Passagiere nesteln in ihren Hosentaschen, um deren Inhalt in die bereitstehenden Kisten zu verfrachten, öffnen hektisch ihr Handgepäck, um Laptop, Tablet und – nicht zu vergessen – das durchsichtige Sackerl mit diversen Hygieneprodukten in jeweils neue Container zu packen. Wehe dem, der ein Deospray, Shampoofläschchen oder Ähnliches mit mehr als 100 Milliliter Inhalt dabei hat: Es wird konfisziert.

Seit 2006 Vorschrift auf Flughäfen weltweit: Fläschchen dürfen nicht mehr als 100 Milliliter Flüssigkeit enthalten.
Seit 2006 Vorschrift auf Flughäfen weltweit: Fläschchen dürfen nicht mehr als 100 Milliliter Flüssigkeit enthalten.
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Ernster Hintergrund

Solche Szenen spielen sich beim Securitycheck auf Flughäfen in aller Welt täglich tausendfach ab. Und das seit bald 20 Jahren: Denn seit 2006 dürfen Fluggäste nur noch Flüssigkeiten in ihrem Handgepäck mitführen, die nicht größer als 100 Milliliter sind. Der Grund dafür ist ohne Zweifel ein ernster. Die Regelung wurde eingeführt, nachdem die britische Polizei eine terroristische Verschwörung aufgedeckt hatte, bei der auf einer Reihe von Transatlantikflügen als Softdrinks getarnter Flüssigsprengstoff gezündet werden sollte. Die Verschwörer wollten einen Sprengsatz zusammenbauen und während des Flugs zünden, indem sie Wasserstoffperoxid und andere Substanzen in 500-Milliliter-Sodaflaschen einspritzten. Das Bleichmittel kann explosiv werden, wenn es in einer bestimmten Stärke mit anderen Zutaten gemischt wird.

"Wäre der Anschlag erfolgreich gewesen, hätte er vermutlich weitaus mehr Schaden angerichtet als die Anschläge vom 11. September 2001. Er hätte mehrere Flüge aus Großbritannien zu mindestens fünf US-amerikanischen und zwei kanadischen Flughäfen zum Ziel gehabt", heißt es bei Euronews. Die Höchstgrenze von hundert Millilitern sei schließlich deswegen zustande gekommen, weil Experten zu dem Schluss gekommen waren, "dass es nicht realistisch war, die kleineren Behälter in einen größeren zu mischen, um einen hochgradig schädlichen Sprengsatz an Bord herzustellen." Ein solcher Sprengsatz würde entweder versagen oder vorzeitig detonieren, wobei zwar der Täter verletzt, das Flugzeug aber kaum oder gar nicht beschädigt würde.

Bessere Scanner

Dank neuer Computertomografie-Scanner-Technologie, die flüssige und feste Sprengstoffe sowie Waffen und andere verbotene Gegenstände im Handgepäck problemlos identifizieren kann, könnte die 100-Millileter-Regel nach 18 Jahren endlich überflüssig werden. Die Computertomografie, eine Röntgentechnologie, die der in der Medizin verwendeten ähnelt, liefert ein klares 3D-Bild des Inhalts der Taschen der Fluggäste. Die Bilder können um 360 Grad gedreht und vergrößert werden, was eine gründliche Analyse ermöglicht, die mit dem "digitalen Auspacken der Tasche" verglichen wird, erklärt etwa der Gerätehersteller Smiths Detection. Dies ist eine Verbesserung gegenüber der derzeit an den meisten Flughäfen verwendeten 2D-Bildgebung.

Mithilfe von KI-Technologie können die neuen Scanner Flüssigkeiten wie Wasser, Wasserstoffperoxid oder hochprozentigen Alkohol unterscheiden und bieten laut dem Gerätehersteller Sens-Tech eine umfassendere Darstellung von Elektronik. Wenn ein Gegenstand verdächtig erscheint, wird die Tasche von Sicherheitsbeamten untersucht, die sie auf verbotene Gegenstände überprüfen.

Lockerere Vorschriften

Einige Flughäfen haben die neue Technologie schon eingeführt. Im April letzten Jahres begann der Londoner City Airport mit dem Einsatz des offiziell "C3-Standard Explosive Detection System Cabin Baggage (EDS-CB)" betitelten Systems. Leeds Bradford kündigte im November an, im neuen Jahr das Gleiche zu tun. Die britische Regierung hat den meisten britischen Flughäfen eine Frist bis Juni 2024 gesetzt, um die Geräte zu installieren, berichtet die BBC. Irland testet das System auf den Flughäfen Dublin und Cork, und auf dem Flughafen Shannon sind sie bereits im Einsatz.

Auch der Amsterdamer Flughafen Schiphol hat dank der Scanner im Jahr 2021 die Vorschriften für Flüssigkeiten gelockert. Die italienischen Flughäfen Rom Fiumicino und Leonardo da Vinci International Airport sind zwei weitere Drehkreuze, die die C3-Geräte eingeführt haben.

Security Check am Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport: Scanner werden in den USA schon seit Jahren genutzt.
Securitycheck am Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport: Scanner werden in den USA schon seit Jahren genutzt.
AP/Brynn Anderson

Auch andere europäische Flughäfen werden die 100-Milliliter-Regel abschaffen, ist einem Bericht von "Timeout" zu entnehmen. Zwei spanische Flughäfen, Madrid Barajas und Barcelona El-Prat, wollen die Regel noch in diesem Jahr canceln. Der Flughafen Palma de Mallorca soll bis Ende des Jahres folgen, 2025 soll dann auch Malaga Costa del Sol umgestellt werden. Es wird davon ausgegangen, dass auch London Gatwick und Heathrow die Änderungen bis Anfang nächsten Jahres umgesetzt haben werden.

Bei den Sicherheitskontrollen in Frankfurt setzt man inzwischen auf moderne CT-Scanner. Dort habe es "nahezu keine signifikanten Wartezeiten" mehr gegeben, heißt es. Bisher seien 19 Kontrollspuren mit diesen Scannern ausgestattet – bis zum kommenden Frühjahr sollen es 40 werden. Der Flughafen Paris-Orly testet die Technologie seit Oktober in seinem Terminal 3. Der Flughafen Genf hat ebenfalls mit der neuen Technologie experimentiert, eine dauerhafte Einführung wurde angekündigt. In den USA ist diese Technologie nicht neu. Die Flughäfen Hartsfield-Jackson in Atlanta und O'Hare in Chicago nutzen sie bereits seit Jahren. (max, 19.2.2024)