Die Stammbar: Auf ein Bier mit Favoritnern und Favoritnerinnen

Fragt man Marko Mićić, dann sollte die Welt draußen so sein wie jene hier drinnen. Draußen, das ist der Zehnte, und drinnen sein Lokal: das Reumann, einen Steinwurf vom Reumannplatz entfernt. Das Publikum bestehe "zu 60 bis 70 Prozent aus Wienern", sagt Mićić. "Dann bediene ich noch 25 unterschiedliche Nationalitäten." Mićić floh 1992 vor dem Krieg aus Bosnien nach Wien, 2018 übernahm er die Bar von seinem Vater. "Hier kommen alle miteinander aus, weil sich alle an die Regeln halten." Draußen sei das anders: "Im Zehnten wollen sich zu wenige an die Regeln halten." Das treffe allen voran auf jene zu, die zugewandert seien, so sieht es Mićić, der sich als "passionierten Favoritner" bezeichnet. So sehen das auch die Wiener Pensionistin Gabriele (65) und Anna (59), Krankenschwester aus Polen.

Beide sagen, sie trauten sich nachts allein nicht hinaus, das sei früher anders gewesen. Danijela Paunović (36), aus Serbien und Kellnerin im Reumann, sagt, sie liebe Favoriten. Kurz habe sie in Ottakring gelebt, habe jedoch gleich wieder zurückgewollt, aber: "Schmutziger" sei es hier geworden. Marianne (73), Burgenländerin, ist zufällig im Zehnten gelandet, aber hier glücklich, weil im Pensionistenverein so viel unternommen werde. Und Wolfgang (61), Ur-Favoritner und ebenso in Pension, sagt, das Image des Bezirks sei immer schon schlecht gewesen, es ärgere ihn deshalb nicht. Nicht alles an der Kritik sei aus der Luft gegriffen, aber vieles übertrieben. Die Welt sei aber gerade in Favoriten noch in Ordnung: "Eigentlich ist es draußen wie hier, es funktioniert bis auf ein paar Störenfriede doch eh gut."

Reumannplatz Bar Reumann Favoriten
Barbesitzer Marko Mićić, Kellnerin Danijela Paunović und Gast Wolfgang.
Regine Hendrich

Die berüchtigten Plätze: Über Alkohol, Drogen und Beziehungsarbeit

Favoriten ist der Bezirk mit den meisten Grünflächen, aus dem eine Reihe von Kabarettisten stammen, außerdem die stadtbekannten Eismarillenknödel und in dem das erste, nach dem Vorbild Barcelonas errichtete "Supergrätzel" mit Verkehrsberuhigung und vielen Bäumen entstand. Bekannter als all das sind aber gemeinhin: Kepler- und Reumannplatz. Wegen der dort abhängenden Gruppen vor allem junger Männer, wegen des Alkohols, des teils unverhohlenen Dealens mit Drogen, des aufs Gras geworfenen Mülls, des öffentlichen Urinierens.

Guido Fritz ist oft an beiden Plätzen unterwegs, er leitet das elfköpfige Team der mobilen sozialen Arbeit der Suchthilfe Wien, das den Hauptbahnhof und andere Orte in Favoriten aufsucht. Fritz sagt, das Problem seien Suchterkrankungen und die Perspektivlosigkeit marginalisierter Menschen, die keinen anderen Ort zum Abhängen hätten als den öffentlichen Raum: "Unser Ziel ist, das sozial verträgliche Miteinander zu fördern." Er zeigt Verständnis für so manche Sorge und Verunsicherung. Die meisten Auseinandersetzungen fänden aber zwischen einzelnen Gruppen statt. Eine Bedrohung für Außenstehende sieht Fritz "nicht wirklich". Das schlechte Image des Bezirks hält er für "teilweise ungerechtfertigt, da werden Einzelmeldungen schon mal ordentlich aufgebauscht". Viele betreute Menschen hier stammten aus Ost- und Südosteuropa, zuletzt seien vermehrt Menschen aus dem arabischen Raum hinzugekommen. Mit jedem Ankömmling müsse erst einmal eine Beziehung aufgebaut werden. Das dauere, sei aber nötig, damit sich ein Suchtverhalten ändern könne.

