Bei den Demonstrationen für Menschenrechte und Demokratie gingen in mehreren österreichischen Städten Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Doch die Krise der Demokratie hängt hierzulande auch mit dem politischen Establishment zusammen.
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Die Krise der Demokratie hat in Österreich eine besondere Spielart. Obwohl vergleichbar klein wie Schweden, die Schweiz, Dänemark oder Finnland, ist die Leistungsfähigkeit des österreichischen politischen Establishments wesentlich geringer.

Finnland und Schweden zogen Jahrhundertprojekte wie den Nato-Beitritt – der vor dem Krieg in keinem der beiden Länder auch nur annähernd die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatte – in wenigen Monaten durch, in einem breiten Konsens von links bis rechts.

Ein ebenso breiter Konsens ermöglicht eine kontrollierte Migrations- und Asylpolitik in Dänemark. Solides Haushalten ist in der Schweiz, Dänemark und Schweden mit rechts- wie linksgeführten Regierungen möglich: Die Verschuldung der öffentlichen Hand ist in all diesen Ländern weniger als halb so hoch wie in Österreich, bei vergleichbar großzügigen sozialen Sicherheitsnetzen. Die Pensionssysteme sind in all diesen Ländern wesentlich besser ausfinanziert als in Österreich.

Politik ist in diesen Ländern leistungsfähiger, rechtsextreme Parteien sind weniger groß oder radikal als bei uns. Die Schweizer SVP zum Beispiel erinnert eher an die CSU von Franz Josef Strauß als an Kickls FPÖ – man kann darauf schließen, dass das geringerer politischer Unzufriedenheit entspricht.

Für "das Volk" setzt das Erfassen von Fakten einen Akt des Vertrauens in Autoritäten für all das voraus, was sie nicht selbst wissen und erfahren können. Die Explosion an Informationen während der letzten Jahrzehnte hat viele Autoritäten untergraben – oft zu Recht. Dadurch hören Menschen auf, Institutionen zu vertrauen, die für die Vermittlung der Wahrheit notwendig sind, vor allem Regierungen, Parteien und die "Mainstream-Medien".

Das politische Verhalten ändert das hierzulande nicht. Einen breiten Konsens für wichtige Reformen gibt es nicht, dafür klammert man sich an Geheimniskrämerei. Russische Staatsbürger können in Tirol nur Immobilien kaufen, wenn in einem Genehmigungsverfahren ein öffentliches Interesse nachgewiesen wird. 25 solcher Käufe wurden in den letzten zehn Jahren durch die Landesregierung genehmigt.

Der Tiroler Neos-Chef Dominik Oberhofer hat beanstandet, dass die Identität der Käufer und die Begründung des öffentlichen Interesses geheim sind. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die Begründung eines öffentlichen Interesses ist nicht öffentlich.

In Schweden wurde das Amtsgeheimnis als Prinzip im Jahr 1766 abgeschafft – vor über einem Vierteljahrtausend. Österreich folgt dieses Jahr, Jahrzehnte nach anderen europäischen Ländern, aber nur halbherzig: 88 Prozent aller Gemeinden (alle unter 5.000 Einwohner) mit 38 Prozent der Bevölkerung haben auch mit dem neuen Gesetz keine aktive Transparenzpflicht.

Dies illustriert das Problem: Das politische Establishment in Österreich reagiert auf Vertrauensverlust mit einem Veränderungswillen, den man mit der Lupe suchen muss. Wir brauchen Menschen an der Macht, die transparent sind, und bereit, sich Vertrauen zu erarbeiten – was bei vielen Eliten nicht der Fall ist.

Politik geht anders. Aber man muss auch wollen. (Veit Dengler, 25.2.2024)