Olaf Scholz (links) mit Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in Kiew im Juni 2022)
Olaf Scholz (links, hier mit Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in Kiew im Juni 2022) wurde seit Kriegsbeginn schon häufig als Zauderer bezeichnet.
IMAGO/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRE

Soll Deutschland der Ukraine Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern liefern, damit auch Ziele hinter der Frontlinie getroffen werden können? Die Debatte wird in Berlin seit Monaten heftig geführt.

Man wusste: Kanzler Olaf Scholz will das nicht. Immer wieder ist von ihm zu hören, dass sich Deutschland bei den Waffenlieferungen an die Ukraine eng mit den USA abstimme. Und diese würden, im Gegensatz zu Frankreich und Großbritannien, auch keine Marschflugkörper bereitstellen.

Nun hat der deutsche Kanzler seine ablehnende Haltung erstmals ausführlich begründet. "Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein", sagte er auf einer Chefredakteurskonferenz der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und fügte hinzu: "Auch nicht in Deutschland."

Er nahm auch Bezug auf Frankreich und Großbritannien: "Das, was andere Länder machen, die andere Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, das wir jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können."

Oft schon zurückhaltend

Auch dem Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für Bodentruppen in der Ukraine widersprach Scholz vehement. Bei ihm ist damit jene Zurückhaltung wieder zu spüren, die schon zu Beginn des Ukrainekrieges sein Handeln bestimmt hat. So gab es auch bei der Lieferung von Panzern zunächst eine "rote Linie", dann jedoch sagte Scholz sie doch zu.

Doch bei Taurus zeichnet sich ein Schwenk nicht ab. Scholz sagt: "Das ist eine sehr weitreichende Waffe, und das, was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden."

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius traf am Dienstag in Wien mit seiner österreichischen Amtskollegin Klaudia Tanner zusammen.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius traf am Dienstag in Wien mit seiner österreichischen Amtskollegin Klaudia Tanner zusammen.
APA/ROBERT JAEGER

Nach Schätzung von Experten verfügt die Bundeswehr über 500 bis 600 Taurus-Marschflugkörper. Die Ukraine hat Berlin mehrmals um Lieferung der Marschflugkörper gebeten. Aber Scholz hat erneut Sorge, dass Deutschland zur Kriegspartei werden könnte, wenn eine Taurus-Rakete russisches Territorium trifft. "Ich wundere mich, dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermaßen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun", betont er nun.

In der SPD hat Scholz gewichtige Politiker hinter sich: sowohl den deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius als auch Parteichef Lars Klingbeil. So sagt Klingbeil: "Das hat meine volle Unterstützung und meine volle Solidarität."

Debatte auf X

Sein Nein legte Scholz auch auf X, vormals Twitter, dar. Dort schreibt er: "Deutschland ist der größte militärische Unterstützer der Ukraine in Europa. Dabei bleibt es. Klar ist aber: Wir werden nicht zur Kriegspartei – weder direkt noch indirekt. Diese beiden Prinzipien leiten all meine Entscheidungen."

X-Nutzerinnen und -Nutzer fügten hinzu, dass ja auch die französischen und britischen Systeme Storm Shadow und Scalp von der Ukraine eingesetzt werden, ohne dass die beiden Länder Kriegspartei geworden wären.

In der Vorwoche hat die Union einen Antrag im Bundestag auf Taurus-Lieferungen an die Ukraine eingebracht. Der wurde jedoch abgelehnt, die Ampel wollte dem nicht folgen. Doch Scholz schlägt auch aus der eigenen Ampelkoalition Widerstand entgegen.

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb auf X, Scholz führe gegen die Lieferung von Taurus ein widerlegtes Argument an. "Deutsche Soldaten werden für Taurus NICHT auf ukrainischem Boden benötigt. Die Behauptung des Bundeskanzlers ist falsch." Und die Vizefraktionschefin der Grünen, Agnieszka Brugger, betont: "Niemand, der Taurus fordert, will, dass Deutschland zur Kriegspartei wird. Diesen Vorwurf weise ich zurück. Nach allem, was ich weiß, stimmt dieser Zusammenhang auch faktisch nicht." (Birgit Baumann aus Berlin, 27.2.2024)