Während das ganze Land noch geschockt ist, dass an nur einem Tag fünf Frauen in Wien ermordet wurden, wurde am Montagmorgen die nächste Frau getötet. Sie soll von ihrem Ehemann erschossen worden sein. Er soll nach der Tat einen Suizidversuch unternommen haben und wurde schwerverletzt in ein Krankenhaus gebracht. Es ist der siebente Femizid in diesem Jahr.

In dem erschütternden Fall von Freitagvormittag läuft die Suche nach dem mutmaßlichen Täter laut der Wiener Landespolizeidirektion noch auf Hochtouren. Auch hier steht ein Ehemann im Verdacht. Er soll seine Frau und die gemeinsame Tochter mit bloßen Händen in der gemeinsamen Wohnung in Wien getötet haben. Von dem Mann fehlt jede Spur.

Bei der dritten Tat, jener von Freitagabend, scheinen die Umstände zumindest grob geklärt: Der festgenommene 27-jährige Asylwerber ist nach Angaben der Ermittler "grundsätzlich geständig" drei Frauen in einem Bordell getötet zu haben. Die Tatwaffe, ein Messer, soll der Afghane eigens für die Tat besorgt haben. Die Staatsanwaltschaft Wien lasse ein Gutachten eines Sachverständigen einholen, um eine mögliche Zurechnungsunfähigkeit oder sonstige Schuldausschließungsgründe des Beschuldigten abzuklären.

Was im Gewaltschutz passiert ist

Auch international sorgen die Taten für Aufsehen, so berichtete unter anderem der "Guardian". Was also tun anlässlich der bedenklichen Serie an getöteten Frauen? Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verwies auf die bisher umgesetzten Maßnahmen. Er sei "überzeugt, dass die greifen werden". Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich am Wochenende zutiefst bestürzt, verwies aber ebenfalls darauf, dass Österreich mittlerweile über ein gut ausgebautes Gewaltschutzsystem verfüge. "Leider lässt sich auch dadurch nicht jeder einzelne Fall von Gewalt verhindern, gerade wenn es im Vorfeld keine Hinweise gab."

Femizide, Gewalt an Frauen, Frauenmorde
Aus jener Wiener Trafik, in der 2021 eine 35-Jährige getötet wurde, wurde ein Kunstraum, in dem sich wechselnde Ausstellungen mit Femiziden, Gewalt an Frauen und Solidarität befassen.
Verena Tscherner, Christoph Kleinsasser

Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren, was das Thema Gewalt an Frauen anbelangt, finanzielle Mittel erhöht und Angebote ausgebaut worden. Frauen-, Innen-, Sozial- und Justizministerium koordinieren sich diesbezüglich. Das zuletzt erhöhte Budget für das Frauenministerium floss laut Raab großteils in den Gewaltschutz. Das Innenministerium verweist darauf, dass unter anderem die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen gesetzlich verankert und ausgebaut wurden. Seit Herbst 2021 muss nach einem ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbot eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung absolviert werden. Allein in Wien durchliefen 9.000 Personen, zu 90 Prozent sind es Männer, dieses Angebot. Mittlerweile können auch Richter die Maßnahme anordnen, wenn sie eine einstweilige Verfügung zum Schutz gegen Gewalt erlassen. Es gibt außerdem mehr Geld für Opferhilfe und Prozessbegleitung sowie die Verankerung der Vertretungsbefugnis von Opferschutzeinrichtungen. Mit der Kampagne "Mann spricht's an" werden die Männer in den Fokus genommen, um gegen beobachtete Gewalt einzuschreiten.

Kampagne des Sozialministeriums zur Gewaltprävention
Sozialministerium

Welche Maßnahmen gefordert werden

Gewalt- und Opferschutzorganisationen sehen das dennoch anders. Sie fordern mehr Mittel und weitere Maßnahmen. Auch der Rechnungshof hat in einem Bericht letzten Sommer zahlreiche Baustellen beschrieben und Verbesserungspotenzial herausgearbeitet. Demnach gebe es keine langfristig angelegte, gesamthafte Strategie. Auch dass es keine einheitlichen Kriterien für die Beurteilung von Hochrisikofällen und die Abwicklung von Fallkonferenzen gebe wurde kritisiert. Außerdem hapere es bei der Fortbildung von Richtern zu dem Thema. Die versprochenen Gewaltschutzambulanzen gebe es noch nicht. Und in den Bundesländern fehle es an spezifischer Unterstützung für Polizistinnen, die bei Gewaltverdacht einschreiten. Das Vorbild ist Wien, wo ein eigenes Supportteam den Beamten dabei hilft, Hochrisikofälle zu entdecken.

Einige Anregungen wurden mittlerweile aber umgesetzt. So sind die Gewaltambulanzen in Graz und Wien derzeit laut einem Sprecher der Justizministerin "am Anlaufen". Auch die Fortbildung für Richter wurde demnach angegangen.

Appell an Frauen – und Nachbarn

Raab nimmt auch immer wieder die Frauen selber in die Pflicht. "Nur die wenigsten Frauen", die Gewalt erfahren, würden sich an eine Hilfseinrichtung wenden. "Auch die wenigsten Frauen, die ermordet wurden, hatten davor Kontakt zu einem Gewaltschutzzentrum oder einer anderen frauenspezifischen Beratungsstelle."

Auch Meri Disoski, Frauensprecherin der Grünen, wandte sich am Montag direkt an alle, die von Gewalt betroffen sind: "Sie sind nicht alleine, und Sie sind nicht schuld! Bitte holen Sie sich Unterstützung, Beratung und Schutz." Es brauche aber auch nachbarschaftliche Zivilcourage, sagt Disoski: "Bitte schauen und hören Sie bei Gewalt in Ihrer Nachbarschaft nicht weg. Ihr Einschreiten kann Leben retten."

Sonja Aziz, die als Anwältin viele Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, vor Gericht vertritt, plädiert dafür, das Problem "an der Wurzel" zu packen – und das sei die noch immer unzureichende Gleichstellung zwischen Frauen und Männern. Aziz, die Mitglied der "Taskforce Strafrecht, Opferschutz und Täterarbeit" war und sich im parlamentarischen Dialog "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" eingebracht hat, stellt in ihrer Arbeit mit Klientinnen fest, dass sie in Kontakt mit einer Vielzahl an Institutionen seien. Es fehle oft an Vernetzung. Und wenn es tatsächlich so sei, dass sich Frauen überhaupt keine Hilfe suchen, dann müsse man die Frage stellen, warum das so ist. "Wenn ich von meinem Mann finanziell komplett abhängig bin oder mein Aufenthaltsstatus davon abhängt, dann ist es schwer." (Lara Hagen, 26.2.2024)