"Gedenkkundgebung gegen Femizide" am Samstag in Wien-Brigittenau, wo am Freitag drei Sexarbeiterinnen getötet wurden.
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Innerhalb weniger Tage wurden in Österreich fünf Frauen und ein Mädchen getötet. Im Jänner wurde eine Frau Opfer eines Femizids. Aufgrund der jüngsten Dichte an tödlicher Gewalt gegen Frauen kündigte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) noch für diese Woche ein Arbeitsgespräch mit Expertinnen aus den Bereichen Sicherheit, Justiz und Opferschutz an. Raab betonte bei einem Pressetermin am Dienstag auch, dass jede dieser Tötungen unterschiedlich sei und dass erst Motive aufgeklärt werden müssten. Doch einen klaren Hinweis auf einen wichtigen Hintergrund für jede dieser Taten gibt es bereits allein durch ihre Benennung als Femizid. In den vergangenen Jahren ist der Begriff in der Berichterstattung über Tötungen an Frauen zum Standard geworden. In Österreich setzte er sich vor allem seit dem Anstieg tödlicher Gewalt in den vergangenen Jahren durch, ein trauriger Höhepunkt war das Jahr 2018, als 41 Frauen Opfer eines Femizids wurden.

Aber was bedeutet der Begriff genau? Meist wird Femizid damit umschrieben, dass eine Frau oder ein Mädchen getötet wurde, weil sie eine Frau oder ein Mädchen war. Das European Institute for Gender Equality spricht in seiner Definition "von privaten und öffentlichen Akteuren begangener oder tolerierter Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts". In der Wiener Erklärung der Vereinten Nationen zu Femizid aus dem Jahr 2012 wurden zum ersten Mal verschiedene Formen von Femiziden kategorisiert, etwa mitgiftbezogene Tötungen von Frauen, Tötungen weiblicher Kinder und gezielte Tötung ungeborener Kinder zu Zwecken der geschlechtsspezifischen Selektion, Ermordung von Frauen als Folge von Gewalt durch Intimpartner oder auch Todesfälle in Zusammenhang mit Genitalverstümmelung.

Verankerter Frauenhass

Die Soziologin und Aktivistin Diana Russel hat den Begriff "femicide" bereits 1976 in Anlehnung an den englischen Begriff "homicide" geprägt. Femizid soll die umfassende strukturelle Komponente bei Tötungen von Frauen und Mädchen aufzeigen: die fehlende Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, die Unterdrückung von Frauen, die systematische Gewalt gegen Frauen, etwa durch ökonomische Abhängigkeit, sowie tief verankerten Frauenhass.

"Femizid" soll somit mittransportieren, dass tödliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht im luftleeren Raum passiert, sondern innerhalb des Patriarchats und dass diese Gewalt stark mit Besitzansprüchen und Überlegenheitsdenken von Männern zusammenhängt. Die feministische Anthropologin Marcela Lagarde betonte in mehreren Artikel über Femizide Ende der 1990er, die aufgrund brutaler Serienmorde in der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez erschienen, dass der Staat für die Sicherheit von Frauen verantwortlich sei. Sie spricht im Zusammenhang mit Femiziden deshalb sogar von einem "Staatsverbrechen". Feministinnen verwenden den Begriff "Femizid" etwa seit der Jahrtausendwende verstärkt, Medien sind in den vergangenen Jahren nachgezogen.

Weltweite Phänomene

Studien zeigen, dass die Umstände von Tötungen von Frauen völlig andere sind als bei Männern. Frauen werden meist in den eigenen vier Wänden ermordet, die Täter sind zum überwiegenden Teil ihre Partner oder Ex-Partner. Diese Unterschiede sind weltweit zu beobachten, ebenso Sexismus und die Diskriminierung von Frauen. Es handelt sich somit um universelle, geschlechterspezifische Phänomene, die der Begriff Femizid versucht einzufangen.

Doch obwohl er deshalb auch weltweit verwendet wird, liefert er keine internationale Vergleichbarkeit. Femizid zeigt zwar die politische Dimension von Morden an Frauen und Mädchen auf, auf juristischer oder auch kriminologischer Ebene gibt es allerdings keine einheitliche Definition. Ein exakter Vergleich der Femizide zwischen – etwa europäischen Ländern – ist deshalb nicht möglich.

Große Datenlücke

Tatsächlich kann die Beurteilung, ob eine Frau aufgrund ihres Geschlechts getötet wurde, mitunter sehr schwierig sein. Wenn etwa eine ältere Frau Opfer eines Raubmordes wird, wird das nicht als Femizid bezeichnet. Allerdings könnte es sein, dass der Täter gezielt körperlich unterlegene Frauen als Opfer wählt. Somit würde die gängige Definition stimmen. Doch passt hier der wichtige Aspekt der Frauenverachtung noch rein? Unklar sind auch Fälle von sogenannten erweiterten Suiziden, wenn zwar ein gemeinsamer Abschiedsbrief hinterlassen wurde, aber letztlich der Mann die Waffe abgedrückt hat. Ob und welche Absprachen es davor gegeben hat, bleibt im Dunkeln. Die Psychiaterin Heidi Kastner zählt zu den zentralen Momenten eines erweiterten Suizids, dass es zuerst den Entschluss bei jemanden gibt, Suizid zu begehen, und erst in zweiter Linie eine andere Person miteinbezogen werde – und diese Person werde als "abhängig erlebt". Die Frau vom Mann abhängig, das würde wiederum die Definition der Tat als "Femizid" rechtfertigen.

Geschlechter- und Gewaltforscherinnen kritisieren laufend die riesige Datenlücke zur Gewalt gegen Frauen – in Österreich und Europa. Die fehlende einheitliche Definition von Femiziden trägt wesentlich zu dieser Lücke bei. (Beate Hausbichler, 28.2.2024)