Der große Abwesende war auch am Samstag auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz in aller Munde. Er habe Donald Trump natürlich eingeladen, damit er sich ein Bild vom "echten Krieg" in seinem Land machen könne und ihn "nicht nur auf Instagram" sehe, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem Podium des Hotels Bayerischer Hof. Und: "Ich würde mit ihm an die Front fahren." Doch bisher habe er keine Antwort von dem wahrscheinlichen republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten bekommen.

Selenskyj in München auf der MSC
Selenskyj macht auf seiner Blitztour durch Europa auch in München halt.
REUTERS/WOLFGANG RATTAY

Selenskyj, der am Vortag in Berlin bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war und sich von diesem bilaterale Sicherheitsgarantien abholte, übte sich aber auch in Nüchternheit: Der Mangel, der in den Reihen der ukrainischen Armee an Waffen herrsche, stärke letzten Endes den russischen Machthaber Wladimir Putin. Sein Land werde in einem "künstlichen Defizit" gehalten, was den Zugang zu Artilleriemunition und weitreichenden Waffensystemen betrifft, sagte Selenskyj.

Leben von Soldaten geschont

Der Rückzug aus der langjährigen Donbass-Bastion Awdijiwka, den der neue Armeechef Oleksandr Syrskyj am Samstag verkündete, sei ein erstes Resultat davon, erklärte Selenskyj. Mit dem, wie wie die Armee zuvor betont hatte, vorübergehenden Abrücken sollte das Leben der ukrainischen Soldaten geschont werden, fügte Selenskyj an. Fast zehn Jahre lang war der Vorort der Separatistenhauptstadt Donezk von ukrainischen Truppen gehalten und zur Festung ausgebaut worden. Die russische Armee hatte im vergangenen Herbst unter großen Verlusten begonnen, die Stadt einzukesseln.

"Fragen Sie nicht die Ukraine, wann der Krieg endet", bat der ukrainische Präsident das hochrangig besetzte Münchner Publikum, in dem sich neben – unter anderen – Dutzenden US-Kongressabgeordneten auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg befand: "Fragen Sie sich stattdessen selbst, warum Putin ihn noch immer fortsetzen kann."

Keine Taurus-Zusage

Der deutsche Kanzler Scholz, der vor Selenskyj auf dem Podium sprach, wollte die sachte Kritik aus dem Munde des ukrainischen Präsidenten, was die seit Monaten von Kiew erbetene Lieferung von weitreichenden Waffen betrifft, nicht kommentieren. Deutsche Taurus-Marschflugkörper stehen auf der Wunschliste Selenskyjs weit oben, Scholz ließ sich auch in München nicht zu konkreten Zusagen hinreißen. Auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum sagte er schlicht, Deutschland sei bereits der zweitgrößte Waffenlieferung der Ukraine, andere europäische Länder müssten endlich aufschließen. Und: "Schritt für Schritt entscheiden wir dann je nach Lage, was getan werden muss zum richtigen Moment." Sein Land werde jedenfalls in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren, schließlich sei "ohne Sicherheit alles andere nichts".

"Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es (Russlands Präsident Wladimir) Putin gelingen, die Welt zu einer Katastrophe zu machen", sagte Selenskyj wenig später. Tatsache sei, dass nicht nur sein Land von Russland bedroht werde, sondern ganz Europa und mittelbar auch die Welt. Russland habe nur einen entscheidenden Vorteil: "Menschliches Leben hat keinen Wert für den russischen Staat." Putin töte, wen auch immer er will, sagte der ukrainische Präsident mit Blick auf den Tod des Oppositionellen Alexej Nawalny in russischer Lagerhaft, der am Freitag den ersten Tag der Sicherheitskonferenz überschattet hatte. Dies sei eine klare Botschaft des Kremls an die Münchner Tagung gewesen: "Putin ist eine Gefahr für alle freien Nationen." Nawalnys Ehefrau Julija Nawalnaja hatte am Vortag spontan im Anschluss an die Rede von US-Vizepräsidentin Kamala Harris in München das Mikrofon ergriffen und Putin den Kampf angesagt.

Schallenberg zu Nawalny-Tod

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte vor Journalisten in einem Münchner Café, dass er sich zwar nicht an Verschwörungstheorien zum Tod Nawalnys beteilige, doch sei klar, "dass es einen Giftanschlag auf ihn gab, dass er in den Gulag gesteckt wurde" und dass "wir wissen welches Regime versucht hat, seine Gesundheit zu zerstören." (Florian Niederndorfer aus München, 17.2.2024)