"Lieber Michi! Bitte möglichst wenig per Mail senden“: Dass Nachrichten wie diese bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aufschlagen, scheint in Österreich langsam zur Tradition zu werden.

Doch während in den vergangenen Jahren vor allem die Chats des Spitzen-Finanzbeamten und späteren Staatsholding-Chefs Thomas Schmid für Aufregung sorgten („Ich habe heute alles gelöscht bei Whatsapp. Genial“), ist es dieses Mal die Kommunikation des milliardenschweren Investors Michael Tojner, die Fragen aufwirft.

Die Bitte, die Krone-Chef Christoph Dichand im Februar 2019 an den "lieben Michi" übermittelte, kam jedenfalls zu spät: In den Jahren zuvor hatten Tojner, Christoph und Eva Dichand etliche Male einander Mails geschickt. Etwa über Berichterstattung in den Dichand-Blättern Heute und Krone oder über den gemeinsamen Versuch, bei der B&C-Privatstiftung einzusteigen, um deren Industriebeteiligungen zu vergolden.

Der ewige Heumarkt-Streit

Strafrechtliche Verdachtsmomente lösen die Inhalte der E-Mails nicht aus. Sie zeigen aber, wie sich Tojner über seine Beziehung zu den Dichands positive Berichterstattung in Krone und Heute bestellen wollte. Da ging es vor allem um sein Projekt Am Heumarkt. So hässlich wie der Heumarkt ist rund um den Wiener Ring höchstens noch der Auslauf des Schwedenplatzes; darin sind sich fast alle Beobachter einig.

Investor Michael Tojner und sein politisch umstrittener Heumarkt
Grafik: Fatih Aydogdu

"Ein scheußlich totes Eck von Wien", wie Eva Dichand in einer Anfragebeantwortung an den STANDARD, ORF und den Podcast "Die Dunkelkammer" schrieb. Weniger Konsens herrschte allerdings über Tojners Pläne. Der wollte zwischen Hotel Intercontinental und Konzerthaus einen Wohnturm bauen, die Stadt Wien genehmigte das auch.

Doch die Unesco warnte, dass die Innere Stadt den Status als Weltkulturerbe verlieren würde, sollte der Turm eine Höhe von 43 Metern überschreiten. Jedes geplante Stockwerk wurde quasi zum stadtpolitischen Zankapfel, der besonders bei den Grünen für Zwist sorgte. Die damalige Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou unterstützte das Projekt, der Klubobmann der Grünfraktion im ersten Bezirk, Alexander Hirschenhauser, machte dagegen mobil. Die SPÖ war geschlossen für das Projekt, wie der damalige Bürgermeister Michael Häupl betonte; der damalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache drohte dagegen mit dem Gang vor das Höchstgericht, um Wiens Stadtbild zu "retten".

Bitte ein "netter Bericht"

Vor dieser Gemengelage sind etliche E-Mails von Tojner an Christoph und Eva Dichand zu sehen, in denen er für positive Berichterstattung in Krone und Heute intervenierte. Er bat um einen "netten Bericht" in Heute, um ein Machtwort in der Krone-Redaktion und trug offenbar Ideen für politische Kampagnen an die Dichands heran – als Austausch zu politischen und gesellschaftlichen Themen mit befreundeten Unternehmern bezeichnete das Tojners Anwalt auf Anfrage.

Was in den Mails zu lesen ist: Man solle etwa Michael Ludwig als Nachfolger Michael Häupls unterstützen, eine Kampagne für Vassilakou aufsetzen und deren parteiinterne Kritiker herunterschreiben, sinnierten Tojner und eine Mitarbeiterin. Waren die Bitten erfolgreich? Der Kritiker, der heruntergeschrieben werden sollte, kann sich jedenfalls an keine Negativkampagne erinnern. Aus dem Umfeld von Vassilakou heißt es, sie sei damals eher "Nobody’s Darling" gewesen, Absprachen über positive Berichterstattung seien strikt auszuschließen.Christoph Dichand reagierte auf eine umfangreiche Anfrage nicht; Eva Dichand dafür umso deutlicher.

"Substanzlose Anschuldigungen"

Sie verbringe oft den ganzen Tag mit Terminen, wo Privatpersonen oder Politiker Unterstützung für ihre Ideen oder Projekte haben wollen. "Oft machen wir uns lustig darüber, was alles versucht wird zu intervenieren", so Eva Dichand. "Wir sind ein privates Medium und werden auch in Zukunft nicht unsere Blattlinie mit Wünschen/Vorwürfen und substanzlosen Anschuldigungen anderer Medien verändern."

