Ganz Österreich ist von großen Lebensmittelhandelskonzernen besetzt. Ganz Österreich? Im Osten des Landes versuchen die Unimärkte rund um den Unternehmer Andreas Haider die Stellung zu halten, verlieren jedoch angesichts des widrigen Umfelds zusehends an Kraft. Im Westen leisten die Supermärkte von MPreis seit vier Generationen Widerstand gegen die Expansion von Spar, Rewe, Hofer und Lidl. Aber auch dieses Familienunternehmen steht stark unter Druck.

MPreis ist seit vier Generationen familiengeführt und einer der größten Arbeitgeber in Tirol.
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Branchenkenner warnen vor einer weiter wachsenden Konzentration auf einem von wenigen Platzhirschen dominierten Markt.

1920 verkaufte Therese Mölk in Innsbruck Zucker, Mehl, Milch und Käse. Neun Jahre später führte sie elf Filialen, eine Bäckerei und Molkerei. 1974 eröffneten ihre Nachfahren den ersten MPreis. Als Individualisten und Eigenbrötler erlebten Weggefährten David, Peter Paul und Martin Mölk. Die drei Brüder setzen ihre Märkte durch moderne Architektur in Szene – zogen es privat jedoch vor, das Licht der Öffentlichkeit zu meiden. Mit 5500 Beschäftigten an 300 Standorten zählen sie zu den größten Arbeitgebern in Tirol.

Im Banne der Inflation

Seit die hohe Inflation Österreich im Griff hat, ist intern vieles im Umbruch. MPreis weist für Februar bis Dezember 2022 bei gut 801 Millionen Euro Umsatz einen Verlust in Höhe von mehr als 15 Millionen Euro aus.

Fast zwölf Millionen waren es im Geschäftsjahr davor. Auch für 2023 wurden rote Zahlen in Aussicht gestellt. Das geht aus der jüngst veröffentlichten Bilanz hervor.

Höhere Einkaufspreise könnten nur teilweise an Konsumenten weitergegeben werden, was die Spannen reduziere. Kunden ziehe es in den Diskont. Der Umsatz biologischer und regionaler Lebensmittel sinke, heißt es im Lagebericht. Nicht mehr aus dem Betriebsergebnis decken ließen sich vor allem hohe Energiekosten.

"Transformation"

Teuerung und Investitionen hätten auf MPreis eine größere Auswirkung, da man als Tiroler Nahversorger Kostensteigerungen nicht auf mehrere Tausend Filialen umlegen könne, lässt das Unternehmen auf Anfrage des STANDARD wissen. Diese seien vor allem im Transportbereich massiv, da alle Filialen aus Völs beliefert würden. Derzeit sei ein Transformationsprozess im Gange. Ziel seien höhere Profitabilität und effizientere Strukturen.

Hinter den Kulissen mehren sich jedoch Spekulationen, dass es bei MPreis zu gröberen Umbauarbeiten kommt. Von einem möglichen Einstieg des Rivalen Rewe ist die Rede.

Rewe hat sich mit der Vertriebslinie Billa kürzlich aus Vorarlberg zurückgezogen. Vier der zehn Filialen wurden an Sutterlüty, die Handelskette aus dem Bregenzerwald, abgegeben, an der Rewe zu 24,9 Prozent beteiligt ist. Fünf Filialen übernahmen Kaufleute der Adeg, die ebenso ins Reich der Rewe gehört. Eine wurde zu einer Bipa-Drogerie.

Frage der Vielfalt

Der Grund dafür? Adeg ist im Ländle stärker verwurzelt als Billa. Unnötige Konkurrenz zum eigenen Partner war für Rewe und Sutterlüty schon länger Stoff für Diskussionen. Auch die teure Logistik in den Westen spielte dabei mit. Ein weiterer Anstoß seien sinkende Marktanteile gewesen, meinen Konzernkenner: Damit erhöhten sich die Chancen, im Falle einer Beteiligung an MPreis grünes Licht von der Wettbewerbsbehörde zu erhalten.

Rewe weist derartige Annahmen entschieden zurück. Auch MPreis spricht von völlig falschen Gerüchten: "Wir sind seit über 100 Jahren ein Familienunternehmen und werden das auch bleiben."

