Der Digital Services Act gilt ab Samstag in seinem vollen Umfang auch für kleinere Plattformen.
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Frage: DSA, DMA, wer soll sich da noch auskennen, und wo ist überhaupt der Unterschied?

Antwort: Den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) kann man ruhigen Gewissens als Geschwister bezeichnen. Der Digital Services Act nimmt alle Internetplattformen ins Visier, während der Digital Markets Act den digitalen Binnenmarkt regelt. Das Ziel ist dasselbe: mehr Rechte für Nutzerinnen und Nutzer. Der DSA schützt eher Persönlichkeitsrechte, während der DMA Konsumenteninteressen vertritt und verhindern soll, dass Onlineriesen Quasi-Monopole schaffen.

Frage: Was regelt der Digital Services Act?

Antwort: Vereinfacht gesagt, soll der DSA vor Hass im Netz und Desinformation schützen. Im Prinzip gilt: Alles, was in der echten Welt verboten ist, ist auch im Netz verboten. Darunter fällt der Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen ebenso wie ein Werbeverbot gegenüber Minderjährigen. Dazu kommen noch die Weitergabe privater Bilder ohne Zustimmung (Stichwort Racheporno), Verstöße gegen das Urheberrecht und Cyberstalking.

Frage: Aber der DSA gilt doch schon, warum ist jetzt schon wieder vom Inkrafttreten die Rede?

Antwort: Ja, der DSA gilt für die 19 großen Plattformen (VLOPS) und zwei Suchmaschinen (Google und Bing) schon seit August 2023. Am Samstag wurde der DSA erweitert, er gilt jetzt für alle Onlineplattformen. Außerdem nehmen die Koordinatoren für den DSA in den einzelnen Mitgliedsländern ihre offizielle Arbeit auf.

Frage: Ich betreibe ein kleines Onlineforum mit 200 Mitgliedern. Unterliege ich dem DSA?

Antwort: Nein. Plattformen mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von unter zehn Millionen Euro sind ausgenommen. Als "klein" definiert die EU-Kommission nämlich Marktplätze wie eBay, das Social-Network Bereal oder die UGC-Plattform Onlyfans. Dazu kommen noch Internetserviceprovider, Hosting- und Vermittlungsdienste. Eine Ansprechperson sollte man bei seiner eigenen kleinen Plattform dennoch benennen, aber die ist ja ohnehin im Impressum einer Seite vorgeschrieben.

Frage: Wer kümmert sich in Österreich um die Durchsetzung des DSA?

Antwort: Wie jedes andere Mitgliedsland hat auch Österreich einen Koordinator für den DSA ernennen müssen. Die Medienaufsicht Komm Austria wird diese Rolle übernehmen. In anderen Ländern sind es übrigens auch Telekom-Behörden oder Wettbewerbshüter, die diese Aufgabe erfüllen. Einmal im Monat treffen sich die Koordinatoren und beraten über Maßnahmen. Gleichzeitig dient die Versammlung der Koordinatoren als Beratergremium für die EU-Kommission. Diese ist es nämlich, die für die VLOPs und Suchmaschinen zuständig ist.

Die Instagram- und Facebook-Mutter Meta ist einer der VLOPs und unterliegt daher besonderen Auflagen.
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Frage: Moment, nationale Behörden und die Kommission selbst mischen da mit. Da kann doch nur ein Chaos entstehen, oder?

Antwort: Aus Sicht der Union macht diese Aufteilung sehr wohl Sinn. Nationale Aufsichtsbehörden von kleinen oder mittelgroßen Staaten wären in der Konfrontation mit Google, Microsoft und Apple wohl sehr schnell überfordert. Meistens verfügen sie nur über eine geringe einstellige Zahl von Mitarbeitern. Da ist es nur logisch, dass die Kommission diese Aufgabe übernimmt. Gleichzeitig haben die lokalen Koordinatoren den Überblick über den viel kleineren Markt in Ländern wie Österreich.

Frage: Die wichtigste Frage: Wie betrifft mich der DSA?

Antwort: Im Idealfall gar nicht. Vergleichbar ist das mit dem Strafrecht: Die meisten Menschen werden nie damit in Kontakt kommen, aber es ist trotzdem wichtig, dass es Regeln gibt. Wer selbst Opfer von Hassnachrichten, Gewaltandrohungen oder Ähnlichem wird, der kann sich an die KommAustria wenden. Hier geht es zum Beschwerdeportal. Gegen den Urheber oder die Urheberin muss man dennoch selbst Anzeige bei der Polizei erstatten, die Aufsichtsbehörde ist dafür da zu prüfen, ob die Plattformen korrekt handeln. Gleichzeitig kann man sich auch beschweren, wenn die eigenen Inhalte zu Unrecht gelöscht wurden.