Favoriten Reumannplatz Keplerplatz Guido Fritz
Guido Fritz leitet das elfköpfige Team der mobilen sozialen Arbeit der Suchthilfe Wien, das den Hauptbahnhof und andere Orte in Favoriten aufsucht.
Regine Hendrich
Tichy Eismarillenknödel Reumannplatz Favoriten
Die stadtbekannten Eismarillenknödel des Eissalons Tichy am Reumannplatz.
Regine Hendrich

Der Fußballklub: Im Traditionsverein, in dem es nicht nur um Sport geht

Fußball ist in Favoriten tief verwurzelt. So viele ehemalige Nationalspieler stammen aus dem Zehnten, dass der Schriftsteller Friedrich Torberg den Bezirk als "Kornkammer des österreichischen Fußballs" bezeichnete. Favoriten ist die Heimat von Austria Wien und einer Reihe traditioneller Vereine. Der Favoritner Athletikclub (FavAC) ist einer von ihnen, laut Eigendefinition sogar "der letzte urwüchsige Favoritner Traditionsklub von sportlicher Bedeutung". Didi Constantini und Peter Stöger spielten einmal hier. Mikica Miladinović fing als Nachwuchstrainer beim FavAC an, seit zehn Jahren ist er Obmann des Vereins. Er wohnt um die Ecke, seine Frau und sein Sohn helfen in der Kantine der Spielstätte aus.

17 Nationalitäten zählt Miladinović allein in der Mannschaft auf, dazu kommen über 300 hier spielende Kinder. In seinem Verein, das wird im Gespräch schnell klar, geht es nicht nur um Fußball. Manche würden kaum Deutsch sprechen, einige Sozialhilfe beziehen. Der FavAC liegt im dichtverbauten Innerfavoriten, wo besonders viele Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund leben. Der Verein helfe, den Schulweg zu finden, Fortbildungen zu organisieren, Jobs oder Lehrplätze zu suchen. Es sind Initiativen, von denen Miladinović sagt, davon bräuchte es im ganzen Bezirk mehr, damit die Menschen "richtig ankommen, die Regeln kennen und einhalten. Ein Deutschkurs allein reicht nicht."

Miladinović wurde in Wien geboren, Favoriten nennt er sein Zuhause, Serbien seine Heimat. Das schlechte Image des Bezirks sei "ärgerlich". Er schätze die Vielfalt, habe über andere Kulturen gelernt und "an Menschenkenntnis gewonnen". Die Vielfalt bringe aber auch Herausforderungen und erfordere Anstrengung auf beiden Seiten: "Ich habe mich teils auch angepasst. Ein bisschen Anpassung an die Kultur, in der man lebt, ist schon notwendig." Sein Sohn Marko (26), Fahrlehrer von Beruf, sagt: "Ich könnte nicht woanders leben." Der Reumannplatz sei "einer der schönsten Plätze von Wien". Wegen der Architektur. Und wegen der Menschen dort.

Favoriten FavAC Fußball
Mikica Miladinović, Vereinsobmann des FavAC in der Kantine der Spielstätte, neben ihm Sohn Marko.
Regine Hendirch

Der berühmteste Döner der Stadt: Über eine Erfolgsgeschichte, die groß, aber untypisch ist

Ferhat Yildirim ist eines der bekanntesten Gesichter des Bezirks. Sein Lokal besuchten Instagram-Stars, Politiker und sonstige Prominenz, um den, wie manche urteilen, "besten Döner der Welt" zu probieren. Yildirim kam mit 17 nach Wien, er arbeitete in einigen Küchen, eher er jenes Lokal eröffnete, das er nach sich benannte, weil er dort Essen anbietet, wie er es aus seinem anatolischen Dorf kennt: frisch zubereitet, das Sauerteigbrot selbst gebacken, das Weiderind aus Österreich, auf dem Holzkohlegrill gebraten und nur mit Salz gewürzt. Er wolle Österreich etwas zurückgeben, sagt Yildirim: "Türkei und Österreich im Herzen vereinen."

Sein Werdegang ist eine einzige Erfolgsgeschichte – wenn auch eine eher unübliche. Die Beziehung zwischen Österreich und seiner türkischstämmigen Bevölkerung ist eine schwierige, geprägt von Unkenntnis und Ressentiments. Das zeigt sich immer dann besonders stark, wenn innertürkische Spannungen nach Wien überschwappen und sich hier in Favoriten entladen, dem Zentrum türkischen Lebens. Yildirim sagt, die Favoritenstraße könne ein "weiteres Zentrum Wiens" werden. Seine gemischte Kundschaft sei bereits ein "funktionierendes Beispiel für Multikulti". Und seine Landsleute seien stolz, weil nun "das echte türkische Essen" bekannt sei und nicht das sonst übliche Industriefleisch.

