John Squire (li.) und Liam Gallagher flauchen für ihr erstes gemeinsames Album aus dem Beatles-Museum alles, was nicht festgeschraubt ist.
John Squire (li.) und Liam Gallagher flauchen für ihr erstes gemeinsames Album aus dem Beatles-Museum alles, was nicht festgeschraubt ist.
Warner Music

Er wäre nicht Liam Gallagher, käme er ohne größenwahnsinnige Ankündigung aus. Sein neues Album wäre größer als Revolver von den Beatles, verkündete er vorab. Bescheidenheit ist eine Zier – für Lulus. Das braucht man natürlich nicht ernst nehmen, aber der frühere Sänger der britischen Band Oasis hat eine gewisse Vorgeschichte punkto Selbstüberschätzung, es verwundert also niemanden. Dabei reichte es nicht einmal für einen Titel für das ach so geniale Werk. Luftpistole hätte sich hinsichtlich der Revolver-Anmaßung aufgedrängt.

Immerhin klingt das am Freitag erscheinende Album lebendiger als alles, was er seit dem Ende von Oasis veröffentlicht hat. Aber nicht wegen seines Gesangs, der sich immer noch zieht wie ein ranziger Kaugummi, nein. Gallagher hat John Squire aus dem Ruhestand geholt. Der war Gitarrist bei der den Britpop-Boom der 1990er vorwegnehmenden Band Stone Roses und gilt als begnadeter Handwerker, der sich von der Musik eigentlich schon abgewendet hatte – zugunsten der Malerei. Aber wenn ein Gallagher breitbeinig vor der Tür steht, bittet man ihn natürlich herein.

Mit den Verweisen auf Oasis und die Stone Roses ist das Terrain abgesteckt, auf dem sich die Zusammenarbeit der beiden entfaltet, den Rest schultern die Beatles als Leitkulturtragende. Zumindest auf Brexit-Island brauchen die beiden nicht um den Erfolg ihrer Zusammenarbeit fürchten, dort gelten sie als Hausheilige für mindestens eine Generation von Popfans.

Liam Gallagher & John Squire - Just Another Rainbow (Official Video)
Liam Gallagher

Dabei gibt es das Duo stellenweise richtig billig. I'm a Wheel ist ein Bluesrocker für Gitarrenlehrer, die bei Ten Years After feuchte Augen kriegen. Squire geizt da nicht gerade mit Noten, Gallagher singt wie sonst, seine zur Arroganz zerdehnten Lyrics konvenieren dabei durchaus mit der abgebremsten Geschwindigkeit. "I'm a wheel / I keep turning", singt er Nobelpreis-unverdächtig – insgesamt klingt das ziemlich altbacken.

Liam Gallagher & John Squire - Mars To Liverpool (Official Video)
Liam Gallagher

Immerhin entfernt sich das Duo damit von seinem angestammten Platz, klingt mehr nach den Sixties, was sich in einem Song wie Love You Forever kurz darauf wiederholt. Da darf man durchaus an Jimi Hendrix denken – abzüglich dessen Göttlichkeit. Aber eingängige Melodien schüttelt Squire locker aus dem Gelenk, das kann er, und die sich durchs Werk ziehenden Sixties-Reminiszenzen sind eine Art Daseinspflicht, die Friseure der beiden wären sonst menschlich enttäuscht. Und höher gezielt hat Gallagher ohnehin nie. Ihm reicht es, seiner Meinung nach in Beatles-Sphären zu schweben. Ob das zutrifft oder nicht, ist ihm egal, sein Wort ist sein Gesetz.

Geschwollene Brust

Das kennt man vonseiten des 51-jährigen Gallagher seit Oasis-Tagen, dass die Hälfte der vermeintlichen Bedeutung über die Behauptung derselben erzielt wurde. Aber nachdem damit in den 1990ern das Interesse der Weltöffentlichkeit nach dem Fokus auf Seattle wieder verstärkt auf England gelegt wurde, drückten viele ein Auge zu, die Brust war vor Stolz gerade so schön geschwollen.

Diese Schwellung hat sich bei Gallagher nie gelegt, und sollten ihn je Selbstzweifel ereilen, der Mythos Oasis macht sie sicher schnell wieder weg. Das Album klingt insgesamt wie ein Museumsstück, brav renoviert und vom Staub befreit, aber dennoch wie aus der Zeit gefallen. "I'm so bored with this song", singt Gallagher im vorletzten Lied. Das könnte locker schon am Anfang stehen. (Karl Fluch, 28.2.2024)