Am 1. Oktober 2018 sprach der damalige Vizekanzler der Republik Österreich, Heinz-Christian Strache (FPÖ), bei der feierlichen Eröffnung eines Denkmals für die österreichischen "Trümmerfrauen" in Wien. Gemeinsam mit ihm waren das gesamte Regierungsteam der Freiheitlichen Partei Österreichs sowie zahlreiche weitere Vertreter der Partei anwesend und verliehen dem privat finanzierten und auf privatem Grund errichteten Denkmal staatstragende Funktion.

Die Errichtung des Denkmals für "Trümmerfrauen" erfolgte auf Privatgrund und wurde privat finanziert. Bereits im Vorfeld kam es zu einer Kontroverse.
Kanisfluh, Wien Denkmal Trümmerfrauen, CC BY-SA 3.0

Bereits im Vorfeld hatten Straches Engagement und das Denkmal selbst zu einer öffentlichen Kontroverse geführt: Auf der einen Seite standen Strache sowie die Förderer des Denkmals, welche die besondere Leistung der österreichischen Trümmerfrauen betonten, auf der anderen zahlreiche Historiker:innen, die darauf verwiesen, dass es die klassische "Trümmerfrau" in Österreich in dieser Form nicht gegeben habe. Vielmehr sei die Trümmerräumung vor allem durch ehemalige Nationasozialist:innen erfolgt, die per Gesetz zu dieser Arbeit gezwungen waren.

850.000 Kubikmeter Schutt, Tote und Tierkadaver

Tatsächlich dürfte es speziell in Wien unmittelbar nach Kriegsende so gut wie keine Freiwilligenarbeit gegeben haben. Auch wenn Wien im Vergleich zu vielen deutschen Städten vergleichsweise glimpflich davongekommen war, hatte die Stadt an der Donau weitreichende Zerstörungen erlebt: 100.000 Wohnungen waren unbewohnbar geworden, insgesamt 135 Brücken zerstört und das Kanalnetz sowie die Strom- und Gasversorgung massiv beschädigt. Das dringendste Problem dürften aber die 850.000 Kubikmeter Schutt sowie die zahlreichen Leichen und Tierkadaver in den Straßen der Stadt dargestellt haben.

Bereits unmittelbar nach dem Ende der Kämpfe begannen daher vor allem die sowjetischen Besatzungstruppen mit den ersten Aufräumarbeiten und griffen dabei auch stark auf die Arbeitskraft zwangsverpflichteter Zivilist:innen zurück. Bürgermeister Körner war es ein zentrales Anliegen, diese willkürlichen Zwangsrekrutierungen in geordnete Bahnen zu lenken. Daher wirkte er auf die provisorische österreichische Bundesregierung ein, die am 24. August 1945 das "Verfassungsgesetz über die Durchführung von Notstandsarbeiten im Gebiet der Stadt Wien" erließ, mit dem eine allgemeine Arbeitspflicht zum Wiederaufbau geschaffen wurde. Im Gesetz wurde klar festgehalten, dass ehemalige Nationalsozialist:innen bevorzugt zu diesen Arbeiten verpflichtet werden sollten.

Ehemalige Nazis als Notstandarbeiter:innen

Leider sind die Aufzeichnungen über diese Arbeitseinsätze heute nur mehr sehr fragmentarisch erhalten. Komplett erhalten sind aber die Ansuchen dieser so genannten Notstandarbeiter:innen auf Entschädigung aus den Jahren 1951 und 1952. Zahlreiche dieser Personen hatten die Republik Österreich und die Stadt Wien auf Entschädigung geklagt und 1951 ein positives Urteil des Obersten Gerichtshofs erhalten. Basierend auf diesen Ansuchen, die mein Forschungsteam Lea von der Hude, Patricia Seifner und ich im Zuge eines FWF-geförderten Forschungsprojekts systematisch analysiert haben, lassen sich erstmals umfassende Aussagen zu diesen Arbeiten treffen.

Insgesamt haben 7097 Personen um Entschädigung angesucht und wurden für über 2,7 Millionen Arbeitsstunden entschädigt. Männer erhielten 84 Groschen pro Stunde, Frauen 67. Dieser Unterschied war dabei eine klare Diskriminierung, da Männer und Frauen für die gleichen Arbeiten unterschiedlich entschädigt wurden. 55 Prozent der Antragsteller:innen waren männlichen Geschlechts, 45 Prozent weiblichen. Männer waren also – vor allem in Anbetracht der Gesamtzahlen in Wien 1945 – klar überrepräsentiert.

