Die Lebensmittelpreise stiegen in Spanien weniger stark. Grund sind die Unabhängigkeit von russischem Gas und die Eigenproduktion.
AP / Manu Fernandez

Tomaten, Paprika und Kartoffeln steigen oder fallen im Preis jede Woche. Der Anstieg generell über die letzten zwei Jahre war auch nicht groß", sagt Carolina Aragón Varga (46), die den Gemüsestand am Zentrumsmarkt San Agustín im andalusischen Granada betreibt. An diesem Mittwochvormittag portioniert sie ausgelöste knallgrüne "Habas" (Ackerbohnen) in 500-Gramm-Säcke. Bei ihr kaufen in erster Linie lokale Kunden und Studenten ein: "Die Jungen schauen gut auf ihre Ernährung."

Auch der aktuelle Beginn der Spargelsaison in Südspanien sei "gleich wie jedes Jahr, zum selben Preis, heute 7,5 Euro das Kilo". Es fange bei acht Euro pro Kilo an, und die Preise sänken fortan Woche für Woche. "Damit sind wir weitaus preiswerter als die große Exportnation Peru, die ab zwölf Euro pro Kilo anbietet." Importbananen seien immer noch günstiger als die Bananen von den Kanarischen Inseln (span. "Plátano de Canarias"): "Wer sparen muss, vor allem Pensionisten und Hypothekarkreditnehmer, spart bei der Ernährung und kauft die aus Übersee", sagt sie.

Mehrwertsteuer ausgesetzt

Spanien und Portugal setzten mit 1. Jänner sowie 18. April 2023 die Mehrwertsteuer auf über 40 grundlegende Lebensmittel aus, die zuvor mit vier bzw. sechs Prozent besteuert wurden. Die Maßnahme war temporär für 2023 gedacht, lief in Portugal mit Jahresende aus und wurde in Spanien für das Jahr 2024 bis Ende Juni verlängert.

Sie gilt für Brot und Brotbackmehl, Milch, Eier, Käse sowie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Getreide. Olivenöl, das deutlich wegen der anhaltenden Dürre im Preis gestiegen war, und Nudeln werden mit fünf statt zehn Prozent besteuert.

Portugal, wo auch Fleisch und Fisch steuerfrei waren, schloss im Dezember im Jahresvergleich mit einer Inflation von 1,4 Prozent unter der Zwei-Prozent-Hürde. Neben Lohnsteuersenkungen und Pensionssteigerungen (6,3 Prozent) zahlt man fortan 30 Euro monatlich an einkommensschwache Haushalte aus. Das Aussetzen der Mehrwertsteuer kostete Lissabon knapp 770 Millionen Euro an Steuereinnahmen. Eine Übergewinnsteuer "auf die Distribution von Lebensmitteln", die für Supermarktketten gedacht war, spülte im Gegenzug 200 Millionen Euro in die Staatskasse.

Spanien, mit einer Inflation von 3,4 Prozent im Jänner, verzichtete 2023 bis November auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Die Löhne wurden um rund 3,5 Prozent bzw. im öffentlichen Dienst um drei Prozent angehoben. Es bleibt also wie in den letzten Jahren ein Reallohnverlust. Das Lohnniveau von vor der Pandemie wurde aber wieder erreicht.

"Die sozialistischen Regierungen in Spanien und Portugal setzen seit dem Anfang der Krise wegen des Ausbruchs des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor zwei Jahren darauf, die wirtschaftlichen und damit sozialen Auswirkungen auf die Bevölkerung zu gering wie möglich zu halten. Sie haben ihre Politik um- und vor der EU-Kommission mit Erfolg auch durchgesetzt", sagt der Makroökonom von der Universitat de València im STANDARD-Gespräch.

"Die ‚iberische Ausnahme‘ war elementar und brachte eine Senkung des Strompreises mit sich, durch die Entkoppelung vom Gaspreis ab einem Limit", erinnert Carbó: "Wer Energiekosten senkt, senkt die Produktionskosten vieler Sektoren, was die Inflation abschwächt. Zugleich haben Haushalte, die weniger für Strom ausgeben, mehr Geld für andere Dinge wie Lebensmittel." Hier habe Spanien den Vorteil, zu den großen Agrarproduktionsländern zu zählen.

Inflationsziel schwierig

"Beide Staaten haben davon profitiert, dass sie nicht extrem von russischen Gasimporten abhängig waren. Daher stieg die Inflation verglichen mit anderen EU-Staaten deutlich weniger stark", sagt Carbó weiter: "Deutschland und einige seiner Nachbarstaaten haben den schweren Fehler gemacht, auf diese große Abhängigkeit zu setzen." Spanien und Portugal hatten damals schon funktionsfähige Flüssiggasterminals (LNG) an einigen Häfen. Aber auch in Spanien werde es mehr Zeit und Anstrengungen brauchen, die Zwei-Prozent-Inflation zu erreichen, sagt der Ökonom.

"Beim Manchego-Käse ist der Anstieg im Einkauf überdeutlich", sagt Antonio Calixto "Cali" Moreno Zarco (37). Er betreibt einen Feinkoststand mit Ibérico-Rohschinken, Käse, Würsten und Weinen: "Hohe Qualität stieg von 15 auf circa 22 Euro pro Kilo, einen Preis, den ich natürlich exponentiell an die Kunden weitergeben muss. Bei Trockenwürsten oder Rohschinken ist der Anstieg nicht so extrem gewesen." Fast schwerer als die Krise wiege der Wandel des Stadtzentrums. "Es leben immer weniger Menschen hier", beklagt er: "Wegen des Booms der Ferienwohnungen, steigender Mieten – und: Die älteren Stammkunden werden immer weniger."

"Alles ist teurer geworden, das Fleisch, das Olivenöl, aber ich kaufe gleich ein wie vor der Krise. Unsere mediterrane Küche basiert eben auf frischen, lokalen Saisonprodukten. Wer auf die Saison achtet, bekommt nicht nur beste Qualität, sondern auch den besten Preis", sagt David Reyes Garzón, der als Koch arbeitet: "Ich spare lieber bei allem anderen als beim Essen." (Jan Marot aus Granada, 23.2.2024)