Am Donnerstag hielt Kremlchef Wladimir Putin in Moskau wieder seine jährliche Rede zur Lage der Nation.
Am Donnerstag hielt Kreml-Chef Wladimir Putin in Moskau wieder seine jährliche Rede zur Lage der Nation.
AFP/ALEXANDER NEMENOV

"Wir haben Waffen, mit denen wir sie auf ihrem Territorium treffen könnten", sagte Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag in Moskau in seiner Rede zur Lage der Nation vor mehr als 1.000 Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion. Gemeint sind Atomwaffen. Neu ist diese Drohung nicht. Doch einmal mehr warnte Putin vor der Schlagkraft der Atommacht Russland. Eine Eskalation und ein Einsatz von Atomwaffen könnten zur "Auslöschung der Zivilisation" führen. Das sei kein "Trickfilm", so Putin.

Hintergrund dieser Drohung war die Bemerkung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass ein Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen sei. In seiner Rede warnte Putin die Nato-Staaten davor, Soldaten in die Ukraine zu entsenden, um gegen russische Truppen zu kämpfen. Die Folgen eines solchen Schrittes könnten tragisch sein, sagte er. "Verstehen sie nicht, dass es die Gefahr eines nuklearen Konflikts gibt?", so der russische Präsident. Die Nato hat allerdings einen Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine bereits kategorisch ausgeschlossen.

In Sachen Atomwaffen weitaus deutlicher geworden war früher schon Dmitri Medwedew, der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats. Sollte Russland auf die Grenzen von 1991 zurückgedrängt werden, würde das Land Atombomben nicht nur über Kiew, sondern auch über Berlin, London und Washington abwerfen, sagte er. Als Grenzen von 1991 gelten die völkerrechtlich anerkannten Grenzlinien Russlands und der Ukraine vor der Annexion der Halbinsel Krim 2014 und vor der russischen Invasion in die Ukraine.

Dialog mit den USA

Wenige Tage vor der Rede hatte Putin verkündet, Russland habe die Modernisierung seiner Atomstreitkräfte zu 95 Prozent abgeschlossen. So habe etwa die Luftwaffe gerade vier neue Überschallbomber erhalten, die mit Atomwaffen bestückt werden könnten. Die strategischen Atomwaffenfähigkeiten zu Lande, zu Wasser und in der Luft seien auf dem neuesten Stand und würden ständig modernisiert. "Unter Einbeziehung unserer realen Kampferfahrungen werden wir die Streitkräfte weiterhin auf jede erdenkliche Art und Weise stärken.“

Zugleich wies Präsident Putin aber Behauptungen zurück, Russland wolle den Westen angreifen. Das sei "Blödsinn". Den USA bot Putin erneut einen Dialog zur strategischen Sicherheit in der Welt an. Russland und die USA hatten im Zuge ihres Konflikts mehrere Abrüstungsverträge ausgesetzt oder aufgekündigt. Russland sei bereit zu neuen Gesprächen, wenn die USA aufhörten, es auf eine strategische Niederlage Moskaus abzusehen.

Es war Putins 19. Rede zur Lage der Nation. Innenpolitisch war viel von Sozialpolitik, der Unterstützung kinderreicher Familien, von Bildungschancen die Rede. Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Russland hat Wladimir Putin große soziale Versprechen an das Volk gemacht. Es solle ein neues nationales Unterstützungsprogramm geben. Für die Modernisierung des Gesundheitswesens sagte er rund zehn Milliarden Euro an neuen Haushaltsmitteln zu. Putin räumte ein, dass immer noch 13,5 Millionen Menschen in Russland unterhalb der Armutsgrenze leben würden. Vor allem große Familien seien davon betroffen. Bei etwa 30 Prozent der Großfamilien sei die finanzielle Lage prekär. Bis 2030 solle dieser Anteil auf zwölf Prozent gesenkt werden, forderte er.

"Stolz" auf das Erreichte

Russlands Krieg in der Ukraine wird nach Putins Darstellung von der "absoluten Mehrheit der Bevölkerung" unterstützt. Ausdrücklich dankte Putin den Bürgern und den Unternehmern für die Unterstützung bei der "militärischen Spezialoperation". Das Volk arbeite "in drei Schichten", um die Bedürfnisse der Front zu decken, so der Präsident. Putin erinnerte auch an den zehnten Jahrestag der Annexion der Halbinsel Krim. Das Land schaue "mit Stolz" auf das Ereignis und das Erreichte. "Zusammen können wir alles schaffen", sagte er. Russland werde niemandem erlauben, sich in seine inneren Angelegenheiten einzumischen. Für die gefallenen russischen Soldaten rief er eine Schweigeminute aus. (Jo Angerer aus Moskau, 29.2.2024)