96 Prozent der Antragsteller:innen waren außerdem Mitglieder in der NSDAP oder zumindest Parteianwärter gewesen. Bei den restlichen vier Prozent hat es sich um Angehörige eines NSDAP-Mitglieds gehandelt. Die verrichteten Tätigkeiten reichten von einfachen Trümmerarbeiten bis hin zu komplexeren Tätigkeiten, zwei Personen berichten sogar davon, Gemälde restauriert zu haben und wurden dafür besonders umfangreich entschädigt.

"Trümmerfrauen": Der Mythos wird geboren

Auch wenn in der Nachkriegszeit ein aktives Wissen über diese Arbeiten vorhanden war – österreichische Zeitungen berichteten umfangreich sowohl über die Notstandsarbeiten selbst als auch über die Entschädigungen – gerieten sie in weiterer Folge immer mehr in Vergessenheit. Ab den späten 1980er-Jahren lässt sich dann in Österreich erstmals eine Thematisierung des "Trümmerfrauen"-Begriffs erkennen. Zentrale erinnerungspolitische Impulse wurden dabei vor allem in den sogenannten "Gedenkjahren" gesetzt, speziell in jenen, in denen dem Kriegsende und dem Staatsvertrag gedacht wurden.

Hatte der "Trümmerfrauen"-Begriff zuvor in Österreich so gut wie keine Rolle gespielt – im österreichischen Parlament fiel das Wort beispielsweise zum ersten Mal 1989 – gerieten Frauen nun stärker in Blick sowohl der Geschichtswissenschaft als auch kollektiver Erinnerungsdebatten. Auch hier mahnten aber Historiker:innen von Anfang an ein, dass sich die Situation in Österreich anders darstelle als in der BRD und man nicht die Arbeit ehemaliger Nationalsozialist:innen vergessen dürfe. Dies tat dem Bedürfnis nach einem eigenen, österreichischen "Trümmerfrauen"-Gedenken aber wenig Abbruch.

Von der "Trümmerfrau" zur "Trümmermutter"

Die Initiativen gingen dabei vor alle von politisch konservativer und rechter Seite aus – 2005 erließ die schwarz-blaue/schwarz-orange Koalition ein Gesetz über eine Einmalzahlung, die allen österreichischen Frauen der Nachkriegszeit zugutekommen sollte. Der Begriff "Trümmerfrau" wurde dabei zu deren Beschreibung verwendet – wobei auffällt, dass es sich dezidiert um "Trümmermütter" handeln musste: Die Einmalzahlung erhielt nur, wer "vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind in Österreich zur Welt gebracht oder ein vor diesem Zeitpunkt geborenes Kind in Österreich erzogen" hatte.

Dieses Gesetz lässt sich in einem ähnlichen ideologischen Kontext verorten wie HC Straches Auftritt bei der Eröffnung des "Trümmerfrauen-Denkmals" in Wien: Der "Trümmerfrauen"-Begriff wird hier kollektiv auf alle österreichischen Frauen in der Nachkriegszeit ausgeweitet. Egal, ob sie tatsächlich Trümmerarbeit geleistet haben oder nicht. Sie werden kollektiv viktimisiert – und zwar als Opfer des Krieges gegen den Nationalsozialismus. Was diese Frauen vor 1945 getan haben – heute wissen wir, dass Frauen auch ein essentieller Bestandteil des NS-Systems waren – wird dabei vollkommen ausgeblendet.

Dass "Trümmerfrauen" in Österreich erst vergleichsweise spät eine Rolle spielen, lässt sich mit dem österreichischen Opfermythos erklären: Solange die gesamte Bevölkerung Österreichs kollektiv als Opfer des Nationalsozialismus und des Krieges gegen ebendiesen galt, bedurfte es nicht der gesonderten Opfergruppe "Frauen". Erst als der Opfermythos ab den späten 1980er-Jahren zusehends erodierte, entstand Platz für neue Opfernarrative – der "Trümmerfrauen"-Mythos stellt so ein Opfernarrativ dar. (Martin Tschiggerl, 13.2.2024)