Israels Starterin Eden Golan (20) – wenn sie denn mitsingen darf.
Israels Starterin Eden Golan (20) – wenn sie denn mitsingen darf.
REUTERS/STRINGER

"Someone stole the moon tonight / Took my light / Every­thing is black and white / Who’s the fool who told you / Boys don’t cry“ oder "Dancing in the storm / We got nothing to hide / Take me home / And leave the world behind" – dass solche eher banal anmutenden Textzeilen beim Song Contest einmal für Aufregung sorgen würden, stand nicht zu erwarten. Sie tun es aber seit Ende vergangener Woche, weil sie in der von Israel ins Rennen um den Gesangspreis geschickten Nummer stehen. Deren viel deutlicherer Titel: October Rain.

Noch bevor Israel Anfang Februar die 20-jährige Eden Golan als seine heurige Starterin bekanntgab, herrschte in der ESC-Community wegen des Kriegs in Gaza bereits Unruhe. Andere Teilnehmerländer hatten zum Ausschluss Israels aus dem Wettbewerb aufgefordert. Vergangene Woche berichteten israelische Medien dann, die European Broadcasting Union (EBU) als austragende Stelle überlege, den Beitrag als politisch zu disqualifizieren. Die EBU indes teilte nur mit, den Song, der wie alle Beiträge bis 11. März bei ihr eingelangt sein muss, zu prüfen.

Nun wird einerseits darüber debattiert, dass sehr wohl schon eindeutig politische Songs beim Wettbewerb antreten durften (2016 der ukrainische Gewinner 1944 von Jamala, 2023 Mama ŠČ! aus Kroatien), andere wiederum nicht (2009 Georgiens We Don’t Wanna Put In). Andererseits übt man sich in Interpretationen der Verse des israelischen Beitrags, den der israelische Fernsehsender Kan, der für die Teilnahme verantwortlich ist, keinesfalls ändern möchte: Eher nähme man heuer in Malmö nicht teil, heißt es.

Für Politiker "bewegend"

Wo verläuft die Grenze zwischen einem Klagelied über Erfahrungen („There’s no air left to breathe / No place, no me from day to day“, "Why does time go wild“), die Israel mit dem Überfall der Hamas erdulden musste, und einer laut EBU-Regeln ungerechtfertigten Politisierung eines Musikevents? Ist „Writers of the history / Stand with me" ein Hinweis darauf, die israelische Seite in dem Konflikt einzunehmen und damit das Leid der Palästinenser zu übersehen? Meint der bis auf seine letzte, hebräische Strophe auf Englisch verfasste Liedtext mit dem Wort "flowers" mehr als nur Blumen, weil die Israelischen Streitkräfte mit dem Begriff auch ihre gefallenen Soldaten bezeichnen?

Israels Kulturminister verwehrte sich in den sozialen Medien gegen Kritik: Der Song sei "bewegend" und drücke die Gefühle des Landes aus. (Michael Wurmitzer, 26.2.2024)