Eine Mauer erinnert an die Gefallenen der Weltkriege, eine Säule an acht getötete Widerstandskämpfer aus Laakirchen.
Eine Mauer erinnert an die Gefallenen der Weltkriege, eine Säule an acht getötete Widerstandskämpfer aus Laakirchen.
Michael Windisch

Auf den ersten Blick unterscheidet Laakirchen nur wenig von anderen österreichischen Gemeinden: Es gibt einen Hauptplatz mit Kirche, Raiffeisenbank, Pizzeria. Ganz in der Mitte steht auch ein Kriegerdenkmal. Doch das steinerne Monument im oberösterreichischen Traunviertel erinnert nicht nur an die Gefallenen beider Weltkriege, sondern auch an acht Widerstandskämpfer aus dem Ort, die von den Nationalsozialisten in Konzentrationslagern ermordet wurden. Etwas abseits befindet sich zudem ein Gedenkstein für den Polizisten Josef Lukesch, der im Zuge des Juliputschs 1934 getötet wurde.

Geht es aber nach Bürgermeister Fritz Feichtinger (SPÖ), soll diese Form der Erinnerung an die Geschichte bald selbst Geschichte sein. Das Denkmal soll zum Zweck der Stadtbelebung einem neuen Ortskern weichen. An seine Stelle tritt ein neues Friedensdenkmal am etwas abseits gelegenen Friedhof: Eine Friedenstaube mit einer Beinprothese, die darauf hinweist, dass der Frieden verletzlich ist. Die Namen sowohl der getöteten Widerstandskämpfer als auch der gefallenen Soldaten sollen aus der Ortsmitte verschwinden.

Der Entwurf des Künstlers Werner Reiterer für das neue Friedensdenkmal am Laakirchner Friedhof.
Der Entwurf des Künstlers Werner Reiterer für das neue Friedensdenkmal am Laakirchner Friedhof.
Werner Reiterer

"Das Leben geht weiter"

"Der Platz, den wir schaffen wollen, soll ein Ort der Begegnung werden, wo auch Veranstaltungen stattfinden. Aus unserer Sicht wäre es nicht pietätvoll, wenn da mittendrin zum Beispiel eine Säule zum KZ-Gedenken wäre", rechtfertigt Bürgermeister Feichtinger den Schritt im Gespräch mit dem STANDARD. "Bei allem Gedenken darf sich die Örtlichkeit verändern. Das Leben geht weiter."

Doch es regt sich Widerstand – etwa von Aloisia Altmanninger, Sprecherin der Laakirchner Grünen. Vor zwei Jahren hatte ihre Fraktion im Gemeinderat noch einen einstimmigen Grundsatzbeschluss zur Verlegung des Denkmals auf den Friedhof mitgetragen. Über die konkrete Ausgestaltung war da noch nicht gesprochen worden. Ein Gutachten kam dann zu dem Schluss, dass das Denkmal nicht abgebaut werden könne, ohne es zu zerstören. Ein Ersatz musste her. Es ist vor allem der Weg, wie dieser Ersatz gefunden wurde, der Altmanninger sauer aufstößt: "Denn jetzt war der Gemeinderat nicht mehr eingebunden."

Gedenkkultur nicht Gemeindeaufgabe

In informellen Gesprächen zwischen den Ortsparteien wurden drei Personen – Bürgermeister Feichtinger, Pfarrer Franz Starlinger und Bauamtsleiter Bernhard Stiegler – in eine Jury entsandt, die gemeinsam mit drei Vertretern der Diözese Linz über das neue Denkmal am Pfarrfriedhof entscheiden sollte. Drei Künstler wurden eingeladen. Am Ende fiel die Wahl auf einen Entwurf des Wiener Künstlers Werner Reiterer: die schon erwähnte Friedenstaube mit Beinprothese, die vor einer blauen Wand mit Sternen steht. In zweien dieser Sterne verweisen kurze Texte auf die Opfer der Weltkriege und der Konzentrationslager. Ihre Namen bleiben aber ausgespart.