Sollte es anders kommen, ist ein Aufschrei unter Konkurrenten und Lieferanten gewiss. Die Einkaufsmacht der Rewe würde massiv steigen, sagt Christof Kastner, der als Großhändler 140 Nah&Frisch-Händler beliefert. "Für den Markt wäre es katastrophal. Die Anteile der großen Handelskonzerne sind schon bisher erdrückend. Es braucht Diversität."

"Kein Rückzug im Osten"

Kolportiert wird zudem, dass sich MPreis aus Kostengründen zur Gänze aus Kärnten und Oberösterreich zurückziehen wolle. Die Expansion in den Osten war einst rund um die Abgabe der Rewe von Adeg-Filialen im Salzkammergut geglückt. Sie erwies sich allerdings als logistisch herausfordernd. Vor allem Oberösterreich gilt in der regionalen Nahversorgung als hart umkämpft.

Ein Sprecher von MPreis stellt scharf in Abrede, sämtliche Filialen in Oberösterreich wie Kärnten aufzugeben. Man evaluiere das Netz an Standorten und habe einige wenige Märkte in weiter entfernten Regionen geschlossen. Dafür seien jedoch andere modernisiert oder neu eröffnet worden. MPreis sei in Oberösterreich nunmehr mit fünf und in Kärnten mit 14 Märkten vertreten. "Wir werden hier weiter aktiv bleiben." Das gelte auch für Salzburg.

Viele Standbeine

Die Tiroler führen neben Supermärkten drei Produktionsbetriebe für Backwaren, Fleischwaren und Convenience-Gerichte. Dafür wichtiger Abnehmer ist die Gastronomie. Die Corona-Krise hinterließ hier herbe Spuren. Kurzarbeit war vielerorts nicht möglich. Um etliche Förderungen fiel die Gruppe um, da sie als Lebensmittelhändler offenhielt.

Neben dem Ausbau Richtung Osten floss viel Kraft in eine Wasserstoffanlage, die 2022 schrittweise in Betrieb genommen wurde. Im November kündigte das Unternehmen eine Offensive in Südtirol an, wo es bis dahin mit 25 Märkten vertreten war. Im Februar initiierten die Tiroler im Zuge stärkerer Digitalisierung eine App, die Kunden den Zugang zu Rabatten erleichtern will.

Im Visier der Kartellwächter

Ins Visier der Wettbewerbshüter geriet MPreis infolge unfairer Handelspraktiken. Der Konzern sah sich mit 16 Anträgen für Geldbußen konfrontiert. Lieferanten sollen Pro-forma-Rechnungen erhalten haben. Diese seien in keinerlei Zusammenhang mit erworbenen Produkten gestanden. Sollten Zahlungen geleistet worden sein, habe MPreis diese an Lieferanten refundiert, ließ die Behörde im Spätherbst wissen.

MPreis holte in den vergangenen Jahren erstmals in der Geschichte des Familienunternehmens externe Manager in die Geschäftsführung. Im ersten Quartal 2023 wurde ein neuer Finanzierungsvertrag abgeschlossen. Damit sei der finanzielle Rahmen für den Zeitraum von drei Jahren sichergestellt worden. Zugleich wurden Liquiditätsreserven von 20 Millionen Euro geschaffen.

Wachsende Marktmacht

Spar, Rewe und Hofer decken in Österreich mehr als 85 Prozent des Lebensmittelgeschäfts ab. Da kleine Nahversorger stetig an Boden verlieren, wächst ihr Einflussbereich.

Für mehr als 71 Prozent der Lieferanten sei der Lebensmitteleinzelhandel der wichtigste Absatzkanal. Vier Fünftel seien spürbar negativen Folgen ausgesetzt, vermeldeten die Kartellwächter in ihrem aktuellen Jahresbericht. Sie versprechen, einen Schwerpunkt auf die Verfolgung unlauterer Handelspraktiken zu legen.

In der Vergangenheit winkte sie Übernahmen unter Supermärkten weitgehend ungebremst durch. Viel Druck üben Branchenriesen mittlerweile vor allem durch ihren hohen Anteil an Eigenmarken und zunehmende vertikale Integration aus – durch eigene Produktionen für Brot, Fleisch und Gemüse. Diese schwächen nachgelagerte Strukturen. Ein politisches Rezept dagegen gibt es in Österreich bisher nicht. (Verena Kainrath, 28.2.2024)