Die Fahne ist nicht zu übersehen, grob geschätzt vier Meter hoch und acht Meter breit. "Trump 2024 – Save America", ist darauf zu lesen. Trump soll Amerika retten. Der Mann, der die Fahne schwenkt, trägt ein Trikot mit der Nummer 47. Was kein Zufall ist, sondern eine Zahl, die Donald Trumps Anhänger auf Anhieb verstehen, hoffen sie doch, dass ihr Idol im November zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird.

Motto in Rock Hill: Trump – Save America.
REUTERS/SAM WOLFE

Ein milder Februartag in Rock Hill, einer Stadt in South Carolina. Die Flagge dient als Orientierungspunkt, denn dort hat man sich einzureihen in die Warteschlange. Oben auf einem Hügel das Winthrop Coliseum, eine Sporthalle mit sechstausend Sitzplätzen. Unten, hinter Absperrgittern, der Pulk der Wartenden. Es sei ratsam, früh da zu sein, hatte jemand, als Absender war Donald J. Trump angegeben, per E-Mail wissen lassen. Also kurz nach zehn angestellt, womit man bei weitem nicht der Erste ist, obwohl Trump, auch das war vorher klar, die Halle erst nachmittags um vier betreten wird. Überall rote Baseballkappen, das Erkennungszeichen der MAGA-Gemeinde, wie sie sich nennt, der Gemeinde des "Make America Great Again". Jemand verkauft, auf einem Handwagen sortiert, die neuesten Modelle. Darunter eines, das an eine Perücke denken lässt. Setzt man es auf, trägt man Trumps orangefarbenes Haar, nur eben mit Schirm vornedran.

Wieder im Weißen Haus

Da steht Gale, ein Rentner, früher in der Pharmabranche tätig, Basecap auf dem Kopf, nicht rot, sondern beige. Ein eingefleischter MAGA-Fan ist er nicht, doch er mag Trump. Trumps Politik, wie er hinzufügt. 2015, als der Unternehmer auf einer Rolltreppe hinab ins Foyer seines New Yorker Hochhauses fuhr, um seine Bewerbung fürs Präsidentenamt zu verkünden, sei er keineswegs seine erste Wahl gewesen, erzählt Gale. "Er war vielleicht meine vierzehnte, alles klang so aufgebauscht, ich habe ihm nicht getraut." Aber dann, im Oval Office, habe der Mann genau das getan, was er ankündigt hatte, was Gale schon deshalb imponierte, weil er es in der Politik so nicht kannte. Wirtschaftlich sei es gut gelaufen, bis zur Pandemie, für die Trump nichts konnte. "Ich will ihn wieder im Weißen Haus sehen." Hinter ihm Rebecca, Anfang vierzig, zugezogen aus New Jersey, aus der Nähe New Yorks, weil das Leben im Süden, in South Carolina, billiger ist als im Ballungsraum der Megacity. Und weniger hektisch. Rebecca arbeitet in einem Supermarkt. Diese Trump-Rally, sagt sie, sei bereits ihre vierte. Ein Ereignis, das sie nicht verpassen dürfe, wenn ihr Held schon einmal in der Nähe sei.

Professionellstes Merchandising wird natürlich auch geboten.
AFP/TIMOTHY A. CLARY

Begonnen hatte es mit einer zugleich als Eintrittskarte geltenden Nachricht aufs Handy. Und damit war die Vermarktungsmaschine auf Touren gekommen. Bald bot der E-Mail-Absender Donald J. Trump T-Shirts an, verbunden mit der Frage, ob man schon wisse, was man an St. Paddy's Day trage. Gemeint war Saint Patrick's Day, der irische Nationalfeiertag, der auch in Amerika groß gefeiert wird. Präsident Trump wisse es schon, hieß es weiter. Es folgte eine Zeichnung, ein T-Shirt mit Kleeblatt und der Zahl 47. In Grün. Nur 47 Exemplare seien noch auf Lager, man dürfe nicht zu lange überlegen. Zugleich wurde vorab noch ein wenig Marktforschung betrieben. Ein Klick aufs Ticket, und ein Katalog von Fragen erschien. Ob man schon einmal bei einer Trump-Rally gewesen sei. Welche Stadt sich am besten für die nächste Trump-Rally eigne. Welches Lied gespielt werden solle, wenn Trump die Bühne betrete.

Amerikas Grenzen

Nach rund vier Stunden Wartezeit ist man drin im Coliseum. Durch Sicherheitsschleusen, an denen der Secret Service kontrolliert, der Personenschutz, der US-Präsidenten, den aktuellen wie alle ehemaligen, wie ein Schatten begleitet. Das Vorprogramm läutet ein schwarzer Pastor ein, der nicht nur zum Gebet aufruft, sondern auch mit voller Bass-Stimme verkündet: "Donald Trump ist unser Champion! Donald Trump liebt Gott!" Marjorie Taylor Greene, eine rechtspopulistische Kongressabgeordnete aus Georgia, heizt der Halle ein, das Stakkato gipfelt in einer Anklage gegen den Präsidenten Joe Biden, der zwar die Ukraine mit Waffen versorge, aber tatenlos zuschaue, wenn illegale Migranten über die Grenze aus Mexiko kämen. "Unter Trump werden es Amerikas Grenzen sein, die zählen. Nicht die Grenzen von fernen Ländern, nicht Kriege in der Ferne." In dem Ton geht es weiter, unterbrochen von Rockklängen, Popklängen, von Country-Musik. Auf den Rängen Partystimmung, ein merkwürdiger Kontrast zu den Rednern, die die Lage der Nation in düsteren Farben zeichnen, um zugleich die nahende Rettung durch Donald J. Trump zu beschwören.

