen. Job- und damit Einkommensverlust, sagte Mitterlehner sinngemäß, sei seit Jahren der erste und wichtigste Grund, warum sich Menschen zunächst einmal verschulden. Denn: Wenn der Betrag, der monatlich auf dem Konto landet, plötzlich halbiert ist, müssen die Menschen ihre Reserven angreifen. Reichen diese nicht mehr aus, macht man Schulden.

So weit der Mechanismus, so weit die Warnung der Schuldnerberatung – verbunden mit den Hinweis, Hilfen müssten gezielter erfolgen, auch die Familien, die dranhängen, müssten stärker bedacht werden. Denn Armut – darauf läuft es bei langer Arbeitslosigkeit in den meisten Fällen hinaus – trifft vor allem die Kinder betroffener Familien.

Video: Die ÖVP präsentierte sich am Aschermittwoch als "Partei der Mitte".
DER STANDARD

Verschärfter Plan

Das alles weiß die ÖVP natürlich. Dennoch hat sie ihren Plan, das Arbeitslosengeld empfindlich zu kürzen, im Österreich-Plan noch einmal deutlich verschärft. Die sogenannte Nettoersatzrate soll, zeitlich abgestuft, am Ende unter 50 Prozent liegen. Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer will auf diese Weise Arbeitgebern ein Wahlzuckerl zukommen lassen. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Teil der Lohnnebenkosten, sollen spürbar gesenkt werden.

Damit hat die Kanzlerpartei bereits in einer Frühphase des Wahlkampfs klargemacht, wofür sie steht – beziehungsweise für wen sie sich nicht zuständig fühlt. Sie ist meilenweit entfernt von denen, die Hilfe brauchen, weil sie mit den zahlreichen ökonomischen Verwerfungen der vergangenen Jahre nicht zurande kommen. Denn das "Sahnehäubchen" obendrauf ist: Arbeitslose sollen auch nicht mehr auf geringfügiger Basis dazuverdienen dürfen. Das bringt weitere Problematiken mit sich: Viele Menschen können nicht einmal mehr in Privatinsolvenz gehen, weil sie sich Monat für Monat weiter verschulden – ein No-Go im Falle einer Privatinsolvenz. Was will die ÖVP also erreichen? Wer ohne Job ist, soll sich eben einen neuen suchen – egal, wie die Umstände rundherum sind.

Soziale Kälte

Eine steife Brise sozialer Kälte weht durch solche Planspiele – und eine höchst fragwürdige Vorstellung von den Erwerbstätigen in diesem Lande. Glaubt man ernsthaft, die große Mehrheit im Lande seien "Tachinierer", die nicht arbeiten wollen, die das Sozialsystem vorsätzlich ausnützen und in der Hängematte ruhen, während wenige Fleißige (hier vornehmlich Unternehmer) die Ärmel hochkrempeln, um die Wirtschaft noch einigermaßen am Laufen zu halten?

Das ist zu simpel – und beleidigt auch die Intelligenz potenzieller bürgerlicher Wähler. Schließlich gibt es auch einen Arbeitnehmerinnenbund der ÖVP, in dessen Namen einst Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rief: "Her mit der Marie!"

Verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik betrachtet beide Seiten und versucht einen ausgewogenen Kurs zu gehen.

Die Idee, das Arbeitslosengeld drastisch zu kürzen, fällt nicht darunter. (Petra Stuiber, 15.2.2024)