Ferhat Döner Ferhat Yildirim Favoriten
Ferhat Yildirim in seinem Lokal in der Favoritenstraße, wo man rund um die Uhr Schlange steht, um den Döner so zu essen, wie ihn Yildirim aus der Türkei kennt.
Regine Hendrich

Die Favoritenstraße: Von neuen Vierteln und Vergleichen mit alten Zeiten

Die Stadtentwicklung der vergangenen Jahre brachte Neubauviertel mit Schulen, Kindergärten, Parks und Spielplätzen. Das hat auch gutsituierte Jungfamilien, Coworking-Spaces und hippe Lokale in die für Wiener Verhältnisse eher als hartes Pflaster bekannte Gegend gezogen. Martin Heuberger stammt aus Kärnten, lebte viele Jahre in Favoriten und arbeitet hier. Seine Apotheke liegt in der Favoritenstraße. Er ist Obmann des Vereins der Gewerbetreibenden Favoritens. Gerade im verkehrsberuhigten Bereich zwischen Hauptbahnhof und Reumannplatz verändere sich derzeit "sehr viel".

Er nennt das Viertel "Neues Landgut" als Beispiel. Die Bauarbeiten laufen noch, einige Lokale sind bereits eingezogen. Die Veränderung sei "schön", sie ziehe Junge an, für die Unternehmen sei sie "sehr wichtig": "Favoriten ist in mancher Hinsicht wie Ottakring vor 20 Jahren", glaubt Heuberger. Der 16. Bezirk ist ebenso von Zuwanderung geprägt und seit geraumer Zeit auch unter Jüngeren und Kunstschaffenden sehr beliebt. Das "mediale ständige Hinhauen auf Favoriten" ärgere ihn "sehr, sehr, sehr", es sei "enorm geschäftsschädigend". Zumal die Passantenfrequenz in manchen Teilen der Favoritenstraße noch schwach sei, speziell zwischen Columbusplatz und Bahnhof. Heuer feiert Favoriten seinen 150. Geburtstag, dafür wünscht sich der Pharmazeut: "mehr Zusammenhalt".

Favoriten Favoritenstraße
Martin Heuberger ist Obmann des Vereins der Gewerbetreibenden Favoritens. Er ist Pharmazeut, seine Apotheke liegt in der Favoritenstraße.
Regine Hendrich

Die Kriminalität: Über Räubergeschichten und Statistiken

Das sozialdemokratisch geprägte Wien hat bei der Opposition eine üble Nachrede. Kein Bezirk steht aber derart in Verruf wie der zehnte. Die FPÖ spricht von "No-go-Zonen" und "Kriegszuständen", die ÖVP von "Brennpunkt". Gemessen an der Anzahl der Straftaten liegt Favoriten im Vergleich tatsächlich vorn. Der Bezirk ist aber der bevölkerungsreichste. Setzt man die Kriminalitätsfälle in Verhältnis zu den dort lebenden Menschen, verringert sich die Rate. Favoriten liegt dann nicht mehr im Spitzen-, sondern im Mittelfeld.

Umgekehrt rechnet die in Favoriten regierende SPÖ vor, dass die Anzahl der Polizistinnen und Polizisten in ihrem Bezirk im Verhältnis zur Bevölkerung niedriger sei als anderswo – und fordert mindestens 500 mehr. Die Landespolizeidirektion Wien sagt, es gebe in der Stadt "naturgemäß Bereiche, wie neuralgische Verkehrsknotenpunkte, an denen vermehrt strafbare Handlungen passieren als an weniger frequentierten Orten". Aber: Gegenden, die "von bestimmten Personengruppen oder gar der Polizei nicht gefahrlos betreten werden können, gibt es in Wien nicht und so auch nicht in Favoriten". Seit 2021 wird der Reumannplatz videoüberwacht, seit September der Keplerplatz, wo die Exekutive zudem als verdächtig erachtete Personen kontrollieren und wegweisen kann.

Die Polizei verzeichnete einen Rückgang von Straftaten, sie spricht von "durchaus erfolgreichen Maßnahmen". Auch einige Anrainer sagen, es sei ruhiger geworden, viele Dealer seien weitergezogen. Ab und zu hört man das leise gezischte "Brauchst du was?" hier aber immer noch.

