Ein "Ultimatum bis Ramadan-Beginn": So werden die Worte von Minister Benny Gantz ausgelegt, mit denen er zu Wochenbeginn eine neue Linie des israelischen Kriegskabinetts vorstellte. Demnach steht eine Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens, wo hunderttausende Flüchtlinge in der Falle sitzen, nicht unmittelbar bevor. Israel verknüpft sie nun direkt mit der Frage der israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas.

Wenn sie nicht bis zum 10. März freikommen, wird Rafah auch am Boden angegriffen, sagte Gantz. Damit nennt er zwar nur einen frühesten Termin, aber einen möglichen. Das bedeutet zweierlei: Einerseits stellt Israel eine regionale politische Eskalation in den Raum. Ein Marschbefehl gerade zu Beginn des islamischen Fastenmonats könnte dazu führen. Andererseits macht Israel vorerst einen Schritt zurück. Das öffnet vielleicht wieder ein Fenster für die Verhandlungen in Kairo.

Israels Premier Benjamin Netanjahu
Gibt dem Druck aus den USA nach: Israels Premier Benjamin Netanjahu.
IMAGO/Chris Emil Janssen

Bilder einer israelischen Bodenoffensive in Rafah im Ramadan sind ein Horrorszenario für alle arabischen Staaten, die ihre Bevölkerungen schon jetzt nur mit Mühe ruhig halten. Trotz aller feindseligen Worte auch von den Regierungen jener Länder, die Friedensverträge mit Israel haben, wurde keiner davon suspendiert. Das könnte sich in diesem Fall ändern. Vor allem Ägypten hätte mit seinen Erwägungen für seine eigene Sicherheit und Stabilität dafür auch technische Gründe: Es müsste dann militärische Vereinbarungen für den Sinai aus dem Friedensvertrag von 1979 brechen.

Aber es handelt sich eben nicht nur um eine israelische Drohung, sondern auch, gemessen an den früheren Aussagen Premier Benjamin Netanjahus, um einen Aufschub der Offensive. Er gibt damit eindeutig dem Druck aus den USA – der aus Europa hat ihn nie beeindruckt – nach. Schauplatz dafür ist soeben der Uno-Sicherheitsrat in New York. Durch die neue Position garantiert Israel, dass die USA auch temporäre Waffenstillstandsforderungen verhindern werden, wenn der Resolutionstext nicht gleichzeitig die Freilassung der israelischen Geiseln verlangt.

Nebeneffekt

Die Gewissheit, dass die Bodenoffensive sie heimbringt, hatte Netanjahu ebenso nicht. Das gilt jedoch auch für die Verhandlungen in Kairo. Was sich auf Hamas-Seite abspielt, ob die externe Führung, die in Kairo verhandelt, die interne im Griff hat, ist völlig unklar. Schon gibt es erste – wenngleich einstweilen dementierte – Gerüchte, dass sich Hamas-Chef Yahya Sinwar nach Ägypten abgesetzt habe, vielleicht sogar mit Geiseln.

Israel würde zweifellos auch noch in ein paar Wochen in Rafah weitere Hamas-Verstecke finden und zerstören, weitere Kämpfer und Unterstützer töten. Die Frage, wie man der Terrororganisation die Basis entziehen kann, würde durch die religiöse Verknüpfung mit dem Ramadan noch verschärft. Und die mühsam am Leben erhaltene regionale Diplomatie würde zusammenbrechen.

Den rechtsrechten Regierungskoalitionären Netanjahus würde das allerdings wenig ausmachen: Ein angenehmer Nebeneffekt wäre, dass dadurch jede internationale Diskussion über einen zukünftigen Palästinenserstaat, alle diesbezüglichen Forderungen an Israel, abgestellt würden. Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung und die Vorwürfe der Völkerrechtswidrigkeit spielen für sie ohnehin keine Rolle. (Gudrun Harrer, 21.2.2024)