Volleyball Hände Ball
Kinder an die Macht? In Amstetten hatte man sich im Zeitplan grob verschätzt, wollte aber das Nachwuchsturnier auf keinen Fall abbrechen. Der Spielbeginn des Männer-Viertelfinales verschob sich immer weiter nach hinten. So weit, dass Meister Tirol nicht mehr mitspielte und heimfuhr.
AP/Favila

"Mein Fehler, meine Schuld." Michael Henschke steht nicht an, sich zu entschuldigen. Seit 2008 ist er Sportdirektor von VCA Amstetten, der Verein ist eine mittelgroße Nummer im heimischen Volleyballsport. Der Sonntag hätte für Amstetten und Henschke ein absolutes Highlight werden sollen, geplant war ein "Volley-Day", wie ihn Amstetten noch nicht gesehen hat. Der Verein hatte als Organisator der niederösterreichischen U-15-Finalturniere in die Johann-Pölz-Halle geladen, erstmals sollten die Landestitel für Mädchen und Burschen in einem gemeinsamen Event vergeben werden. Und danach sollte quasi als krönender Abschluss das erste Viertelfinalspiel steigen: Amstetten, der große Außenseiter, gegen Hypo Tirol, den mehrmaligen Champions-League-Teilnehmer und elffachen österreichischen Meister.

Das war der Plan. Doch herausgekommen sind eine Riesenaufregung, eine Absage, eine Strafverifizierung und ein Streit, der sich hinziehen dürfte. Was ist da passiert? Und wofür muss und will sich Henschke entschuldigen? "Ich habe mich einfach verschätzt, ich hab mich in der Zeitberechnung geirrt", sagt Henschke dem STANDARD. "Ich habe mit einer Stunde pro Spiel gerechnet, doch Mädchenspiele können manchmal richtig lange dauern, weil die Ballwechsel einfach länger sind. Noch einmal: mein Fehler." Dabei war die Beginnzeit des Männerspiels gegen Tirol eigens schon einige Tage vor der Partie um eine Stunde nach hinten verlegt worden, von 16 auf 17 Uhr. Doch das reichte nicht aus.

Hier die Regeln, da die Kinder

Die Regeln sehen vor, dass den Teams der Platz schon eine Stunde vor Spielbeginn zum Aufwärmen zur Verfügung steht. Doch als die Tiroler nach gut vierstündiger Busfahrt in Amstetten eintrafen, war schon absehbar, dass sich das nie und nimmer ausgehen würde, dass selbst bis 17 Uhr die U15-Spiele noch nicht zu Ende sein würden. Was Henschke auf keinen Fall wollte, war ein vorzeitiges Ende des Nachwuchs-Finalturniers. "Da waren insgesamt zwölf Vereine dabei und deshalb ein paar Hundert Leute in der Halle. Viele der jungen Spielerinnen und Spieler bringen ja nicht nur die Eltern, sondern auch die Großeltern und Onkeln und Tanten mit. Da war allerbeste Stimmung, die sind mit Pauken und Trompeten gekommen. Ich weiß nicht, was die mit mir gemacht hätten, wenn ich das Turnier so knapp vor dem Ende abgebrochen hätte."

Johann-Pölz-Halle, Volleyball, Kinder.
Es waren viele, viele junge Volleyballerinnen und Volleyballer in der Johann-Pölz-Halle. Und viele hatten Familie und Freunde zur Unterstützung mitgebracht.
VCA

Laut Henschke wurde mit den Referees und auch mit dem Tiroler Trainer Stefan Chrtiansky darüber gesprochen, das Spiel noch einmal zu verschieben. "Wir haben gesagt, wir laden alle in den VIP-Bereich ein, wir bewirten sie." Er glaubt, dass sich ein Spielbeginn um 18.30 Uhr ausgegangen wäre. Der heimische Verband, der das Spiel am Montag mit 3:0 für Tirol strafverifizierte, hielt in seiner Begründung fest, dass das Match nicht vor 19.15 Uhr begonnen hätte. Henschke gibt zu, dass die Strafverifizierung "völlig zu Recht erfolgte", sie war durch das Regulativ gedeckt, so gesehen unausweichlich. Und doch wunderte er sich, dass die Innsbrucker "um 17.15 plötzlich abgedampft sind". Auslöser war wohl ein Telefonat des Tiroler Trainers Chrtiansky mit dem Tiroler Klubchef Hannes Kronthaler gewesen.

