Es ist eine Statistik mit hoher Symbolkraft, die vor wenigen Wochen von den Marktforschern bei IDC verkündet wurde: Apple hat 2023 mehr Smartphones verkauft als irgendein anderer Anbieter, und das zum ersten Mal in der Geschichte. Seit dem Ende der Nokia-Ära stand immer Samsung an der Spitze dieses Rankings.

Eine Frage der Perspektive

Ein symbolischer Gewinn, der für den iPhone-Hersteller fraglos erfreulich ist, der sich mit einem Blick auf das Gesamtbild aber zunächst relativiert. Immerhin erzielt man diese Position mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent, anders gesagt: Auf 80 Prozent der weltweit verkauften Smartphones läuft ein anderes System, und zwar Googles Android.

Eine Android-Figur vor einem Apple-Logo
Apple hat bei Updates weiter die Nase vorn, aber es wird besser für alle.
Dado Ruvic / REUTERS

Das ist eine durchaus wichtige Anmerkung, gleichzeitig greift aber auch diese Betrachtungsweise zu kurz – verschleiert sie doch, was sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher zeigt: Android hat gerade im Premiumbereich ein immer größeres Problem, in westlichen Märkten ist Apple derzeit auf einem regelrechten Durchmarsch.

US-Dominanz pur

Blicken wir dazu zunächst in die USA, den für alle Hersteller wohl wichtigsten Markt – einfach weil dort die kaufkräftigsten Konsumentinnen und Konsumenten sitzen. Im vierten Quartal 2023 kam Apple dort laut Counterpoint Research auf einen Marktanteil von satten 64 Prozent. Fast zwei Drittel aller in diesem Zeitraum in den USA verkauften Smartphones waren also iPhones.

Nun ist bekannt, dass das iPhone aufgrund der jährlichen Veröffentlichungszyklen im Weihnachtsquartal immer besonders gut dasteht. Das ändert aber nichts daran, dass der Jahresvergleich ein starkes Wachstum zum Vorjahr zeigt. Da waren es nämlich noch "nur" 57 Prozent, die zum iPhone griffen. Vor allem aber wächst der Marktanteil von Apple in den USA seit Jahren kontinuierlich.

Südkorea: Samsung, oje

Doch schwenken wir von Apples Heimatland zu jenem von Samsung. Lange eine Hochburg des Galaxy-Herstellers, bröckelt diese mittlerweile zusehend. Gerade bei der jungen Zielgruppe sieht es immer schlechter für Samsung aus. 53 Prozent der Smartphone-User unter 30 Jahren nutzen bereits ein iPhone, hieß es vergangenen August. Darunter sehr viele Umsteiger, die also zuvor ein Android-Smartphone hatten.

In Europa ist der Trend ebenfalls äußerst erfreulich für Apple. Laut einer aktuellen Statista-Umfrage innerhalb Deutschlands gibt mittlerweile mehr als ein Drittel aller Befragten an, ein iPhone als Hauptgerät zu verwenden, deutlich mehr als in den Jahren zuvor.

Nur eine Firma macht das große Geld

Apple sichert sich dabei vor allem den besonders einträglichen Premiummarkt, und zwar mittlerweile fast schon im Alleingang, wie ein Blick auf die Geschäftszahlen der Konzerne eindrücklich zeigt: Samsung meldete als erfolgreichster Android-Gerätehersteller zuletzt einen Jahresgewinn von 1,9 Milliarden US-Dollar für seine Smartphone-Sparte im Jahr 2023.

Nur ein Hersteller macht viel Geld mit Smartphone-Verkäufen: Apple.
Macrumours

Das ist ein zweifellos nicht zu verachtendes Ergebnis, vor allem auch, weil man damit den Gewinn (wenn auch nicht zuletzt dank gestiegener Preise) sogar steigern konnte. Bei Apple denkt man sich bei solchen Zahlen aber wohl: "Eh lieb."

Mit dem iPhone hat Apple allein im Weihnachtsquartal 2023 einen Umsatz von 69,7 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Wie viel davon Gewinn war, verrät das Unternehmen zwar nicht, Analysten unterschiedlicher Institute schätzen die Gewinnmarge aber auf rund um die 30 Prozent ein. Apple verdient also mit Smartphones ein Vielfaches von Samsung. Dem südkoreanischen Unternehmen bleibt zumindest der Trost, dass man über den Verkauf von Komponenten auch bei der Konkurrenz sehr gut mitverdient, trotzdem ist das wohl nicht das, wo man hinwill.