Frage: Ist der DSA also das Wahrheitsministerium aus George Orwells "1984"?

Antwort: Nein. Denn der DSA regelt nicht, was verboten ist und was nicht, diese Regeln gibt es schon lange, und zwar im bereits erwähnten Strafrecht. Wenn jemand behauptet, ein Politiker sei in Wahrheit ein kindesmissbrauchender Adrenochrom-Echsenmensch, dann ist es nicht die EU-Kommission, die gegen den Poster vorgeht. Die EU-Kommission überwacht, ob die Plattformen illegalen Inhalt korrekt wegmoderieren. Einem anderen Menschen Kindesmissbrauch zu unterstellen ist verboten, also wird die Plattform im Idealfall das Posting binnen 24 Stunden löschen und den Urheber von der Plattform verbannen. Gleichzeitig muss aber dargelegt werden, warum diese Entscheidung erfolgt.

Auch Pornhub gilt mittlerweile als große Onlineplattform.
AFP/LIONEL BONAVENTURE

Frage: Warum ist es wichtig, dass Betroffene informiert werden, wenn ihre Inhalte entfernt wurden?

Antwort: Wenn ein Inhalt wegmoderiert wurde, dann muss das begründet werden. In einem sogenannten Statement of Reasons müssen die Plattformen darlegen, warum sie welche Maßnahmen ergriffen haben. Diese Informationen müssen auch öffentlich sein, denn sie erfüllen einen zweiten Zweck: Sie dienen der Wissenschaft. Forschungsteams aus der ganzen Welt können die Daten auswerten. Aus diesen Analysen sollen anschließend gezielte Maßnahmen gegen Hatespeech und Desinformation abgeleitet werden. Insgesamt wurden Stand Freitag 4,4 Milliarden Statements of Reasons verschickt. Wer möchte, kann sich den kompletten Datensatz hier herunterladen.

Frage: Es ist immer wieder die Rede von "Trusted Flaggers". Was heißt das?

Antwort: Trusted Flaggers sind so etwas wie die Gangaufsicht in der Schule. Wenn diese eine Meldung machen, dann müssen die Plattformen besonders schnell reagieren. Die nationalen Aufsichtsbehörden können derartige VIP-Melder ernennen. Das ist auch für die Plattformen wichtig. Denn sie sollen wissen: Kommt eine Meldung von einem Trusted Flagger, dann hat die Beschwerde wohl Hand und Fuß – und es ist eilig.

Frage: Aber ist der DSA nicht schon veraltet? Schließlich kann mittlerweile jeder KI-Inhalte generieren, die von wahrem Content nicht zu unterscheiden sind.

Antwort: Das stimmt zum Teil. Als die ersten Details des DSA im Jahr 2020 ausgearbeitet wurden, war die Gefahr von generativer künstlicher Intelligenz (KI) noch nicht so präsent. In diesem Bereich wird der DSA nun auch nachgeschärft. Bis März müssen die Plattformen darlegen, wie sie mit KI-Fakes umgehen. An einer konkreten Formulierung wird aktuell gearbeitet.

X, vormals Twitter, gilt als das große Sorgenkind. Die Plattform von Elon Musk soll laut EU-Kommission systematisch gegen den DSA verstoßen.
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Frage: Wie kann ich erfahren, welche Inhalte die Plattformen entfernen?

Antwort: Die großen Plattformen müssen sogenannte Transparency-Reports veröffentlichen. Sieht man sich etwa den Bericht eines der größten sozialen Medien wie Instagram an, dann bekommt man auch einen guten Einblick, wie groß das Problem der Hassrede wirklich ist. So erhielt die Plattform allein 64.966 Hinweise auf Diffamierungen innerhalb eines halben Jahres. Über 12.000 Postings wurden letztendlich vollständig gelöscht. Das waren nur die Beiträge, die dem Moderationssystem entgangen waren. Insgesamt wurden nämlich fast 900.000 Fälle von Belästigung registriert. Im Schnitt wurden verbotene Inhalte innerhalb von 20,4 Stunden entfernt. Auch diese Daten dienen letztlich der Forschung.

Frage: Was interessiert große Plattformen aus den USA und China, was wir in Europa beschließen?

Antwort: Die Europäische Union ist einer der größten freien digitalen Märkte der Welt, kaum eine Plattform kann es sich erlauben, hier nicht stattzufinden. Gleichzeitig drohen bei Verstößen gegen den DSA Strafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Da kommen sehr schnell sehr große Milliardenbeträge zusammen. Aktuell läuft ein solches Verfahren übrigens gegen X, vormals Twitter. Die EU-Kommission wirft der Plattform von Elon Musk vor, systematisch gegen die europäischen Regeln zu verstoßen. (Peter Zellinger, 17.2.2024)