Tiktok Shop
Zheng Xiang Xiang gehört zu den erfolgreichsten Shopping-Influencern der Welt. 14 Millionen Dollar soll sie pro Woche verdienen.
Tiktok Shop

Bezahlte Werbeeinschaltungen von Firmen spülen gutes Geld in die Kassen der Influencer und Content-Creators. Mehr oder weniger gekennzeichnet und von der jungen Zielgruppe kaum bemerkt, erfährt man dann meist kritiklos, wie toll die Produkte sind, für die gerade Geld einkassiert wurde.

Offenbar geht das vielen Firmen noch nicht weit genug, und so sollen im neuen Tiktok-Shop der gleichnamigen Video-App bezahlte "Shop-Stars" darauf trainiert werden, erfolgreich Produkte zu verkaufen. In China und den USA ist dieses Konzept bereits aufgegangen und spült Firmen und dem sozialen Netzwerk bereits Milliarden in die Kassen. Der logische nächste Schritt ist Europa in Richtung der vielen Millionen Kinder und Jugendlichen, die man damit erreichen möchte. Ein eigenes Shop-Star-Netzwerk muss dazu allerdings erst aufgebaut werden.

Shop-Stars

Aber warum sollte man als Jugendlicher Shop-Star werden wollen? Ganz einfach. Neben den involvierten Firmen und Tiktok verdient natürlich auch der Content-Creator am Erfolg des beworbenen Produkts mit. Den Einstieg erleichtern soll ein direkter Draht zu einem eigens eingerichteten Team bei Tiktok, dem sogenannten Star-Creator-Team. Dessen Aufgabe ist es, passende Influencer zu finden und diese mit dem nötigen Rüstzeug für eine erfolgreiche Karriere auszustatten. Außerdem verknüpfen die Star-Creators die jungen Talente auf Wunsch auch direkt mit Marken, damit sie an kostenlose Proben und andere Werbedeals gelangen können.

Die Tiktok-Partneragentur Gen Z Media erzählte Ende Februar dem "Business Insider", dass einige ihrer Shop-Star-Kunden, also die jungen Content-Creators, in eigens dafür angelegte Chats geladen werden, um dort unter anderem Informationen über die meistverkauften Produkte und diverse Angebote zu erhalten. Als Kommunikationskanal dient die Messagingplattform Lark, die – genau wie Tiktok – dem Unternehmen Bytedance gehört.

Es soll zahlreiche Benefits für aufstrebende Content-Creators und teilnehmende Firmen geben, um begeisterter Teil der Shopstrategie von Tiktok zu werden. Für viele kleinere und mittlere Unternehmen scheint das attraktiv gewesen zu sein, sieht man sich die mittlerweile in die Milliarden gehenden Umsätze des Tiktok-Shops an. Die wirklich großen Brands fehlen allerdings noch im Angebot. "Es ist fast so, als wollten sie dem großen Marken beweisen, dass das Konzept funktioniert, um die Zahl der Händler zu erhöhen", erklärt der Gründer von Gen Z Media, Remy Beaumont.

Tiktok/Bytedance
Bytedance bewirbt den Shop auf der Tiktok-Website bereits mit eindrucksvollen Zahlen.
Tiktok/Bytedance

#TiktokMadeMeBuyIt

Mit der chinesischen Schwester-App von Tiktok, Douyin, läuft das Business bereits sehr gut. 4,5 Milliarden Aufrufe verzeichnete der Hashtag #TiktokMadeMeBuyIt bereits. Influencer werden deshalb bereits "KOLs" genannt, Key Opinion Leaders. Meinungsmacher, die laut eigenen Angaben bereits Milliarden für den Konzern verdienen. Erfolgreiche Ideen von Douyin auf Tiktok zu bringen hat Tradition bei Bytedance, weshalb die Entwicklung auf andere Märkte nur eine Frage der Zeit war.

Bereits im Sommer vergangen Jahres ließ die Influencerin Sharon Jayy wissen, dass sie über ein Engagement als Tiktok-Shop-Creator nachdenken würde. "Jeder Creator sollte auf diesen Zug möglichst rasch aufspringen, bevor er voll ist", ließ sie damals in einem Interview wissen. Mittlerweile testet sie Produkte der Plattform und ist wie zu erwarten regelmäßig begeistert.