Trump ist für viele seiner Fans eine Art Religion.
IMAGO/BONNIE CASH

Als dieser in die Arena schreitet, sich nach allen Seiten verbeugt, auf seinem Gang zum Rednerpult Pausen einlegt, um sich feiern zu lassen, schallt aus den Lautsprechern der Song, der längst zu seiner Erkennungsmelodie geworden ist – "Proud to Be an American". Trump redet neunzig Minuten, wobei man den Eindruck gewinnt, dass er nur deshalb so lange redet, weil er zeigen will, dass er es kann. Um herauszustreichen, was ihn unterscheidet von Biden, den er mit den Worten verhöhnt, dass heute ja niemand wisse, ob es der Mann im Herbst noch in die Startboxen schaffe – die Metapher einer Pferderennbahn.

Feinde des Volkes

Nur fängt Trump nach einer halben Stunde an, sich zu wiederholen. War die Arena anfangs bis auf den letzten Platz besetzt, so beginnen sich die Reihen nach vierzig, fünfzig Minuten zu lichten. Zum Schluss ist die Halle halbleer, was man nicht wüsste, würde man nur die Aufzeichnung im Fernsehen anschauen oder eben hinterher, etwa bei Youtube, den kleinen, aufs Rednerpult fixierten Ausschnitt, den die Fernsehkameras liefern. Was Trump nicht daran hindert, mit dem Finger auf die Kameraleute zu zeigen und gegen die "Fake-News-Medien", die "Feinde des Volkes", zu wettern. "Leute, habt ihr die Einschaltquoten von CNN gesehen? Gehen in den Keller!" Oh nein, schiebt er hinterher, scheinbar betrübt, das hätte er jetzt nicht sagen dürfen, "seht ihr, CNN hat sofort die Kameras abgeschaltet". Reine Fiktion, doch die Sätze werden mit Buhrufen quittiert, gerichtet gegen die Medien.

Volle Hallen, zumindest rund um Trump.
IMAGO/Daniel A. Varela

Das Inhaltliche? Trump stimmt, wie schon 2016, ein Klagelied auf die USA an, angeblich auf den Hund gekommen unter Biden, nachdem er selbst in vier Amtsjahren "die tollste Wirtschaft in der Geschichte der Welt" geschaffen habe. Wie in einem Drittweltland, poltert er, in Anspielung auf die Gerichtsverfahren, die gegen ihn laufen, werde die Justiz missbraucht, um ihn am Wahlsieg zu hindern. "Ich bin öfter angeklagt worden als Alphonse Capone", sagt er, im Tonfall zur Abwechslung eher ironisch. "Meine Eltern schauen vom Himmel herab: 'Was ist denn mit unserem Sohn passiert?'"

Bidens Amerika

Keine Grautöne, keine Nuancen, alles schwarz-weiß. Bidens Amerika: eine Nation im Niedergang, ohne Respekt in der Welt, kollabierende Banken, viel zu hohe Zinsen, alles zu teuer, Kommunisten und Kriminelle, die er bekämpfen werde. Und Kriege, die es nie gegeben hätte, säße Biden nicht im Oval Office: "Russland hätte die Ukraine nie angegriffen, Israel wäre nie attackiert worden." Trumps Amerika ab Januar 2025, nach seinem Einzug ins Weiße Haus: Alles wird besser, und zwar schnell. Dann wäre da noch Barack Obama, dem Trump vor Jahren unterstellte, nicht auf amerikanischem Boden geboren zu sein und damit kein legitimer Präsident zu sein. Noch immer versucht er, ihn zum Fremdkörper zu stempeln. "Barack Hussein Obama", ruft er dreimal in Folge, als er von seinen Feinden spricht, den Namen Hussein betonend, in die Breite ziehend.

Manche lassen sich nicht beeindrucken.
IMAGO/BONNIE CASH

Acht Jahre nach den ersten Wahlkampfkundgebungen klingt vieles nach einer Schallplatte, die noch einmal aufgelegt wird. Was sich im Stil geändert hat, ist die Inszenierung, melodramatischer als damals, perfekter einstudiert, weniger dem Zufall überlassend. Eine Mischung aus Glitzershow und Megakirche, aus Las Vegas und Predigerkanzel. Was Trump seinerzeit zur Attraktion werden ließ, war nicht zuletzt das Talent eines Entertainers, der, statt am Telepromptertext zu kleben, immer wieder tatsächlich oder auch nur vermeintlich Spontanes einstreute. Das Unberechenbare trug zur Spannung bei. Trump hatte, auch wenn er vielen Amerikanern durch seine Realityshow "The Apprentice" vertraut zu sein schien, Neuigkeitswert – ein Geschäftsmann, der in die große Politik wechselte. Im Winthrop Coliseum liest der 77-Jährige die meiste Zeit vom Teleprompter ab, und das mit dem Neuigkeitswert ist zwangsläufig passé. Zum Schluss spielen sie einen Discohit: "Y.M.C.A.". Dann gibt Trump Autogramme, vorzugsweise auf roten Baseballkappen. (Frank Herrmann aus Rock Hill, 29.2.2024)