Das kann Altmanninger nicht nachvollziehen, denn von einem völligen Verschwinden des Denkmals sei zunächst keine Rede gewesen: "Ich kenne eine Frau, deren Bruder im Krieg in der Nordsee in einem U-Boot umgekommen ist. Für den gibt es kein Grab und ohne das Denkmal keine Erinnerung." Der Entwurf für das neue Denkmal könne kein würdiges Gedenken an die Kriegsopfer darstellen: "Das passt überhaupt nicht." Auf ihren Protest im Gemeinderat sei ihr jedoch entgegengehalten worden, wenn sie sich für Gedenkkultur interessiere, möge sie doch einen privaten Verein gründen – Gemeindeaufgabe sei das nicht.

Ob sich das Denkmal abtragen lässt, ohne es zu zerstören, dazu gehen die Meinungen auseinander.
Ob sich das Denkmal abtragen lässt, ohne es zu zerstören, dazu gehen die Meinungen auseinander.
Michael Windisch

Kein Denkmal "im Eckerl am Friedhof"

Nichts anfangen mit dem neuen Konzept können auch der Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer und der oberösterreichische Landesverband der AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus. Dessen Leiter Harald Grünn fordert, dass zumindest das Denkmal der im KZ-Ermordeten erhalten bleibt – und das an einem öffentlich gut sichtbaren Platz.

Gegen den Vorschlag, die Tafel mit den Namen beim geplanten neuen Friedensdenkmal am Friedhof anzubringen, verwehrt er sich deshalb: "Wir wollen auf keinen Fall, dass die Tafel in irgendein Eckerl am Friedhof kommt. Mein Eindruck ist: Wenn ich etwas auf den Friedhof verbanne, will ich es aus den Augen haben." Zudem waren unter den Widerstandskämpfern Kommunisten. An sie auf einem christlichen Friedhof zu erinnern kommt für einige Opfervertreter nicht infrage. Grünn schlägt vor, das Denkmal für die KZ-Opfer nur wenige Meter vom jetzigen Standort entfernt vor das Alte Rathaus zu verlegen.

Kostenpunkt: 100.000 Euro

Bürgermeister Fritz Feichtinger hat den nun seit Monaten laufenden Widerstand durchaus vernommen. Man sei auf der Suche nach Lösungen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Um die Namen der Kriegsgefallenen zugänglich zu machen, schlägt er etwa einen QR-Code beim neuen Friedensdenkmal am Friedhof vor. Weitere Untersuchungen des Denkmals hätten zudem ergeben, dass man es womöglich durchaus versetzen könnte – auch die Platten mit den Namen der Gefallenen könnten also vielleicht auf den Friedhof wandern. Für die Säule in Erinnerung an die getöteten Widerstandskämpfer braucht es jedoch einen anderen Platz. Der ist aber noch nicht gefunden. Und vor allem Grünen-Gemeinderätin Altmanninger ist wenig optimistisch: "Wenn nach zwei Jahren immer noch kein neuer Platz gefunden ist, drängt sich die Sorge auf, ob man überhaupt einmal einen findet."

Noch ziehen die Autos an dem Denkmal vorbei: Ein konkretes Datum für den Abriss gibt es nicht.
Noch ziehen die Autos an dem Denkmal vorbei: Ein konkretes Datum für den Abriss gibt es nicht.
Michael Windisch

100.000 Euro hat die Stadtgemeinde Laakirchen für den Abbau des bestehenden und die Errichtung des neuen Denkmals veranschlagt. Mit dem Bau des Friedensdenkmals am Friedhof soll im Frühsommer begonnen werden. Für den Abbruch des bestehenden Denkmals im Ortszentrum gibt es hingegen noch keinen Zeitplan. Der Streit um die Gedenkkultur in Laakirchen geht vorerst also weiter. (Michael Windisch, 27.2.2024)