Zwettl/Wien – Die Erleichterung ist in Andreas Maringers Stimme zu hören. "Ein Verwaltungsjurist unterstützt ab sofort unsere Gemeinde", erklärt der ÖVP-Bürgermeister von Langschlag im Waldviertel dem STANDARD. Nicht nur Maringer, der neben seiner politischen Tätigkeit in der 1.700-Einwohner-Gemeinde auch als Lehrer unterrichtet, erhält in Zukunft rechtlichen Rat, sondern weitere 23 Gemeinden im niederösterreichischen Bezirk Zwettl. Sie greifen alle auf denselben Juristen zurück und kontaktieren diesen in rechtlichen Fragen. Der Grund dafür sei recht simpel: "Wir als Bürgermeister sind schlichtweg keine Juristen", betont Maringer.

Die Ära des "Dorfkaisers", der gesellig den Großteil seiner Zeit bedenkenlos im Wirtshaus verbringt, ist längst vorbei. Das Amt des Bürgermeisters ist schon länger mit einer höheren Aufgabenlast verbunden und auch heikler geworden. "Ein Bürgermeister ist wie ein Manager eines größeren Unternehmens, und das auch schon in kleinen Gemeinden", betont Walter Leiss, Generalsekretär des Gemeindebunds. In die Aufgabenbereiche des Bürgermeisters fallen etwa Kinderbetreuung, Schulerhaltung und Abwasserentsorgung. Darüber hinaus ist die Gemeinde Verwaltungs-, Bau- und Veranstaltungsbehörde.

Besonders heikel ist das Amt aber wegen der rechtlichen Verantwortung. Die Gemeinde ist unter anderem für Wege, die in ihrem Besitz liegen, verantwortlich. "Wegehalter" nennt man das. Stürzt und verletzt sich jemand zum Beispiel auf einer Brücke, die der Gemeinde gehört, kann der Bürgermeister haftbar gemacht werden. Selbiges gilt für Bäume auf Gemeindegrund: Fällt ein Ast auf einen Passanten, tragen der Bürgermeister und die Gemeinde die Verantwortung.

Am Gemeindeamt hat die Aufgabenlast in den vergangenen Jahren zugenommen.
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Nun sind weder die meisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister noch der Großteil der Mitarbeitenden in der Gemeindeverwaltung Rechtsexpertinnen oder -experten – die Zwettler Gemeinden wollen deshalb mit der Beschäftigung eines Juristen heikle Szenarien verhindern.

Dieser Jurist soll die Kommunen vorbeugend beraten. Denn: Kommt es trotzdem zu privat- oder zivilrechtlichen Verfahren gegen die Gemeinde – etwa zu Verletzungen auf Gemeindegrundstücken und daraus resultierenden Schadenersatzforderungen –, darf der angestellte Jurist nicht eingreifen. "Bei zivil- und privatrechtlichen Angelegenheiten können und dürfen im Rahmen der öffentlichen Verwaltung keine juristischen Tätigkeiten ausgeübt werden", betont Albrecht Mayerhofer, der den Gemeindeverband Zwettl leitet, in dem die betroffenen 24 Kommunen organisiert sind.

Vonseiten des Gemeindebunds hält man diese Entscheidung jedenfalls für sinnvoll. "Mitarbeiter der Gemeinde brauchen heutzutage schon viel rechtliches Know-how. Es ist natürlich eine Erleichterung, insbesondere auch für die Bürgermeister, wenn jemand angestellt ist, der eine Expertise im Rechtswesen hat", sagt Leiss. In großen Gemeinden und Städten sei es ohnehin üblich, dass Personen mit juristischer Ausbildung arbeiten. Insbesondere kleine Kommunen können sich jedoch laut Leiss die dauerhafte Anstellung einer Juristin oder eines Juristen nicht leisten. Oft ist es ein Verband aus mehreren Gemeinden, der eine Person anstellt, um sich die Kosten aufzuteilen – wie im Fall Zwettls.

Rechtliche Hilfe immer öfter gefragt

Die Anzahl der Gemeinden, die auf juristische Hilfe zurückgreifen, hat laut Gemeindebund in den vergangenen 15 Jahren deutlich zugenommen. "Auf die Bürgermeister und ihre Gemeinden kommen immer mehr Aufgaben zu. Sie sind auch zunehmend mit Klagen und Schadenersatzforderungen konfrontiert", begründet Leiss den Anstieg. Dazu kommen immer öfter Anfeindungen aus der Bevölkerung gegen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Das alles macht laut Leiss das Amt nicht einfacher.

Der Herausforderung, geeignete Gemeindevertreterinnen und -vertreter zu finden, müssen sich in den kommenden Monaten viele Gemeinden stellen. Am 10. März wird in über 100 Salzburger Kommunen das Ortsparlament gewählt, knapp einen Monat später wählt Innsbruck. Anfang 2025 steht dann in über 500 Gemeinden Niederösterreichs die Gemeinderatswahl an. Vielerorts wird es darum gehen, eine Nachfolge für die Ortsspitze aufzustellen – und ob sich genügend Personen finden, die sich trotz der hohen Aufgabenlast weiterhin für das Bürgermeisteramt bewerben wollen. (Max Stepan, 20.2.2024)