Favoriten Keplerplatz Reumannplatz Kriminalität
Favoriten ist der Bezirk mit den meisten Grünflächen, aus dem viele Kabarettisten stammen, außerdem die stadtbekannten Eismarillenknödel. Bekannter sind aber gemeinhin: Kepler- und Reumannplatz.
Regine Hendrich

Der Viktor-Adler-Markt: Von alten Ständen und neuem Essen

Der Viktor-Adler-Markt entstand 1877 als Eugenmarkt. Er war einer der ersten Lebensmittelmärkte der Stadt, später folgte die Umbenennung nach dem Gründervater der Sozialdemokratie. Der großen Arbeiterschar im Bezirk wegen genehmigte die Stadt großzügigere Öffnungszeiten. Im 19. Jahrhundert zogen die Wienerberger Ziegelfabriken und der Bau der Südbahn zahlreiche Ziegelarbeiter aus Böhmen und Mähren in die Gegend. Sie sollten auch abends und sonntags Lebensmittel kaufen können.

Später kamen die Gastarbeiter vom Balkan und aus der Türkei, in den letzten Jahren dann Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Viele ließen sich im Zehnten nieder. Am Viktor-Adler-Markt hat die Migration Spuren hinterlassen. Ein paar der Stände hier haben Kultcharakter: Stand 153 zum Beispiel war bis Juli 2023 ein Traditionsgeflügelstand, nach mehr als 70 Jahren ging Margareta Turecek mit 80 Jahren in Pension. Auch der seit 1871 am Markt vorhandene Stand der Familie Andrä, an dem es fast nur österreichische Obst- und Gemüsesorten gab, schloss 2022. Die Besitzer gingen in Pension, die Kinder wollten nicht übernehmen. Das letzte noch bestehende Geschäft, das am Markt Haushaltshartwaren verkaufte, zog sich ebenfalls vor einem Jahr zurück. Zugleich kamen neue Stände: Hier wird irakisches Tandoori-Brot feilgeboten, türkisches Lahmacun und syrisches Shawarma.

Vesna Dudek wiederum übernahm vor sieben Jahren einen Würstelstand, der schon seit über einem Jahrhundert am selben Platz steht, Stand Nummer 36. Sie sagt, was viele hier sagen: Der Umsatz sei gering, der Preisdruck hoch. "Marktarbeit ist schwere Arbeit. Wer sich das antut, arbeitet hart, die Nationalität spielt für mich keine Rolle." Und: "Es stimmt nicht alles, was man über den Bezirk liest." Zu ihrer Stammkundschaft zählen vor allem Pensionisten. Herbert etwa, der vor Vesnas Fenster einen Spritzer in der Sonne genießt und sagt: "Der Markt ist etwas Besonderes." Die Gespräche hier, die Gerüche, das Multikulti: "Als Großstädter liebe ich das."

Viktor-Adler-Markt Favoriten
Vesna Dudek in ihrem Würstelstand am Viktor-Adler-Markt.
Regine Hendrich

Der Bezirksvorsteher: Freud und Leid im rot geführten Arbeiterbezirk

Andere mögen abfällig über Favoriten reden, Marcus Franz hingegen kommt schnell ins Schwärmen, wenn er über den Bezirk spricht, dem er vorsteht: das vielfältige Essen, die vielen Grünflächen, die gute Verkehrsanbindung, die Aussicht auf dem Goldberg, die manchmal bis nach Bratislava reicht. Die SPÖ stellt hier seit 1946 durchgehend den Bezirkschef. Seit 2017 ist es Marcus Franz. Hier wurde er geboren, ging zur Schule, spielte Fußball, machte die Lehre, hier kam sein Sohn zur Welt. Franz wuchs in der Hansson-Siedlung auf, wo an die 14.000 Menschen leben, ungefähr so viele wie in Eisenstadt. Favoriten ist der bevölkerungsreichste Bezirk Wiens, größer als Linz, die immerhin drittgrößte Stadt des Landes. "Unsere Herausforderung sind die einer Großstadt", sagt Franz.

Weil Favoriten immer ein Zuwandererbezirk gewesen sei, gerate es politisch oft ins Visier. Der Ausländeranteil hier liegt bei 45 Prozent, österreichweit sind es 37. Franz zählt andere Zahlen auf, die er als problematisch sieht: jene zu Einkommen, Akademikeranteil, Frauenbeschäftigung – überall nimmt Favoriten einen der letzten Plätze ein. "Arbeit und leistbares Wohnen" seien die Hauptanliegen, mit denen Menschen an ihn heranträten, sagt Franz. Aber er sagt auch: "Favoriten war nie ein Ponyhof." Die Kriminalität steige aber nicht, sie sinke viel mehr. Die Wahrnehmung sei oft verzerrt, vor allem unter Älteren. "Um das Sicherheitsgefühl zu stärken", bietet die Bezirksvorstehung heuer wieder "Sicherheitssprechstunden" an.