Was ist mit den anderen?

Doch Android ist natürlich nicht Samsung allein, wie sieht es mit dem Rest aus? Vor einigen Jahren hatte es noch den Anschein, als würden chinesische Hersteller den Markt aufrollen. Davon ist heutzutage kaum mehr etwas zu bemerken. Gerade in westlichen Märkten spielen diese keine relevante Rolle mehr: Ja, Xiaomi hat etwa in Europa noch eine gewisse Relevanz, da reden wir aber vor allem vom Low-End-Bereich.

Ansonsten geben sich die chinesischen Hersteller in Europa und den USA derzeit sehr schaumgebremst. Seit Jahren wirkt es so, als will man gar nicht allzu erfolgreich sein, und unter der Hand ist von einzelnen dieser Firmen auch genau das zu hören: die Befürchtung, im Fall eines zu großen Erfolgs als Nächstes in den Fokus von US-Sanktionen zu kommen, wie sie vor einigen Jahren Huawei getroffen und außerhalb Chinas weitgehend in die Bedeutungslosigkeit gedrängt haben.

Ob das langfristig so bleibt, muss sich erst zeigen: Derzeit feiert man in China ja so etwas wie eine Wiederauferstehung von Huawei. Außerhalb Chinas zeigt diese aber noch sehr begrenzte Effekte, die fehlenden Google-Dienste bleiben der entscheidende Faktor. Unmöglich ist natürlich nichts, bezeichnend ist aber, dass Huawei gerade mit westlichen Medien derzeit generell lieber nicht über technische Weiterentwicklungen sprechen will.

Bis dahin gilt: Im Premiumbereich spielen die chinesischen Hersteller derzeit nicht die geringste Rolle. Zwar stellen Oppo, Vivo, Xiaomi und Co regelmäßig neue Topgeräte vor, meist wirken diese aber mehr als Techdemos denn als reale Produkte. Viele davon dürfte man jedenfalls nicht verkaufen.

Und Google selbst?

Bleibt noch Google selbst: Der Android-Hersteller dürfte die aktuelle Entwicklung bereits länger vorausgeahnt haben. Bereits vor einigen Jahren hieß es, dass Google seinem langjährigen Partner Samsung nicht mehr zutraut, gegen Apple bestehen zu können. Das soll auch einer der Gründe sein, warum Googles eigene Pixel-Smartphone-Reihe seit dem Pixel 6 deutlich stärker forciert wird.

Pixel 8 (Pro)
Google forciert zunehmend die eigene Pixel-Linie an Smartphones.
Proschofsky / STANDARD

Das hat dem Unternehmen einiges an Kritikerlob und auch den einen oder anderen Achtungserfolg beschert. So konnte man etwa zuletzt in Japan sogar dem iPhone Marktanteile wegschnappen. Global gesehen hält sich der Erfolg aber in Grenzen, gerade im wichtigen US-Markt scheinen die Marktanteile derzeit zu stagnieren, und das auf relativ niedrigem Niveau.

Abhängigkeiten

Derzeit sieht also alles nach einem Durchmarsch für Apple aus. Doch warum ist das eigentlich ein Problem für Google und Android? Bei Google ist diese Frage recht einfach zu beantworten: Es geht um nicht weniger als den Kern des eigenen Geschäftsmodells.

Android wurde nicht zuletzt als ein Vehikel zur Verbreitung von Google-Diensten erschaffen. Das Betriebssystem soll dafür sorgen, dass Google-Suche, Gmail oder auch Google Maps möglichst viel genutzt werden und so Werbe- oder zunehmend auch Abogeld in die eigenen Kassen spülen. Je wichtiger nun das iPhone wird, desto größer wird die Abhängigkeit Googles von Apple und dessen Entscheidungen. Sollte sich etwa Apple irgendwann einmal entscheiden, den milliardenschweren Deal zur Voreinstellung der Google-Suche auf iPhones zu beenden, könnte das Google hart treffen.

