Kapstadt hatte die letzten Tage mit besonders grauslichem Gestank zu kämpfen.
Kapstadt hatte in den letzten Tagen mit besonders grauslichem Gestank zu kämpfen.
AP/Nardus Engelbrecht

Am Montag hätte sie sich fast übergeben, sagt die Mitarbeiterin einer Sicherheitsfirma. Seit sechs Jahren arbeite sie hier am Hafen von Kapstadt, einen derartigen Gestank habe sie noch nicht erlebt. Wenige Meter hinter ihr befindet sich der Grund: die Al Kuwait, ein Frachtschiff, beladen mit 19.000 Rindern. Sie haben ein Martyrium hinter sich – und noch vor sich. Es ist ein besonders brutales Beispiel für die umstrittene Praxis der Lebendtiertransporte auf dem Seeweg.

Am Sonntag legte das Schiff aus Rio Grande in Brasilien nach neuntägiger Fahrt in Südafrika an, ganz in der Nähe eines luxuriösen Kreuzfahrtschiffs. Es sollte nur ein kurzer Zwischenstopp der Al Kuwait werden auf dem Weg in den Irak. Der Mittlere Osten ist der Hauptabsatzmarkt, aus religiösen Gründen bestehen die Kunden dort auf lebenden Rindern, die dann vor Ort entsprechend spezifischer religiöser Riten halal geschlachtet werden. Ein Milliardengeschäft, allein Saudi-Arabien importiert jährlich acht Millionen Schafe, Kamele, Rinder und andere Tiere. Für Länder am Horn von Afrika wie Äthiopien und Somalia gehört der Export zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen.

Spontane Proteste

Doch weltweit laufen Tierschützer seit Jahren Sturm, zumal die Branche wächst. Die Al Kuwait hat das Thema in der Touristenmetropole Kapstadt zum Hauptgesprächsstoff gemacht, schließlich hatte sich der Gestank am Montag über einige der schicksten Stadtteile ausgebreitet. Es gab spontane Demonstrationen gegen Lebendtiertransporte.

Die größte südafrikanische Tierschutzorganisation National Society for the Prevention of Cruelty to Animals (NSPCA) hatte schon vor der Ankunft des Schiffs einen anonymen Hinweis über die katastrophalen Zustände an Bord des Frachters bekommen. Per richterlicher Anordnung verschaffte sich die Organisation Zutritt und verbreitete schockierende Bilder von völlig verdreckten Rindern.

"Sie schlafen in ihrem eigenen Kot und Urin, was dann auf ihren Körpern verkrustet", sagte NSPCA-Jurist Jacques Peacock dem Fernsehsender Newzroom Afrika. Der Organisation zufolge habe das verantwortliche Transportunternehmen AI Mawashi aus Kuwait für die Reizungen von Augen und Atemwegen der Tiere in Folge der hohen Ammoniakbelastung nicht die nötigen und vorgeschriebenen Medikamente an Bord.

Strenge Auflagen in Südafrika

Bis zum Jahr 2022 hatte die Firma auch Tiere aus Südafrika in den Mittleren Osten verschifft. Dann zog sich die Firma mit dem empörten Verweis auf Millionenverluste zurück. Das lag ein kleines bisschen am desolaten Zustand der staatlichen Hafenbetreiberfirma Transnet, aber auch an der Lobbyarbeit von Aktivisten und strengen Auflagen. Südafrikas Regierung versagt in den meisten Bereichen, den Umwelt- und Tierschutz aber nimmt sie – wenn man von der überwiegend aus Kohle gewonnenen Energie absieht – ernst.

Beides ist fest in der Verfassung verankert – und sorgt immer wieder auch für kulturelle Debatten. Im vergangenen Jahr erstattete die NSPCA etwa Anzeige, nachdem der Linkspopulist Julius Malema bei der dilettantischen Schlachtung eines Schafs gefilmt worden war. Malema habe mindestens elfmal zugestochen und das Messer dutzendfach im Nacken des noch lebenden Tiers gedreht. Und vor einigen Jahren schlachteten Demonstranten am populären Kapstadter Strand Clifton 4 ein Schaf – vor den Augen hunderter entsetzter Touristen.

Anderes Schiff musste umkehren

Das Geschäft der Lebendtiertransporte hatte zuletzt bereits in Australien, einem der Hauptproduzenten für den Mittleren Osten, für Aufsehen gesorgt. Im Jänner musste ein Transportschiff mit 14.000 Schafen und 2.000 Rindern an Bord wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer umkehren. Obwohl sie aus Australien stammten, durften sie allerdings nicht zurück an Land gebracht werden, weil alle auf Schiffen ankommenden Tiere zunächst unter Quarantäne gestellt werden müssen. Erst nach über einem Monat an Bord wurden sie Mitte Februar endlich entladen. Auch dort gibt es seit Jahren massive Proteste von Tierschützern gegen die Industrie.

Auch in Kapstadt können die an Bord der Al Kuwait geladenen Rinder wegen strenger Quarantänebestimmungen nicht von Bord gebracht werden. Die NSPCA plädierte am Dienstag trotz der schlechten Zustände an Bord entsprechend für eine schnelle Weiterreise in den Mittleren Osten, um das Leiden der Tiere nicht noch weiter zu verlängern. Es sei geplant, dass der Frachter noch am Dienstagabend ablege, so eine Hafenmitarbeiterin. (Christian Putsch aus Kapstadt, 20.2.2024)