Lamarr-Kaufhaus der Signa in der Wiener Mariahilfer Straße.
Die Großinsolvenz der Signa beschäftigt mittlerweile auch die Politik.
APA/HELMUT FOHRINGER

Die Insolvenz der Signa-Gruppe von René Benko zeitigt erste konkrete Reformvorhaben. In einem Fünf-Punkte-Plan will Justizministerin Alma Zadić (Grüne) die Strafen für Verstöße gegen die Veröffentlichungspflicht bei Bilanzen drastisch erhöhen. Zuletzt sprach sich auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für Änderungen aus.

Zur Erinnerung: Mehrere Gesellschaften der Signa-Gruppe haben ihre Jahresabschlüsse bewusst verspätet vorgelegt und die verhältnismäßig niedrigen Strafen aus der Portokassa bezahlt. Um das künftig zu verhindern, sollen die Firmenbuchstrafen drastisch erhöht werden. Die Bußen sollen sich zudem stärker an der Konzerngröße orientieren.

Laut dem Fünf-Punkte-Plan erwägt Zadić allerdings einen weiteren Schritt, nämlich strafrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen.

Strafrechtliche Lücke?

Derzeit sind zwar jene Personen strafbar, die einen gefälschten Jahresabschluss vorlegen, nicht aber solche, die erst gar keinen veröffentlichen. Seitens des Justizministeriums "wird geprüft, ob hier eine gesetzliche Lücke vorliegt, die geschlossen werden muss", heißt es in dem Regierungspapier.

So könnte etwa "der Straftatbestand des § 163a StGB um das Nichteinreichen des Jahresabschlusses erweitert werden, wenn dadurch die Vermögensverhältnisse verschleiert werden sollen". Somit könnte verhindert werden, dass Unternehmen damit taktieren, dass es für sie aus strafrechtlicher Sicht besser ist, keinen Jahresabschluss vorzulegen als einen unvollständigen Abschluss.

Christopher Schrank, Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht bei Brandl Talos, kann Zadićs Vorschlag etwas abgewinnen. Die Strafen nur zu erhöhen wäre allerdings "zu einfach gedacht". Man müsse vielmehr stärker differenzieren: zwischen jenen Unternehmen, die die Bilanz unabsichtlich zu spät vorlegen, und solchen, die das bewusst tun, um ihre Zahlen etwa vor Konkurrenz oder Prozessgegnern zu verheimlichen.

Das Strafrecht wäre hier ein möglicher Weg, sagt Schrank. "Solange ich einen Preiszettel habe, ist der Schaden für Betroffene kalkulierbar. Bei einem drohenden Strafprozess sieht das anders aus." Freilich sollte das Strafrecht nicht sofort greifen, sondern erst bei einer fortgesetzten Nichtvorlage als letztes Mittel. In dem Fall hätte man auch kaum Probleme, den Vorsatz nachzuweisen.

"Systematische Änderung"

Eher kritisch sieht den Vorschlag Robert Kert, Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien. Bei den Bilanzdelikten im Strafgesetzbuch gehe es darum, dass der falsche Eindruck vermittelt wird, dass die Bilanzen vollständig und wahr sind. "Diese Gefahr gibt es bei der Nichtveröffentlichung nicht", sagt Kert. In diesem Fall könne man nämlich schon aus der Nichtveröffentlichung darauf schließen, dass etwas nicht stimmt. "Da fehlt das Täuschungselement, das ich bei den jetzigen Bilanzdelikten brauche."

Wer Bilanzen nicht offenlegt, verstoße gegen eine Verhaltenspflicht, die üblicherweise mit Zwangsgeldern geahndet wird, sagt Kert. Vereinfacht gesagt könne man das auch mit dem Führerschein vergleichen: Wer seinen Führerschein fälscht, begeht das Strafdelikt der Urkundenfälschung. Wer ihn nicht mitführt, eine Verwaltungsübertretung.

Michael Rohregger, Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, hat den juristischen Kommentar zur Bilanzfälschung verfasst. Laut ihm wäre die vorgeschlagene Reform je nach Ausgestaltung eine "systematische Änderung" des Tatbestands. Letztlich sei das eine "rechtspolitische Frage". (Jakob Pflügl, 20.2.2024)