Der langjährige Heute-Chefredakteur Christian Nusser betonte, man habe wenig über den Hochhausstreit berichtet, "und schon gar nicht tendenziös". Auch rund um die Vorsitzwahl der SPÖ Wien, bei der Ludwig gegen Andreas Schieder angetreten sei, sei man ausgewogen gewesen."Was Interventionen betrifft, darf ich meine diesbezügliche Haltung als bekannt voraussetzen."

Tojner
Investor Michael Tojner kämpft nach wie vor um sein Projekt "Am Heumarkt"
HARALD SCHNEIDER / APA / picture

Tojner selbst schrieb in den sichergestellten E-Mails, dass jeder "Bitttermin bei den Dichands" für ihn ein "Alptraum" sei. Gemeinsam mit seiner PR-Chefin, die in der Medienbranche gut vernetzt ist, machte sich Tojner allerdings auch Gedanken rund um Interventionen bei den Grünen. Als die parteiinterne Abstimmung zum Heumarkt bevorstand, beriet sich Tojners Mitarbeiterin offenbar mit ihrem "Freund Hansi Arsenovic", damals Sprecher der Grünen Wirtschaft und mittlerweile Abgeordneter in Wien. Er habe ihr geraten, dass Tojner keine Kampagne aufsetze, diese sei vielleicht "kontraproduktiv".

"V unterstützen"

Der Investor antwortete, er sei "überrascht, dass V das will" – also Maria Vassilakou –, und bat seine PR-Frau, auf dem "kleinen Dienstweg mit der Krone" zu reden: "Sie sollen die V unterstützen." Die enge Beziehung zwischen Tojner und Teilen der Grünen ist keine Überraschung, sie war sogar schon Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens.

Da ging es um die Frage, ob Tojner – wie zahlreiche andere Bauunternehmer, etwa Signa-Gründer René Benko – sich mit Spenden an dessen Charity-Verein Einfluss beim langjährigen grünen Planungssprecher Christoph Chorherr verschaffen wollte. Alle Beteiligten bestritten das, wenngleich Chorherr sinngemäß eine schiefe Optik einräumte. Vor Gericht wurden alle Angeklagten freigesprochen; für Tojner, Chorherr und einige andere geht es allerdings in die nächste Instanz, der Freispruch für Benko ist rechtskräftig.

Es ist nicht das einzige Verfahren gegen Tojner. Seit Jahren wird ihm vorgeworfen, das Land Burgenland betrogen zu haben. Da geht es um den Kauf von Genossenschaftswohnungen, die Tojner angeblich über Strohmänner und Firmen erworben habe. Das Land beziffert den Schaden auf mehr als 160 Millionen Euro, Tojners Anwalt weist die Vorwürfe "auf das Schärfste" zurück. Freunde werden der Investor und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) jedenfalls nicht mehr.

Eva und Christoph Dichand
Immer wieder versuchte Tojner, die Berichterstattung bei Medien des Verlegerpaars Dichand zu beeinflussen
imago images / SKATA

Da passt es, dass es zwischen Doskozil und Ludwig SPÖ-intern immer wieder gekracht hat. Und, dass sich Doskozil vom Präsidium des SK Rapid verabschiedete, als Tojner dort um mehr Einfluss rang und sogar selbst Präsident werden wollte – ein Ziel, für das er ebenfalls Unterstützung von Heute und Krone wollte. Untersuchte Berichterstattung Auch die Dichands müssen sich mit Ermittlungen herumschlagen. Die WKStA wirft ihnen einen Deal mit dem Team rund um den damaligen ÖVP-Chef Sebastian Kurz vor: positive Berichterstattung im Abtausch für Inseratengeld und Einfluss auf eine Reform des Privatstiftungsrechts.

Schmid, der "Lausbub"

Auch das weisen die Beteiligten zurück; zuletzt sollte eine von Heute mitfinanzierte Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien belegen, dass in der Berichterstattung der Dichand-Blätter keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Tageszeitungen zu erkennen seien. Belastet werden die Dichands hingegen durch den langjährigen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, mit dem man einst eine Freundschaft pflegte.

Wobei man wieder bei Chats und E-Mails angelangt wäre. Denn schon 2019 sorgte Schmid für Ärger bei Tojner, der damals mit den Dichands und anderen Unternehmern eine Übernahme der B&C-Stiftung plante. Schmid, damals frischgekürter Öbag-Chef, hatte allerdings selbst Appetit für die Industrieholding entwickelt. Ein "Lausbub" sei Schmid, schrieb Tojner an die Dichands. Mittlerweile ist der Lausbub zum potenziellen Kronzeugen geworden. (Fabian Schmid, David Krutzler, 17.2.2024)