Mittlerweile hat Bytedance ein Netzwerk von Agenturen und Partnern aufgebaut, die eng mit den Content-Creators und Verkäufern zusammenarbeiten. Parallel dazu erweitert die Tiktok Shop Academy laufend ihr Angebot, um passende Trainings anzubieten. Einen wirklichen Unterschied, da sind sich Analysen einig, würde allerdings machen, nicht lauter kleine Influencer erst aufbauen zu müssen, sondern mit bereits großen, erfolgreichen Content-Creators Partnerschaften einzugehen. Mit den großen Reichweiten könne man dann schnell höhere Umsätze generieren.

Die höchsten Umsätze macht aktuell Zheng Xiang Xiang, allerdings auf Instagram. Die chinesische Streamerin hat eine besonders unkonventionelle Art gefunden, reich zu werden. Sie zeigt jedes Produkt nur drei Sekunden, was die Dichte an Werbedeals offenbar hat explodieren lassen. 14 Millionen Dollar soll sie aktuell verdienen – pro Woche.

Während ihr eine Assistentin orange Boxen ins Bild schiebt, öffnet die Influencerin diese Boxen in Millisekunden, zeigt das Produkt und wirft sie schnell wieder auf die Seite, um das nächste Paket zu nehmen. Vielleicht eine Nische, die man auf Tiktok übernehmen könnte?

Europa ist das nächste Ziel

Während Großbritannien bereits seit zwei Jahren zu den Märkten von Tiktok-Shopping-Formaten gehört und seit dem Frühjahr auch auf Tiktok Shop zugreifen kann, fehlt die Erschließung des europäischen Festlands noch. Besonders große Märkte wie Deutschland würden dem asiatischen Unternehmen sicher gut ins Marketingkonzept passen. Bisher gibt sich Tiktok Deutschland allerdings vage, wenn man sie auf derartige Pläne anspricht. "Wir haben den positiven Effekt von Tiktok Shop gesehen und freuen uns darauf, mit dieser neuen Commerce-Möglichkeit weiter zu experimentieren, um Unternehmen jeder Größe zu unterstützen und unserer Community die Möglichkeit zu geben, Produkte zu entdecken", hieß es Anfang Februar auf Nachfrage der Online-Marketing-Firma OMR.

Offenbar war die Resonanz in Europa und den USA vor zwei Jahren keinesfalls ähnlich euphorisch wie in China, weshalb die Expansionskurve damals schnell abflachte. Wie OMR Ende 2023 berichtete, wurden zuletzt allerdings Amazon-Angestellte aus dem Bereich E-Commerce von Tiktok abgeworben, und aktuelle Stellenausschreibungen beispielsweise in Amsterdam oder Dublin sprechen ebenfalls dafür, dass die Pläne für Europa nicht ganz auf Eis gelegt wurden.

Eine Aufgabe der Fachkräfte dürfte wohl sein, derartige Sales-Pläne mit dem Digital Services Act der Europäischen Union in Einklang zu bringen, denn eigentlich ist Werbung, die sich gezielt an Minderjährige richtet, nach dem neuen Regelwerk verboten. Auch Tiktok hat bereits Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass Minderjährige gezielt mit Werbebotschaften angesprochen werden. Eine dieser Maßnahmen ist beispielsweise, dass Konten von Nutzerinnen und Nutzern unter 16 Jahren auf "privat" gestellt werden.

Sollte es bald so weit sein und Tiktok den rechtlichen Spagat schaffen, werden wohl auch in Österreich und Deutschland Youtube-Videos entstehen, wie man "50.000 in fünf Tagen mit Tiktok Shop" verdienen kann, wie das jetzt schon auf US-Kanälen weitverbreitet ist. Mehr oder weniger vertrauenswürdige Anleitungen, wie man als Person "100 Millionen Euro Umsatz auf Tiktok Shop" generiert, gibt es bereits jetzt. (Alexander Amon, 27.2.2024)