Dazu kommt, dass sowohl das Verhältnis zu Apple als auch das zu anderen Android-Herstellern zuletzt vermehrt das Interesse von Regulatoren auf sich gezogen hat. Probleme, die man mit eigener Hardware so nicht hätte, insofern ist durchaus zu verstehen, dass Google die Pixel-Reihe forcieren will. Gelingt das nicht, dürfte die Situation aber zunehmend schwieriger für den Android-Hersteller werden.

Ein echtes Android-Problem

Für Android als Ganzes ergibt sich aber noch eine ganze andere Gefahr: Der Premiumbereich ist es, der zu weiten Teilen die Entwicklung vorantreibt, und zwar nicht nur bei der Hardware, sondern auch bei Software und vor allem Apps.

Wenn ein immer größerer Teil der finanzkräftigen Kundinnen und Kunden zum iPhone wechselt, könnte sich für App-Entwickler irgendwann die Frage stellen, ob es sich noch rentiert, Android in vollem Umfang zu unterstützen. Das wiederum könnte eine Abwärtsspirale rund um Googles Betriebssystem auslösen.

Nun sind das Dinge, die nicht heute und auch nicht morgen anstehen. Klar ist aber auch: Können Google und andere Hersteller den aktuellen Trend nicht stoppen, ist die erwähnte Gefahr mittelfristig nicht auszuschließen.

Hoffnung auf KI

Das ist Google und seinen Partnern natürlich klar. Doch das Problem erfasst zu haben ist etwas anderes, als etwas dagegen unternehmen zu können. Derzeit scheint man das eigene Heil im Thema künstliche Intelligenz zu suchen. Ob das Pixel 8 oder Samsungs Galaxy S24, beide stellen dieses Thema ganz klar in den Fokus.

Samsung Galaxy S24 Ultra
Samsungs Galaxy S24 setzt ganz auf KI.
Proschofsky / STANDARD

Der Grund ist kein Geheimnis: Die Android-Hersteller meinen, hier eine Schwäche von Apple ausgemacht zu haben. Zwar nutzt auch das iPhone schon lange Maschinenlernen für viele Aufgaben, bei großen Sprachmodellen, bei generativer KI ist aber die Expertise Googles eine unbestritten ganz andere, hat man doch viele der Grundlagen dafür selbst entwickelt.

Alte Liebe, neu entflammt

Das erklärt dann auch, wieso Samsung dieser Tage seine Liebe zu Google neu entdeckt hat. Wo bei früheren Galaxy-Präsentationen schon einmal so getan wurde, als gäbe es Google gar nicht, war der Partner bei der Vorstellung des S24 omnipräsent. Einfach weil er jene Technologie liefert, die die Samsung-Geräte von denen Apples abheben soll.

Ob dieser Plan aufgeht, muss sich freilich erst zeigen. Denn auch wenn die Hersteller derzeit generative KI für das wichtigste aller Themen halten, einen Beleg dafür, dass dies auch die Kaufentscheidung der Smartphone-Interessenten beeinflusst, gibt es bislang nicht.

Apple schläft nicht

Dazu kommt, dass längst nicht klar ist, wie lange man diesen Vorteil überhaupt noch hat. Denn selbst wenn die Android-Welt hier einen technologischen Vorsprung haben mag, Apple ist bekannt dafür, aus all diesen Dingen auch gut funktionierende und sinnvolle Features zu bauen, wo bei Samsung gern einmal vieles wie ein begrenzt durchdachtes Gimmick wirkt.

Bereits vor einigen Wochen hat Firmenchef Tim Cook denn auch verlauten lassen, dass heuer noch diverse Features rund um generative KI für das iPhone kommen sollen. Eine für Apple sehr ungewohnte Vorankündigung, die natürlich auch zeigt, dass Apple diesen Bereich für einen Unsicherheitsfaktor für das eigene Geschäft hält – und Samsung und Google nicht komplett falsch liegen.

Ausgang: Offen

Bei Samsung hofft man jedenfalls dank KI-Hypes auf ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich bei den Verkäufen des S24 im Vergleich zum Vorgänger. Und auch Google wird wohl alles daransetzen, das kommende Pixel 9 mit KI-Features geradezu zu überschütten, um die Absätze anzukurbeln. Ob das reicht, um den aktuellen Trend umzukehren und so auch Android langfristig zu schützen, ist aber längst nicht gesagt – und eine der spannendsten Fragen der kommenden Jahre. (Andreas Proschofsky, 17.2.2024)