Paul Plut stellt ab Mitte März sein neues Album in Konzerten quer durchs Land persönlich zu: Schauen und hören Sie sich das an.
Paul Plut stellt ab Mitte März sein neues Album in Konzerten quer durchs Land persönlich zu: Schauen und hören Sie sich das an.
Daniel Sostaric

Von einem vertonten Tagebuch zu schreiben hieße, vor der Banalität klein beigeben. Dennoch ist es eine Chronik, die dem neuen Album des in Wien lebenden Steirers Paul Plut zugrunde liegt. Das diesen Freitag erscheinende Werk heißt Herbarium. So nennt man eine Sammlung getrockneter Pflanzen, Plotschn, wie der Steirer sagt. Auf die Art werden sie konserviert und studiert – Pluts Album besitzt eine ähnliche Qualität, zumal er sich im Begleitbuch als Jäger und Sammler zu erkennen gibt.

Zehn Lieder umfasst das Werk, ihre Entwicklungsgeschichten sind mannigfaltig. Ein Stück ist entstanden, als Plut Musik fürs Theater komponiert hat, ein anderes, als er länger in Hallein weilte, wieder andere sind Coverversionen oder haben weltgeschichtliche Hintergründe, die so schwer wiegen, dass Plut spürte, etwas tun zu müssen: Nennen wir es einen menschlichen Reflex. Alle sind sie expressive Stücke von mehr oder weniger großem Schrecken, dem Plut die eigene Verletzlichkeit entgegenhält. Das führt zu erheblicher Reibung, da sprühen durchaus die Funken – sprichwörtlich zwar, doch Pluts Talent, existenzielle Schwere aufzuarbeiten, erblüht dabei einmal mehr.

Totes-Gebirge-Stimmung

Paul Plut ist einer der in bester Lesart eigensinnigsten Musiker des Landes. Ob es seine Band Viech oder das famose Rock-Duo Marta noch gibt, steht in den Sternen, beiden Formationen hat er nicht nur am Mikrofon beträchtlichen Mehrwert verliehen. 2017 erschien sein Solodebüt mit dem heiteren Titel Lieder vom Tanzen und Sterben. 2021 folgte Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse – man kann sagen, das Tote Gebirge ist in seiner Kunst nie fern, wenn schon nicht als tektonische Aufschüttung, so doch als Grundstimmung. Das ist auch bei Herbarium so geblieben.

Paul Plut - Luft
Paul Plut

Dramatik hat er am Theater gelernt, das ist dem Album anzumerken, den Höhepunkt hebt er sich für die Seite zwei auf: Nach der Kunstpause des Plattenwendens kommt Dein stolzes Herz. Das ist ein altes Wienerlied, das der einschlägige Sänger Kurt Girk in Vorstadtlokalen und deren Kartendipplerzimmern bekannt gemacht hat. Bei Plut singt es Barca Baxant, ihres Zeichens Schauspielerin und schon vor 20 Jahren unter anderem mit der Band Princess Him auffällig – wenngleich damals ohne Durchschlagskraft hinsichtlich größerer Popularität.

Knef und Cave

Ihre Version besitzt die Wucht und die Schwere großer Vorbilder. Ein Rhythmus wie Geröllmassen, die sich in einer Schnittmenge aus Nick Cave, Hildegard Knef und den Einstürzenden Neubauten talwärts schieben. Baxants klarer Gesang verleiht der Botschaft des Lieds Würde und Autorität. Ein Traum.

Demgegenüber stehen Miniaturen wie Devil Town, eine Coverversion des US-amerikanischen Tragöden Daniel Johnston, der den Obszönitäten menschlicher Irrungen mit den Augen eines Kindes gegenübertrat und sie dieser Art besang.

In die Heavy-Rotation geistloser Formatradios kommt man mit solcher Musik nicht, deshalb geht Plut ab Mitte März einen Monat auf Tournee und stellt die Musik höchstpersönlich zu. Man sollte ihm Tür, Herz und die Ohrwascheln öffnen. (Karl Fluch, 1.3.2024)