Favoriten Bezirksvorsteher SPÖ Marcus Franz
Seit 2017 ist der SPÖ-Politiker Marcus Franz Bezirksvorsteher von Favoriten.
Regine Hendrich

Im Nagelstudio: Wo der Gemeindebau an ein Dorf erinnert

Der Liebe wegen zog die 29-jährige Dajana Cvetković aus einem kleinen serbischen Dorf hierher. Ihr Mann Denien (32) stammt aus demselben Dorf, ist aber in Wien aufgewachsen. Das Paar lebt in einem Gemeindebau an der Grenze, wo Innerfavoriten in den Bezirksteil Inzersdorf-Stadt übergeht und sich der Wienerberg zu erheben beginnt. Auf Stiege 9 hat Dajana ihr Nagelstudio eingerichtet, mit dem sie sich kürzlich selbstständig gemacht hat: "Daya", nach ihrem Spitznamen. Es ist liebevoll eingerichtet, mit dunkelgrün und rosa gestrichenen Wänden, samtenen Sesseln, Duftkerzen und Schokolade für ihre Kundinnen.

In der Stiege gegenüber wohnen die beiden auch: "Das viele Grün für die Hunde, die Ruhe, all die Kinder in der Nachbarschaft, ein Supermarkt vor der Tür, mein Arzt ums Eck. Es ist ein bisschen wie im Dorf, ich mag das", sagt Dajana. Das schlechte Image des Bezirks kann sie nicht nachvollziehen: "Ich habe hier noch nie etwas Schlimmes erlebt." Denien, der Taxifahrer ist, sagt auch: "Ich finde es hier ruhiger als in anderen Teilen Wiens."

Favoriten Nagelstudio
Dajana Cvetković gemeinsam mit ihrem Mann Denien in ihrem Nagelstudio in Favoriten.
Regine Hendrich

Der Weinbauer aus Oberlaa: Von Traktoren und gestohlenen Weinblättern

In den Medien mag stets von Innerfavoriten die Rede sein, für viele in Favoriten aber spielt sich das Leben ganz wo anders ab. In Oberlaa zum Beispiel, wo wenige Gehminuten von der U1-Endstation entfernt die Großstadt beginnt, nach Dorf auszusehen. Hier, am Südrand Favoritens, franst Wien in Felder aus, es wachsen Weizen und Koriander, Kernöl wird gepresst und Erntedankfest gefeiert.

In einem Haus in der Oberlaaer Straße führt Franz Wieselthaler eine bekannte Buschenschank, mit uriger Stube und von Weinreben beschattetem Innenhof. Die weißen und roten Rebsorten der Familie wachsen auf acht Hektar Boden des Laaer Bergs. Seit die U-Bahn bis Oberlaa fährt, kommen mehr Touristinnen und Wiener aus anderen Teilen der Stadt. Die U1-Verlängerung brachte aber auch mehr von dem, was Wieselthaler als Probleme Innerfavoritens beschreibt: im Park abhängende Gruppen, laute Musik, Frauen nachsteigende Männer. "Draußen sind wir noch in einer glücklicheren Lage", sagt er. Den Reumannplatz meidet er, "zum Tichy fahr ich nicht mehr". Wieselthaler klagt über in Feldern geparkte Autos, zurückgelassenen Müll und türkischsprechende Frauen, die säckeweise Weinblätter zum Kochen abzupfen. Er wolle "nicht alle in einen Topf werfen", sagt er immer wieder. Er wolle "aber auch nicht andere Mentalitäten aufgezwungen bekommen". Wieselthaler erzählt vom zunehmend verbauten Ackerland in der Gegend, dem steigenden Verkehr, der es teils schwieriger gestalte, mit dem Traktor voranzukommen. Er spricht damit den Grundkonflikt der Stadtentwicklung an, jenen zwischen der Schaffung von Wohn- und dem Erhalt von Grünraum. (Anna Giulia Fink, 20.2.2024)

Wieselbauer Favoriten Oberlaa Wein
Franz Wieselthaler in seinem Weinkeller. Am Laaer Berg wachsen die Trauben für seinen Wiener Gemischten Satz DAC, Chardonnay, Zweigelt und andere Sorten.
Regine Hendrich