Jubel für Dirigent Alain Altinoglu und die Wiener Symphoniker.
Jubel für Dirigent Alain Altinoglu und die Wiener Symphoniker.
Amar Mehmedinovic / Musikverein

Die Fastenzeit und Mahlers zweite Symphonie kennen beide letztendlich dasselbe Ziel: die Auferstehung, das Utopia des gläubigen Menschen. Während der christliche Kalender 40 Tage bis zum übernatürlichen Ereignis veranschlagt, schafft Mahler die Sache in zweimal 40 Minuten. Der Großmeister und praktizierende Theatraliker schont dabei sich und seine Ressourcen nicht und bietet alles auf, was man in einer spätromantischen Symphonie aufbieten kann: neben einem Riesenorchester und einem Fernorchester auch einen großen gemischten Chor plus zwei Solistinnen als Sahnehäubchen. Und nicht zu vergessen einen Organisten, der am Ende alle Register zieht.

Sterben, um zu leben: Bei Mahlers gigantischem, zwischen Mirakel und Spektakel oszillierenden Opus glaubt man kurz an das ewige Leben in strahlendem Es-Dur. Denn die Aufführung der Zweiten vonseiten der Wiener Symphoniker und des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde unter der Gesamtleitung von Alain Altinoglu bescherte am Sonntag einige Gänsehautmomente, speziell bei den dramatischen Ballungen des Kopfsatzes und dem Glorifizierungsgipfelpunkt im letzten.

Berührung des Inneren

Einige innige, lyrische Passagen wie die E-Dur-Idyllen der Streicher im Allegro maestoso und die gedämpften, pizzicato hingetupften Ländler-Welten im langsamen Satz wiederum berührten mehr innerlich. Etwas harmlos weichgezeichnet, das Unheimliche, Grelle nicht übermäßig forcierend: der Scherzo-Satz. Altinoglu, der 48-jährige Musikdirektor des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel und des hr-Sinfonieorchesters in Frankfurt, gefiel durch eine straffe und energische, aber auch feinfühlige Leitung: Der explosive Furor der tiefen Streicher, der sich bald mäßigen sollte, bot gleich zu Beginn ein klingendes Beispiel dafür.

Wundervoll der dynamische und emotionale Ambitus des Singvereins, beglückend auch der üppige Alt von Nora Gubisch und der strahlende Sopran von Chen Reiss. Seliger Jubel. (Stefan Ender, 26.2.2024)