Kronthaler fühlt sich "gepflanzt"

Diese Geschichte, das dürfte auch allen Beteiligten klar sein, wird nicht in die österreichischen Sportgeschichtsbücher eingehen. Wohl nicht einmal in die Volleyballgeschichtsbücher. Tirol wird seine Meistertitel mehren, Amstetten eine mehr oder weniger große Nummer bleiben, es wird Gras über die Sache wachsen. Diese Geschichte beschreibt aber andererseits sehr gut, wie schnell es gehen kann, dass sowas von sowas kommt. Ein Riesenwickel aus dem Nichts heraus, und Wickel, bei dem sich beide Streitparteien im Recht sehen und diese Sicht auch durchaus argumentieren können. "Er soll einen anderen pflanzen, nicht mich", sagt Kronthaler dem STANDARD und meint Henschke.

Denn dieser hätte laut Kronthaler mehrere Möglichkeiten gehabt, das Schlamassel zu verhindern. "Sie hätten anrufen und vorschlagen können: Hey, wir drehen die Spiele einfach um, wir spielen das erste Match in Innsbruck und das zweite in Amstetten." Dann wäre Amstetten allerdings um die Idee umgefallen, das Nachwuchsturnier mit dem Viertelfinale zu kombinieren. "Eh", sagt Kronthaler, "aber wir spielen ja nicht irgendwas, wir spielen erste Liga. Wenn Rapid zur WSG Tirol fährt, wird Rapid auch nicht zwei Stunden warten, weil dort noch ein Nachwuchsturnier stattfindet." Kronthaler sagt, er sei auch deshalb so empört, weil er seit Jahr und Tag für bessere Bedingungen, für adäquate Hallen laufe und trommle. "Und dann können gewisse Leute nicht einmal ein Viertelfinale g'scheit organisieren."

Viele leere Kilometer

Die andere, vielleicht noch bessere Möglichkeit wäre gewesen, das Viertelfinale fix um, sagen wir, 14 Uhr anzusetzen. Nachwuchsspiele davor, Nachwuchsspiele danach, tolle Stimmung in der Halle garantiert. "Aber so ist meine Mannschaft von Innsbruck nach Amstetten und wieder retour gefahren – für nichts", sagt Kronthaler. "Es ist eine Frechheit, eine Sauerei." Kronthaler und Henschke kennen einander seit gut 25 Jahren, sie hatten in dieser Zeit stets ein gutes Auskommen, Henschke würde sogar sagen, ein freundschaftliches. Mag sein, dass es damit nun vorbei ist – wobei man auch nicht ausschließen sollte, dass sich die beiden bis oder auch am Samstag aussprechen, wenn es in Innsbruck zum "Retourspiel" kommt. Aktuell freilich poltert Kronthaler noch: "Ich hoffe, dass Amstetten vom Verband auch eine saftige Geldstrafe aufgebrummt bekommt." Henschke sagt: "Die Tiroler haben, wenn man die Regeln anschaut, völlig recht. Aber sind sie auch moralisch im Recht?" Er hofft, dass der Verband von einer Geldstrafe absieht.

VCA Amstetten hatte sich mit Müh und Not fürs Viertelfinale qualifiziert, die aktuelle Saison ist nicht so gut verlaufen wie jene davor. Da waren die Niederösterreicher just die Einzigen, die Tirol einmal bezwingen konnten, daheim mit 3:2. Henschke: "Wenn sie diesmal, wovon man ausgehen kann, 3:0 gewonnen hätten, wäre die Zeit schon wieder fast herinnen gewesen." Einige der Tiroler Spieler, sagt Henschke, hätten sogar ihr Unverständnis über die Abfahrt ausgedrückt. "Die hätten gerne gespielt vor all den Kindern." Und vor all den Eltern, den Großeltern, den Tanten und den Onkeln mit ihren Pauken und Trompeten. (Fritz Neumann, 28.2.2024)