Rund 19 Kilogramm an Lebensmitteln wirft jede Österreicherin und jeder Österreicher pro Jahr weg. Aber nicht nur in Privathaushalten landet viel Essen im Müll, auch im Handel. Durch die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes müssen seit dem Vorjahr große Lebensmittelhändler sowie Supermarktketten Angaben dazu machen, wie viel Essen sie wegschmeißen und spenden. Im letzten Quartal 2023 wurden jene Zahlen nun erstmals von den Händlern eingebracht. Laut der dem STANDARD vorliegenden Statistik betrug die Gesamtmasse weggeschmissener Lebensmittel im letzten Quartal rund 16.200 Tonnen. Damit ist die Menge mehr als dreimal so hoch wie jene der Lebensmittel, die die Supermärkte unentgeltlich weggeben. Im Vergleichszeitraum spendete der Handel knapp 4.900 Tonnen Essen.

Ein Müllcontainer voller Backwaren, Obst und Gemüse.
Nach wie vor landet viel Essen im Müll – nicht nur in Privathaushalten, sondern auch im Handel.
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Insgesamt meldeten 250 Unternehmen mit rund 4.000 Verkaufsstellen ihre Abfallzahlen beim Klimaschutzministerium ein. Dazu verpflichtet sind Betriebe mit mindestens einer Verkaufsstelle über 400 Quadratmeter oder mindestens fünf Märkten. Auf das Jahr hochgerechnet bedeuten die Zahlen, dass im Handel jährlich knapp 65.000 Tonnen Essen weggeworfen werden. Zur Einordnung: In Linz wurden 2023 insgesamt rund 84.000 Tonnen Abfall durch die Müllabfuhr gesammelt. Noch gebe es großes Potenzial, mehr zu spenden und weniger wegzuwerfen, kommentierte die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler die Statistik. Insgesamt hätte sich die Menge weitergegebener Lebensmittel durch den Handel zwischen 2013 und 2020 jedoch immerhin verdreifacht.

Obst und Gemüse auf Platz eins

Rund ein Viertel der Betriebe gab laut Ministerium zusätzlich zur Gesamtmenge auch freiwillig an, in welchen Segmenten konkret Essen im Müll landete. Dabei macht Obst und Gemüse mit 45 Prozent den größten Brocken aus. Auf Platz zwei lagen Backwaren mit 19 Prozent, gefolgt von Frischwaren mit zwölf Prozent. Der Anteil weggeworfener Milchprodukte lag bei sieben Prozent. Ebenfalls freiwillig konnten die Konzerne darauf eingehen, in welchen Warengruppen sie am meisten spendeten. 51 Unternehmen, die rund ein Drittel der Gesamtspenden verteilt haben, kamen dem Aufruf nach. Demnach machen Obst und Gemüse rund ein Drittel der Spenden aus, Milchprodukte ein weiteres Viertel. Gleich hoch ist der Anteil der Backwaren. Frischwaren und Getränke wurden hingegen kaum gespendet.

Ein unmittelbarer Vergleich der Abfall- und Spendenmengen zwischen den Händlern ist schwierig, da die Gesamtmasse natürlich stark mit der Anzahl und Größe der Supermärkte zusammenhängt. In Relation stellen lässt sich aber die Menge an Abfall im Vergleich zur Spendenmenge je Unternehmen. Als Positivbeispiel sticht hier Hofer hervor: Der Diskonter hat deutlich mehr als 2,5-mal so viele Lebensmittel gespendet, als er weggeworfen hat.

Anders sieht es bei Lidl aus: Der Diskonter hat mehr als zehnmal so viele Lebensmittel weggeworfen, als er gespendet hat. Der Konzern wollte die zum Zeitpunkt der Anfrage noch nicht veröffentlichten Zahlen nicht kommentieren. Man setze jedoch bereits einige Maßnahmen zur Lebensmittelrettung, heißt es auf Nachfrage. Dazu würden unter anderem Rabatte zählen, wenn sich Lebensmittel dem Mindesthaltbarkeitsdatum nähern, oder die "Rette-mich-Box" mit optisch nicht mehr so schönem Obst und Gemüse. Dadurch würden jährlich 2,5 Millionen Kilogramm an Lebensmitteln gerettet werden, die nicht ans Ministerium gemeldet und auch nicht gespendet werden können. In Summe sei die Menge an Spenden mittlerweile so gering, dass ein Abholen für Sozialmärkte teilweise wirtschaftlich keinen Sinn mache.

Niedrigere Menge bei Diskontern

Bei Billa landete rund 4,5-mal mehr Essen im Müll, als gespendet wurde. Bei Penny und Sutterlüty, die ebenfalls zur Rewe-Gruppe gehören, war der weggeworfene Anteil in etwa doppelt so hoch wie der gespendete. Auch bei Rewe wollte man den Bericht nicht kommentieren, da er der Gruppe nicht vorliege. "Als Lebensmittelhändler leben wir davon, Lebensmittel zu verkaufen und nicht davon, sie in den Abfall zu werfen", heißt es vonseiten der Pressestelle. Die Gruppe habe demnach bereits eine Reihe an Maßnahme zur Lebensmittelrettung gesetzt, weitere Projekte seien in Planung. Bei Diskontern sei die Abfallmenge generell niedriger, weil es dort eine andere Angebotsbreite und Verfügbarkeit bei Frischeartikeln gebe als bei Nichtdiskontern.

Mehr als zweieinhalbmal so groß war der Müllmenge im Vergleich zur gespendeten Menge auch bei Spar Österreich. Der Konzern wollte die Zahlen nicht bestätigen, da sie nicht durch das Ministerium veröffentlicht waren. Spar hält die Veröffentlichung von Spenden oder Abfallwerten auf der Ebene von Einzelunternehmen "weder für sinnvoll noch für rechtlich gedeckt", heißt es vonseiten der Pressestelle. Generell sei das komplette Vermeiden von Verderb im Handel eine Illusion, heißt es weiter. Spar setze mitunter künstliche Intelligenz ein, um den Verderb bei ein bis zwei Prozent der angebotenen Ware zu halten. Von diesem einen Prozent würden alle noch für den Menschen verzehrfähige Lebensmittel gespendet werden, wenn es entsprechende Kapazitäten bei Sozialorganisationen gebe. Die übrigen Mengen würden als Verderb verbucht werden – darin enthalten sind laut Spar jedoch mitunter auch Lebensmittel, die etwa Mitarbeitern zu Verfügung gestellt oder Landwirten zur Tierfütterung weitergegeben werden.

Der Handelsverband reagierte am Freitag auf die Vorwürfe: Der gesamte Lebensmitteleinzel und -großhandel sei demnach nur für neun Prozent der Lebensmittelverschwendung verantwortlich. 58 Prozent der Lebensmittelabfälle würden aus privaten Haushalten und 19 Prozent aus der Gastronomie sowie von Großküchen stammen. Das Hauptproblem liege also anderswo. (Nora Laufer, 1.3.2024)