Lamarr in Wien
Selbst im geplanten Kaufhaus Lamarr in Wien steckt ein bisschen Vorarlberg. Die Kreditvergabe im Zuge des Projekts dürfte für die Hypo aber eher eine Einbahnstraße gewesen sein.
APA/HELMUT FOHRINGER

Es ist eines der größten Rätsel im Zuge der Signa-Pleite: Wie konnte René Benko trotz der sich zuspitzenden finanziellen Situation laufend neue Bankkredite an Land ziehen? Und: Welche Rolle spielten dabei die Banken selbst? Haben die internen Kontrollmechanismen der Geldinstitute versagt?

Dokumente aus dem Cofag-Untersuchungsausschuss, die dem STANDARD, den "Vorarlberger Nachrichten" und dem ORF vorliegen, geben nun Einblicke in das System der Kreditvergabe. Der konkrete Fall: die Hypo Vorarlberg und ihre millionenschweren Kredite für Signa-Projekte in Berlin, Wien und Tirol.

Lamarr und Chalet N

Aus den Dokumenten geht hervor, dass sich die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) Ende November 2023 – einen Tag nach dem Insolvenzantrag der Signa Holding – mit einem Aufforderungsschreiben an die Hypo Vorarlberg richtete. Die Behörde interessierte sich vor allem dafür, wie groß das Exposure der Bank ist – also wie sehr sie von möglichen Kreditausfällen in der Signa-Gruppe betroffen ist.

In einem Antwortschreiben stellte die Bank Anfang Dezember klar, dass sie zumindest 131,2 Millionen Euro an Signa-Krediten als "ausgefallen" einstuft. Betroffen sind etwa Darlehen, die für das Kaufhausprojekt Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße und das Chalet N in Lech vergeben wurden. Dazu kommt ein Blankokredit in der Höhe von rund 47,3 Millionen Euro an die Familie-Benko-Privatstiftung, der offenbar ohne Sicherheiten in Form von Pfandrechten vergeben wurde.

Fragwürdige Kreditvergabe

Die Dokumente, die dem STANDARD vorliegen, zeigen, dass die Behörden in Sachen Signa in den vergangenen Jahren äußerst aktiv waren – und mehrfach Kritik an den Kreditvergaben der Hypo Vorarlberg übten. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) führte bereits Mitte 2022 eine Vor-Ort-Prüfung bei der Bank durch und warnte vor finanziellen Schwierigkeiten bei der Immobilienholding der Signa. Kritisiert wurde von den Aufsichtsbehörden unter anderem, dass das Risiko aus Immobilienfinanzierungen nicht angemessen adressiert wurde.

Dass es die Hypo bei Kreditvergaben ans Signa-Geflecht möglicherweise nicht ganz so genau genommen hat, zeigt beispielhaft ein Blankokredit in der Höhe von 25 Millionen Euro, den die Bank im Jahr 2021 bewilligt hat. Mittlerweile wurde die Verbindlichkeit, ein sogenanntes Schuldenscheindarlehen, offenbar wieder getilgt. Der Kreditantrag wirft dennoch Fragen auf: Laut den Unterlagen befand die Bank, dass das Darlehen nicht vergabekonform sei, weil interne Kreditvergaberichtlinien nicht erfüllt seien. Vergeben wurde das Darlehen trotzdem, und zwar mit der Begründung, dass die Laufzeit kurz sei und die Rückführung von der Familie-Benko-Privatstiftung garantiert werde.

"Anstandslose Geschäftsbeziehung"

Als "positiv" für die Entscheidung über die Kreditvergabe führte die Hypo Vorarlberg neben einer "sehr hohen Eigenkapitalausstattung der Signa Holding" unter anderem an, dass Benko "zweifelsfrei über ein ausgezeichnetes und weitverzweigtes Netzwerk in Wirtschaft und Politik" verfüge. Positiv zu bewerten sei auch die "langjährige sehr gute, anstandslose und ertragreiche Geschäftsbeziehung mit Herrn Benko und den ihm zuzurechnenden Unternehmen".

Kritisiert hat die Bank schon damals – im Jahr 2021 – die "insgesamt komplexe (und sich laufend ändernde) Konzernstruktur und damit einhergehend für Außenstehende schwer nachvollziehbare wirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Verflechtung in der Unternehmensgruppe". Und: Die "kritische Presseberichterstattung nicht nur durch die 'Krone'", die sich "erschwerend auf die Investorensuche auswirken" könnte. Die Bank kritisierte außerdem, dass die positiven Ergebnisse der Signa Prime "in erster Linie auf den aus Aufwertungen entstandenen Erträgen" beruhen.

Land hält sich bedeckt

Im Vergleich mit anderen Banken ist das Exposure der Hypo Vorarlberg relativ groß, gefährdet ist die Bank jedoch nicht. Auf eine Anfrage des STANDARD zu den fragwürdigen Krediten heißt es, dass man "aufgrund des Bankgeheimnisses über das Bestehen von Kundenbeziehungen keine Auskünfte erteilen" dürfe. Die aktuellen Entwicklungen am Immobilienmarkt seien im vorläufigen Ergebnis für das Jahr 2023 aber bereits eingepreist.

Mehrheitseigentümer der Hypo Vorarlberg ist mit knapp 77 Prozent das Land Vorarlberg. In einer Anfragebeantwortung an den Vorarlberger Landtag hatte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im Dezember die Bank zitiert, wonach Finanzierungen nur "in marktüblichen Strukturen und mit entsprechender Besicherung" vergeben wurden. DER STANDARD wollte vom Land wissen, warum dennoch 131,2 Millionen Euro an Signa-Krediten ausfallen dürften, ob das Land stets ausreichend von der Hypo Vorarlberg informiert wurde und ob es von den Kreditvergaben wusste.

In einem Antwortschreiben weist das Büro von Wallner darauf hin, dass das "operative Geschäft der Vorarlberger Hypothekenbank der Vorstand und nicht der Eigentümer" besorge. Details zu Kreditvergaben seien deshalb "nicht Sache des Landes Vorarlberg, sondern der Vorarlberger Hypothekenbank". Im Übrigen sei der damaligen Anfragebeantwortung "nichts hinzuzufügen".

Hilfe bei "Luftschlossproduktion"

Die Vorarlbergerin Nina Tomaselli, Nationalratsabgeordnete der Grünen, sieht die Verantwortung beim Vorstand der Bank. "Im Fall der Hypo Vorarlberg kann die Luftschlösserproduktion des René Benko nämlich zum Problem für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden." Sie erwarte sich hier ein "besonderes Verantwortungsbewusstsein", habe aber nicht das Gefühl, dass man dem im Fall der Signa gerecht geworden sei.

Aus Sicht von Tomaselli hätten kreditgebende Banken eine "wesentliche Rolle beim Hütchenspiel von René Benko gespielt" und die "Luftschlösserproduktion" mitfinanziert. "Ausländische Projekte zu finanzieren ist nicht Aufgabe einer Regionalbank, die eigentlich dazu da ist, Wohnbaukredite für einfache Häuslbauer zu finanzieren", sagt Tomaselli. Als Konsequenz fordert die Abgeordnete, dass es künftig auch für die Vergabe von Immobilienkrediten für Gewerbeimmobilien strenge Vergaberichtlinien gibt. (Jakob Pflügl, 1.3.2024)