Babler SPÖ ÖVP Pelinka
SPÖ-Chef Andreas Babler während des politischen Aschermittwochs der SPÖ am 14. Februar in der Eventhalle Zechner in Kobenz in der Steiermark.
APA/ERWIN SCHERIAU

Innsbruck/Wien – Der renommierte Politologe und intime SPÖ-Kenner Anton Pelinka sieht nach der parteiinternen Kritik von SPÖ-Sozialsprecher und FSG-Vorsitzendem Josef Muchitsch an Parteichef Andreas Babler ungemütliche Zeiten für Letzteren anbrechen. Die Ansagen des mächtigen Gewerkschafters hätten nunmehr ein "eigenes und neues Gewicht", er sehe eine "Unzufriedenheit mit dem Vorsitzenden", sagte Pelinka im APA-Gespräch: "Es wurde ihm die Rute ins Fenster gestellt."

Er orte zwar derzeit noch keine "unmittelbare Gefahr", dass Babler demnächst parteiintern weggeputscht werden könnte oder sich mit einer offenen Führungsdebatte konfrontiert sehe, aber: Sollte die SPÖ bei der kommenden EU-Wahl nicht "deutlich den zweiten Platz" einfahren, sei es "zwar eher unwahrscheinlich, aber durchaus möglich", dass die Frage der Parteiführung und Spitzenkandidatur bei der Nationalratswahl noch einmal neu bewertet werde. Wenngleich die Zeit in diesem Fall doch Babler in die Hände spiele – schließlich seien es dann nur mehr drei Monate bis zur wohl Ende September stattfindenden Nationalratswahl. Komme aber ein solches Ergebnis, nämlich ein Verpassen des zweiten Platzes, auch bei der Nationalratswahl heraus, dann spätestens sei Babler jedenfalls "realistisch in Gefahr".

"Nicht die erwarteten Erfolge gebracht"

Muchitsch hatte sich unter anderem für eine Korrektur des Markenprofils seiner Partei sowie Bablers ausgesprochen und dem Vorsitzenden eine wirtschaftsfreundlichere Positionierung an Herz gelegt. Diese Aussagen seien "Ausdruck dessen, dass Babler bisher nicht die erwarteten Erfolge gebracht hat", so Pelinka, der unter anderem jahrzehntelang an der Universität Innsbruck gelehrt hatte. Es handle sich zudem auch um eine "klare Abgrenzung von Kompetenzen". Die FSG als größte Fraktion im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) sei es gewohnt, dass "aus eigenem Lohnpolitik gemacht wird". Dies habe bisher noch jeder Bundesparteivorsitzende der SPÖ akzeptiert beziehungsweise akzeptieren müssen.

Darüber hinaus gab Pelinka Muchitsch recht, dass man mit einer klassisch linken Politik in Österreich nicht Wahlen gewinnen könne beziehungsweise in dem Ausmaß reüssieren könne, wie es der Anspruch der Sozialdemokratie sein müsse. Babler habe dies "wahrscheinlich zwar begriffen", aber er habe es bisher nicht "in politische Ansagen ummünzen" können. In diesem Zusammenhang sprach der Politologe von "Träumereien" von einer "Ampel" (also einer Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos, Anm.), die keine Aussicht auf eine Mehrheit in Österreich habe: "Das ist ein Traumgebilde." Die SPÖ müsse sich dessen bewusst sein: Nur wenn sie ein Abkommen mit der ÖVP schließe, habe sie eine Chance, wieder in die Regierung zu kommen.

Rot-schwarze Avancen

"Sonst bleibt sie Daueroppositionspartei", sagte Pelinka weiter. Wahrscheinlich müsse auch noch ein dritter, kleinerer Partner hinzugenommen werden. Die ÖVP befinde sich zwar "im Abstieg", habe aber in puncto Koalitionsbildung strategisch "alle Trümpfe in der Hand". Ohne Volkspartei könnten weder die FPÖ noch die SPÖ eine Koalition schmieden. Daher könne er entsprechende Schwarz-Rot- oder Rot-Schwarz-Avancen von SPÖ-Granden wie Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser oder Wiens Bürgermeister Michael Ludwig natürlich nachvollziehen und nur unterstreichen.

Babler habe zwar eine Koalition mit der ÖVP nicht dezidiert ausgeschlossen, aber sich doch deutlich reserviert gezeigt. "Das hängt ihm sicher noch nach", diagnostizierte der Experte.

FPÖ-Zusammenarbeit

Eine rote Zusammenarbeit mit der FPÖ, wie sie Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nicht "per se" ausschließt, sah Pelinka weiter nicht am Horizont. Dies würde die SPÖ auf Bundesebene "eindeutig zerreißen". Die von Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky ausgerufene "Vranitzky-Doktrin" – also keine Koalition mit den Freiheitlichen – habe in der SPÖ nach wie vor eine Mehrheit, zeigte sich Pelinka überzeugt.

Nach derzeitigem Stand rechne er damit, dass FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl die Freiheitlichen – sollte nicht noch "Ungewöhnliches passieren" – erstmals in der Geschichte Österreichs zur stimmenstärksten Partei machen wird, erklärte der Politikwissenschafter. Doch dann gehe es um das Zimmern einer parlamentarischen Mehrheit. Er gehe davon aus, dass viele in der ÖVP zwar nicht mit Kickl koalieren wollen, aber sehr wohl mit der Freiheitlichen Partei. Pelinka glaubte zudem, dass es zumindest nicht ausgeschlossen sei, dass Kickl doch noch einen Rückzieher machen könnte, sich mit ÖVP-Unterstützung etwa zum Nationalratspräsidenten wählen lässt und jemand anderer Kanzler wird. Ob der FPÖ-Chef einen solchen Rückzieher wie Jörg Haider vollziehen wird, das bleibe jedenfalls eine der großen, spannenden Fragen.

Der angesprochene SÖ-Chef hat die parteiinterne Kritik von Josef Muchitsch vergangene Woche zurückgewiesen. "In der Partei muss man sich erst gewöhnen, dass jemand Neuer an der Spitze steht, der angetreten ist, um ein klares Profil vorzugeben", erklärte er am Rande einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag. Auf die Kritik eines anderen Sozialdemokraten angesprochen, sagte Babler in einem Gespräch mit der "Kronen Zeitung", dass ein Aufbruch "immer auch Reibereien" bedeute. Konkret angesprochen worden war Babler dabei auf die Aussagen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Doskozil hatte zuvor entgegen der SPÖ-Bundesspitze eine Koalition mit der FPÖ nicht ausgeschlossen und eine Asylobergrenze gefordert. Babler konterte, er fühle sich von parteiinternen Querschüssen "ein bisschen" gelangweilt: "Ich habe die Erneuerung der Sozialdemokratie gestartet. Ich mache Politik für die Menschen und nicht für ein paar gekränkte Egos", sagte der SPÖ-Chef der "Krone" am Sonntag. (APA, red, 19.2.2024)