Bettina Leidl
Bettina Leidl und ihr Buchtipp.
Museumsquartier

Im Wiener Museumsquartier, wo sie Direktorin ist, beobachtet sie, dass die meisten Besucher auf den im Hof aufgestellten Enzis ihr Handy in der Hand halten. Ob sie darauf ein Buch lesen? "Ich weiß es nicht!" Großes Interesse an Literatur aber erlebt sie regelmäßig während der dortigen O-Töne-Veranstaltungen: "Die sind wahnsinnig gut besucht, bis zu 600 Leute. Es ist immer ein besonderer Moment, wenn man Autorinnen und Autoren selbst lesen hört."

In Schörfling am schönen Attersee, wo sie aufwuchs, waren die Sommer ihrer Kindheit noch alle verregnet, da brauchte man gute Bücher. Gott sei Dank leitete ihre Großmutter die Pfarrbücherei, die in den 1980ern aufgelöst wurde. "Mit heutigem Blick würde ich gerne noch einmal da reinschauen." In Salzburg, wo sie dann das Gymnasium besuchte, "war damals alles ganz stark mit Thomas Bernhard verbunden. Die Orte in Lehen, über die er schrieb, die Todessehnsucht, die sich über die Stadt breitete, die Selbstmörderterrasse am Mönchsberg – das war schon interessant zu lesen." Dazu die Aufregung während der Festspiele in den 70er- und 80er-Jahren wegen seiner Premieren. "Das waren schon große Ereignisse!", die aber natürlich nicht frei zugänglich waren. "Erst Mortier hat das dann aufgebrochen, heute ist alles viel demokratischer. Man redet endlich über soziale Schranken und darüber, für wen eine Eintrittskarte um 25 Euro auch sehr viel Geld sein kann."

Ágota Kristóf spricht für sie sehr viele Themen an, die heute wieder aktuell sind. "1956 während des Ungarnaufstandes flüchtete sie in die Schweiz und schrieb eine Trilogie, der eindringlichste Teil davon ist Das große Heft. Ein Zwillingspaar wird zur Großmutter aufs Land gebracht, die diesen Kindern aber mit Härte begegnet anstatt Liebe oder Fürsorge. Sie wappnen sich gegen die Schlechtigkeiten der Welt und machen Übungen zur Abhärtung des Geistes und des Körpers, und damit sie das nie vergessen, schreiben sie alles in Das große Heft. Die Sprache ist nicht umschreibend, sondern nimmt sehr klar das Umfeld der Kinder auf. Beinahe wie bei Bernhard." (Manfred Rebhandl, 24.2.2024)